„Wo ist Kabus?“ Kaleena erkannte, dass er nicht mehr da war.
„Er startet schon einmal die Triebwerke!“ erwiderte Biggs, der gerade aus der angrenzenden Küche kam.
„Liva und Malis sind bei ihm!“ sagte Esha und trat zu ihr.
„Sind sie hier fertig?“ fragte Biggs freundlich.
Kaleena nickte.
„Dann wollen wir keine Zeit mehr verlieren!“ Er nickte den beiden Frauen zu und schob sie aus dem Haus.
Draußen war es merklich dunkler geworden, auch der Wind hatte deutlich aufgefrischt.
Biggs übernahm die Führung und legte ein erstaunliches Tempo vor. Er führte sie weg vom Haupthaus auf eine der hinteren Scheunen zu, in der Licht brannte.
Während Kaleena stumm, mit gesenktem Kopf und ernstem Gesicht neben ihr her schritt und so wie sie versuchte, an Biggs dran zu bleiben, war sich Esha ziemlich sicher, dass irgendetwas mit ihrer Freundin nicht stimmte.
Plötzlich wurde sie von einem Geräusch weit hinter ihr aus den Gedanken gerissen. Warum sie darauf aufmerksam wurde, konnte sie nicht sagen, aber instinktiv drehte sie sich zurück in Richtung Haupthaus, hinter dem man den hellerleuchteten Stützpunkt erkennen konnte.
Doch Esha konnte in der ersten Sekunde dort nichts Ungewöhnliches ausmachen und wollte ihren Kopf bereits wieder zurückdrehen, als sie das Geräusch erneut vernahm. Es war wie ein entferntes Donnern, als würde sich ihnen ein Gewitter nähern. Wieder rein instinktiv hob sie ihren Kopf dann zum Himmel und blieb urplötzlich wie angewurzelt stehen. Nein, das war kein Gewitter, das sich ihnen näherte, das war die Ausgeburt des Teufels!
„Oh mein Gott!“ entfuhr es ihr und erst jetzt wurde Kaleena auf sie aufmerksam. Sie blieb stehen, drehte sich zu Esha und schaute ihr fragend ins Gesicht. „Was ist los?“ Dabei folgte sie ihrem Blick zum Himmel. Und als auch sie dort deutlich die Plasma-Anomalie sehen konnte, die rasend schnell über dem Stützpunkt immer größer wurde, stieß sie einen erschreckten Schrei aus und ihre Augen wurden vor Entsetzten riesengroß.
„Hey Ladies!“ Biggs hatte die Scheune erreicht und sich zu ihnen umgedreht. „Was ist denn nun?“
Während Kaleena scheinbar starr vor Schreck war, zwang sich Esha zu antworten. „Wir haben ein Problem!“
„So? Welches?“
Esha drehte sich zu ihm, schaute ihm direkt in die Augen und riss dann ihren rechten Arm in die Höhe. „Das da!“
Biggs folgte ihrem Zeichen und erstarrte ebenfalls in seiner Bewegung. „Oh Scheiße!“ Er atmete einmal tief durch. „Wir...!“ Weiter kam er nicht. Urplötzlich war die Luft erfüllt von einem immer lauter werdenden Rauschen aus dem Inneren der Anomalie. Während sich fast gleichzeitig etwa zwei Dutzend Flugzeuge von den Startbahnen des Stützpunktes erhoben und auf die Anomalie zuhielten, konnte Biggs unzählige kleine Punkte in ihrem Inneren erkennen, die immer größer wurden.
Esha nahm Kaleena am Arm und zog sie mit sich zu Biggs. „Was ist das?“ rief sie ihm zu und blickte erneut zur Anomalie in den Himmel.
Biggs antwortete nicht sofort, sondern wartete eine Sekunde, bis aus dem Rauschen ein widerliches Pfeifen wurde. „Jäger!“ sagte er dann nur knapp. Dann drehte er sich um und begann damit, das Scheunentor zu öffnen. „Gehen sie rein!“ rief er Esha zu. „Sagen sie Kabus, er soll sich beeilen!“ Mit all seiner Kraft stemmte er den linken Torflügel so schnell er konnte auf.
Esha nickte und zog Kaleena mit sich.
Im Inneren der Scheune gab es sechs Flugzeuge, doch nur eines hatte die Triebwerke gezündet. Es war ein mittelgroßer Truppentransporter, der etwa zwei Dutzend Personen Platz bot. Er sah mit seiner eher eckigen Form etwas klobig aus und war wohl auch nicht für hohe Fluggeschwindigkeiten ausgelegt, aber er wirkte intakt und stabil. Die seitliche Einstiegsluke war geöffnet. Esha drückte Kaleena hinein und schob sich dann an ihr vorbei zum Cockpit. Malis und Liva, die ihr zunächst freundlich zugelächelt hatten, verstummten, als sie ihr ernstes Gesicht sahen.
„Ah...!“ begrüßte sie Kabus im Cockpit. „...sind sie endlich fertig!“
„Mehr als das!“ erwiderte Esha tonlos und setzte sich auf den Copilotensitz.
Kabus erkannte an ihrem Tonfall, dass etwas nicht stimmte. „Was ist los?“
„Sie sollten sich ein wenig beeilen!“
„Warum?“ fragte er Böses ahnend und gab leichten Schub auf die Vertikaltriebwerke, sodass der Transporter sanft einige Zentimeter vom Boden abhob und er ihn herumdrehen konnte.
„Wir haben Besuch bekommen!“
„Besuch?“ Jetzt war er doch etwas überrascht. Der Transporter hatte sich mit dem Cockpit in Richtung Eingang gedreht. Kabus erkannte Biggs, wie er eigentlich viel zu hektisch und wild den zweiten Torflügel aufstemmte. „Wen?“ Sanft gab er Schub auf die Horizontaltriebwerke und der Transporter schob sich aus der Scheune.
„Die Handlanger des Teufels!“ Esha deutete mit ihrem Arm auf die Anomalie, die sich zu ihrer vollen Größe ausgebreitet hatte und aus der immer wieder feindliche Jäger herausschossen und sich zu den anderen gesellten, die bereits dabei waren, den Stützpunkt und die angrenzende Stadt systematisch und erschreckend effektiv zu bombardieren. Es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis sie sich auch in ihre Richtung bewegen würden.
„Verdammter Mist!“ fluchte Kabus und schaute gebannt auf die Schlacht. Aus den Augenwinkeln beobachtete er dabei Biggs, der das Scheunentor gänzlich geöffnet hatte und zu ihnen rannte. Kabus hatte den Transporter dicht an ihn heran geschoben, sodass er nur wenige Schritte zu machen brauchte. Seine Augen waren noch immer auf das Schlachtfeld gerichtet und gerade in dem Moment, da Biggs sich in Bewegung setzte, hatten sich zwei Jäger aus ihrer Formation gelöst und rasten direkt auf sie zu.
„Anschnallen!“ sagte er nur kurz und emotionslos und Esha beeilte sich damit. Über Lautsprecher hatten es auch Kaleena, Malis und Liva im hinteren Raum gehört und ließen sich ebenfalls nicht lange bitten.
Kabus aber bewegte ihren Transporter keinen Millimeter von der Stelle, sein Blick war nur starr geradeaus auf den heran rauschenden Feind gerichtet.
Esha neben ihm wurde zusehends nervöser, ihr Blick zuckte zwischen Kabus und den Jägern hin und her.
Biggs hatte mittlerweile den Transporter erreicht und hechtete prustend in den Innenraum. Kaum war er dort auf dem Boden aufgekommen, wirbelte er blitzschnell herum und betätigte die Schließhydraulik. „Der alte Sack ist an Bord!“ rief er atemlos aus und ließ sich zurückfallen, um ausgestreckt auf dem Boden zu verschnaufen.
Doch Kabus ließ ihm dazu absolut keine Zeit. Kaum hatte Biggs ihm das Okay zum Start gegeben, donnerte er den Schubhebel des Transporter bis zum Anschlag nach vorn, während er das Steuer zurückriss.
Im selben Moment zuckte unterhalb der Flügel der feindlichen Jäger je ein kleiner, gleißender Blitz auf und zwei tödliche Raketen schossen auf sie zu.
Zu diesem Zeitpunkt ruckte der Transporter durch die maximale Schubleistung nach vorn. Fast zeitgleich hob sich die Nase innerhalb eines Wimpernschlages senkrecht in die Höhe, nur um sofort weiter nach hinten über zu kippen.
Esha und der Rest der Besatzung schrien aus Leibeskräften, weil irrsinnige Kräfte auf ihre Körper wirkten. Malis wurde ohnmächtig. Esha wurde schlagartig schwindelig, sie verlor augenblicklich die Orientierung.
Biggs krallte sich mit all seiner Kraft an eine Sitzlehne, um nicht wie ein lebender Kegel durch das Flugzeug zu poltern.
Kabus verzog ebenfalls sein Gesicht und unterdrückte einen Schrei. Auch auf ihn hatten derartig wilde Kräfte lange nicht mehr gewirkt. Doch es war die einzige Chance, hier lebend herauszukommen.
Kabus ließ den Transporter über die Senkrechte hinweg kippen, dann rollte er das Flugzeug über den linken Flügel wieder in eine annähernd aufrechte Position und überflog mit Höchstgeschwindigkeit die Scheune in die andere Richtung. Kaum hatten sie sie hinter sich gelassen, donnerten die beiden Raketen in sie hinein und zerfetzten in einem gewaltigen Feuerball alles, was sich in ihr befand.
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