Wenn du immer wieder solche Dinge erlebst, die du mitunter vollkommen klar und scheinbar bei vollem Bewusstsein wahrnimmst, bist du dir irgendwann fast sicher, dass wir nicht alleine sind, dass die Geister mitten unter uns sind oder eben, dass etwas mit dir nicht stimmt. Schizophrenie oder ein Teil der Wirklichkeit?
Eigentlich möchte ich mich mit derlei Fragen nicht beschäftigen müssen, aber ich tue es gezwungenermaßen, denn ich spüre die Gespenster immer wieder. Natürlich glaubt mein Umfeld nicht an ihre Existenz. Dann frage ich mich ernsthaft, ob ich verrückt bin, ob sich das alles nur in meinem Kopf abspielt, ob es vielleicht irgendein Fehler in meinem Gehirn ist, also quasi nur ein Mangel an der komplizierten menschlichen Maschine oder ob da wirklich noch etwas ist – eine andere Sphäre.
Was führt einen Menschen zu geistiger Verwirrtheit? Ist eine derartige Neigung angeboren oder auf unsere Erlebnisse zurückzuführen? Wo liegt die Grenze zwischen psychisch krank und noch als „normal“ geltende Eigenarten und Probleme? Wer definiert sowas? Inwieweit können wir uns selbst steuern und in den Griff kriegen?
Es ist nicht so, dass Tom und die anderen Schuld waren an meinem mangelnden Selbstvertrauen, meiner Unfähigkeit spannend zu erzählen und mich in Gruppengespräche einzubringen. Sie haben es höchstens verschlimmert, doch die Ursachen mussten woanders liegen, denn ich hatte zumindest Ansätze dieser Eigenschaften von klein auf gehabt.
Neulich habe ich im Internet einen Artikel entdeckt, der die Erscheinung von Gespenstern aus medizinisch-neurologischer Sicht als Halluzinationen oder die Folge falscher Verarbeitung von Sinnesreizen im Gehirn erklärt. Ursachen von Halluzinationen dagegen können wiederum Psychosen, also schwere emotionale Störungen, die mit einem zeitweiligen weitgehenden Verlust des Realitätsbezugs einhergehen oder andere krankhafte Veränderungen des Gehirns sein. Eine Schizophrenie beispielsweise beginnt in rund drei Viertel der Fälle mit einem Vorstadium, das mehrere Jahre andauern kann und sich erst später zum Vollbild der Bewusstseinsspaltung entwickelt. Charakteristische Symptome im Vorstadium sind Störungen des Denkens, der Stimmung und des sozialen Verhaltens.
Die Krankheitszeichen im Vollbild einer Schizophrenie können sehr unterschiedlich sein und praktisch alle psychischen Funktionen verändern. Insbesondere kommt es zu Wahrnehmungsstörungen, wie Wahnerleben und Halluzinationen. Die Betroffenen hören Stimmen oder Geräusche, ohne dass diese tatsächlich vorhanden sind. Sie können Dinge riechen, fühlen oder sehen, die andere Menschen nicht wahrnehmen. Sie haben Störungen der Gefühle und des Antriebs. Die Stimmungslage passt nicht zur aktuellen Situation. Der Betroffene erlebt gleichzeitig gegensätzliche Gefühle, wie Lachen und Weinen. Viele Schizophrenie-Patienten leiden auch unter Apathie. Der Bewegungsablauf eines Schizophrenen kann deutlich von dem eines Gesunden abweichen. Es kommt zu übermäßigen oder stark reduzierten Körperbewegungen. Dies erinnerte mich an meine manchmal plötzlichen abrupten Zuckungen und meine verlangsamte Reaktionsfähigkeit.
Viele Betroffenen leiden auch unter Beeinträchtigungen in der Kommunikation. Sie haben Schwierigkeiten bei der Bewältigung des sozialen und beruflichen Lebens. Der Umgang mit Angehörigen, Freunden oder Kollegen kann sehr problematisch sein, bis hin zum Verlust von Freundschaften und Arbeitsplatz. Manche Patienten durchleben im Anschluss an eine schizophrene Phase eine Depression. Symptome der Bewusstseinsspaltung sind weiterhin vorhanden, aber nur in geringem Ausmaß.
Man geht davon aus, dass verschiedene Aspekte zusammentreffen müssen, um ein Spaltungsirresein auszulösen. Die Veranlagung zur Schizophrenie, nicht jedoch die Erkrankung selbst, scheint vererbbar zu sein. Möglicherweise besteht eine Anfälligkeit für die Entwicklung einer Bewusstseinsspaltung, wenn eine vererbte Empfindlichkeit und bestimmte Erziehungsmuster bestehen. Zum Ausbruch der Erkrankung kommt es allerdings erst, wenn Lebensereignisse hinzukommen, die der Betroffene nicht mehr bewältigen kann.
Diese Erklärungen für meine regelmäßigen Wahrnehmungen und Erscheinungen sind indes auch nicht gerade beruhigend, selbst wenn sie die beängstigenden Gespenster als Einbildung oder Sinnestäuschung verharmlosen.
Doch blasen wir das Ganze nicht unnötig auf! Die Absonderlichkeit soll nicht aus reiner Sensationsgier überspitzt werden. Mein Partner Kristian meinte, dass ich einfach nur so intensiv träume und einen so leichten Schlaf habe, dass die Übergänge zwischen Traum- und Wachphase teilweise dermaßen fließend sind, dass ich sie nicht mehr auseinanderzuhalten vermag. Es war klar, dass er nach einer logischen Erklärung suchte. Wer will schon mit einer psychisch Kranken zusammenleben? Seine beschönigende und gleichermaßen ernüchternde Theorie erklärte jedoch nicht, die Stimmen, die aus dem Fernseher im Wohnzimmer gekommen waren. Ich war ja hingelaufen – wach. Sie waren da gewesen. Ich weiß es.
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