Dass Polizisten, auch um ihr eigenes Leben zu schützen, ihre Position in Konflikten mithilfe ihrer Dienstwaffe demonstrieren, ist nachzuvollziehen. Der Einsatz der Dienstwaffe durch Polizisten ist in den Bundesländern vom Gesetzgeber im Gesetz über die Ausübung von unmittelbarem Zwang klar geregelt und zieht stets ein Ermittlungsverfahren nach sich. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist darin festgelegt, der bestimmt, dass eine Schusswaffe nur dann gebraucht werden darf, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft sind, um den beabsichtigten Erfolg zu erlangen. Eine Schusswaffe gebrauchen, bedeutet: schießen. Auch wenn sie der Einschüchterung dienen, fallen offensive Waffenhaltung und entschiedene Sicherungshaltung nicht darunter.
Vor diesem Hintergrund hofften die drei Freundinnen, dass sich in Zukunft die willkürlichen rechtswidrigen Handlungen gewisser aggressiver, konfliktbereiter Polizisten am Bürger, nicht auf den Gebrauch der Waffe ausdehnten, was für das Opfer tödlich enden könnte. Das Ausnutzen der Gelegenheit zur Ausübung von Macht konnte hierbei auch von Bedeutung sein.
Auf der anderen Seite ist von Christian Schwerdtfeger bei RP ONLINE über die Expertenkritik zu lesen, dass Polizisten in NRW zu wenig mit der Schusswaffe trainieren. Zudem fehle es laut Gewerkschaft der Polizei an Trainingsmöglichkeiten, was dazu führe, dass einige Polizisten im Jahr überhaupt keine Übungsmöglichkeit haben. In der Vergangenheit kam es bereits zu tödlichen Schüssen, nachdem ein Polizist dreimal auf den Oberkörper eines psychiatrisch betreuten Messerangreifers schoss. Die Frage, die sich hier stellt ist, ob die Notwehr es zwingend erforderte, dass der Beamte gleich drei Schüsse auf die Brust des Angreifers abgab, so dass der tödlich getroffen zusammenbrach, anstatt auf die Beine zu zielen.
Tödliche Einsätze wie dieser gelten bei der Polizei als bedauernswerte Einzelfälle. Doch wer von uns möchte, ehrlich gesagt, jemals so ein Einzelfall sein?
Es ist innerhalb der Polizei kein Geheimnis, dass die Schießausbildung der Beamten über Jahre zu kurz kam. Aus den Reihen der Polizei wird mitgeteilt, dass es Kollegen gibt, die nicht ausreichend geübt im Umgang mit ihrer Waffe sind. Die Folgen sind hier unabsehbar. Was wird passieren, wenn zukünftig die offensive Waffenhaltung an der Tagesordnung ist? Wenn Polizisten die Dienstwaffe, die sie sichtbar am Körper tragen, in kritischen oder unübersichtlichen Situationen von vornherein aus dem Holster nehmen? Würden solche Maßnahmen zur Folge haben, dass sich die Lage erst recht verschärft? Führt die Handlungsweise, die Waffe bei der Kontrolle von Fahrzeugpapieren bereits sichtbar zu verwenden, erst recht zu Eskalationen, wie in Amerika? Aus dem Kreis der Polizei heißt es, dass offensive Waffenhaltung notwendig und legal sei. Denn heute reiche nicht mehr nur die Uniform aus, um der Polizei Respekt zu verschaffen. Deshalb müssten Polizisten nun härtere Geschütze auffahren.
Spätestens im Zeitalter des Terrorismus, der mittlerweile auch in Deutschland angekommen ist, rüstet die Polizei massiv auf.
Wenn der Einsatz der Waffe auch das letzte Mittel ist, kann es zur Deeskalation einer Situation beitragen, wenn bewaffnete Täter, die einen Polizisten angreifen wollen, bemerken, dass auch dieser eine Waffe bereithält und somit auf einen möglichen Waffeneinsatz entsprechend vorbereitet ist. Sollte allerdings ein Beamter auf Macht aus sein, sind die auf ihn treffenden Bürger noch gefährdeter, mit rechtswidriger Polizeigewalt bedacht zu werden. Wenn hierbei dann die Waffe locker eingesetzt wird, kann das schnell als tödliches Spiel enden.
Für Silke, die unbewaffnet einen Schlüssel aus der Tasche holte und diesen in das für ihn bestimmte Schloss steckte, bedeutete dies, dass ein Polizist, der irrtümlich glaubt, eingeschlossen zu werden, einen übereilten Waffengebrauch damit rechtfertigen könnte, aus Notwehr gehandelt zu haben. Wenn der Justizapparat dies dann in letzter Konsequenz als gegeben hinnähme und akzeptierte, wäre daraus zukünftig nichts Gutes zu erwarten.
Unter dieser Voraussicht, wenndie Verhältnismäßigkeit der Mittel durch Polizeibeamte anders bewertet, und Waffen riskanter eingesetzt würden, fragten sich Silke und ihre Freundinnen, wer in schuldloser Situation das nächste Opfer sein würde. Sie kannten die Geschichte von Piper.
Piper war ein unschuldiger Hund. Ein Auto hatte ihn ca. 50 Meter von seinem Zuhause entfernt angefahren und verletzt. Der am Unfall beteiligte Autofahrer rief die Polizei. Ein hinzukommender Polizeikommissar erschoss das Tier bedenkenlos und vergrub es kurzerhand unter der Grasnarbe.
Die veterinärmedizinische Stellungnahme fordert ganz klar, dass ohne vorliegenden
tierärztlichen Befund ein Hund nicht „ erlöst“ werden darf - auch nicht von der
Polizei. § 4 Tierschutzgesetz und die allgemeinen Verwaltungsvorschriften
(Tötung von Tieren).
Der am Unfall beteiligte Autofahrer gab später an, dass er keine Verletzung an Piper
hätte erkennen können, dass das Tier lebte und vielleicht durch den Schock einen
etwas irritierten Eindruck machte.
Anstatt locker die Waffe zur Tötung des Tieres einzusetzen, hätten die Polizisten
lebenserhaltende Möglichkeiten ergreifen können, um Piper zu retten, wie bspw:
das nächste Haus aufzusuchen, um den Hundebesitzer ausfindig
zu machen. Die Nachbarn von Pipers Familie hätten sie auf
diese hingewiesen. Pipers Familie hätte sich unverzüglich um
Piper gekümmert und sie zum Tierarzt gebracht.
Die Polizeibeamten hätten Pipers Chip lesen und bei Tasso
anrufen können. Von dort aus wäre Pipers Familie verständigt
worden, die sich um ihr verletztes Tier hätte kümmern können.
Die Polizeibeamten hätten die Tierrettung oder die Feuerwehr
zu Hilfe rufen können, um Piper lebensrettend zu helfen.
Anstatt eine oder mehrere dieser verhältnismäßigen Möglichkeiten zu ergreifen, entschied der Polizist am Unfallort, Pipers Leben auszulöschen, ohne dass beweisermöglichende medizintechnische Geräte, Pipers Verletzungen transparent gemacht hätten. Danach schnitt er ihr die Ohren ab und verscharrte das tote Tier neben der Straße. Pipers Ohren blieben nachher verschwunden.
Für die Aufklärung des Falles „Piper“ fühlten sich sämtliche Behördenteile nicht zuständig. Sowohl der Polizeichef als auch der Innenminister zeigten ebenfalls kein Interesse an der Aufhellung der Missstände dieses dubiosen und im Weiteren schrecklichen Falles.
Im Nachhinein hilft es keinem Opfer, zu wissen, dass es eine andere Lösung gegeben hätte. Deshalb ist eine von Justizwegen wichtige Nichtakzeptanz solcher verfehlten unverhältnismäßigen Polizeihandlungen die absolute Voraussetzung für Veränderungen und dafür, dass so etwas zukünftig nicht mehr geschieht.
Piper steht stellvertretend für viele dieser unverständlichen Tötungsfälle, in denen unschuldige, spielende oder einfach nur anwesende Hunde exekutiert wurden, so dass Augenzeugen sogar von einer vorsätzlichen Hinrichtung sprachen. Häufig fanden derartige Vorfälle vor Passanten statt, die die Schuldlosigkeit der betroffenen Tiere bezeugten. In vielen dieser Fälle geschah es dann, dass der Staatsanwalt den, die Erschießung vorgenommenen Polizisten verteidigte und unbedingt bestrebt war, das Verfahren gegen ihn einzustellen.
Auch an dieser Stelle wird deutlich, dass Staatsanwälte, die eigentlich sinngemäß anklagen sollten, immer wieder dazu bereit sind, überreagiert und unverhältnismäßig tätlich gewordene Polizisten zu verteidigen und nachträglich von der Verantwortung zu befreien. Ihre Aufgabe, strafbare Handlungen unbefangen und unvoreingenommen aufzuklären und zu verfolgen, wird dann dabei vollkommen außer Acht gelassen.
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