Doch langsam füllte sich das Lokal. Unser Wirt war mit einem Gast am anderen Ende der Theke ins Gespräch vertieft. Ich weiß, der Lauscher an der Tür...
Trotzdem kam ich nicht umhin, ein paar Fetzen mitzubekommen. „..... du machst dein Angelzeug klar. Makrelen stehen gut. Wir treffen uns dann Punkt acht am Steg. Dann haben wir ablaufend Wasser. Weißt du, wo die Seenixe liegt?“ Ich schaute den Floh an. Der hatte auch lange Ohren.
Flüsternd „Sollen wir...?“
„Klar, frag doch ‘mal.“
„Warum denn immer ich ? Du kannst genauso gut fragen.“
„Red’ nicht lange, mach’ schon!“
„Sagen Sie mal, Käpt’n, haben Sie noch Platz für zwei Bordgäste?“
„Klar, morgen früh um acht, drüben im Yachthafen, am Steg, Spitzgatter, grüner Rumpf, weiße Aufbauten. Aber warten tu’ ich nicht!“
Na Klasse, da hatten wir es!
Die Seenixe war nicht schwer zu finden gewesen. Ein schwimmendes Etwas. Dort, wo der Name stand, musste der Bug sein. Ansonsten war der Kahn vorne wie hinten, eben ein klassischer Spitzgatter. Nichts ungewöhnliches, denn Rettungsboote baute man früher immer so. Und nichts anderes war die Seenixe : ein umgebautes, siebeneinhalb Meter langes, ausgedientes Rettungsboot! Halbdeck eingezogen, Kajüte daraufgesetzt und Mast aufgestellt. Die Segel müssen ja schließlich irgendwo festgemacht werden. Und falls der Wind einmal nicht so wollte wie der Skipper, hatte man auch einen Motor vorgesehen. Mercedes 190 D , Baujahr irgendwann-vor-langer Zeit.
Andi und ich schauten uns an. Ein Seelenverkäufer ! Wir hatten auf einem Seelenverkäufer angeheuert!
Den Käpt’n indes schienen Bedenken solcherart nicht anzufechten. Wir hörten ihn munter unter Deck herummurksen.
Flüsternd: „Was meinst du, wenn d e r Vertrauen zu dem Kahn hat, dann können wir doch auch, oder?“
„Und wenn wir jetzt noch einen Rückzieher machen, was denkt der denn dann von uns?“
Laut : „Moin, Moin, Käpt’n!“
„Moin, na, geht’s gut? Los, an Bord. Die Segel hab’ ich schon angeschlagen. Und da kommt ja auch endlich unser Angler. Vorwärts, mach ‘mal hin. Wir haben Tidegleichstand, die Schleuse ist offen, da müssen wir schnell noch durch. Leinen los und ab dafür !“
Während seines Monologs hatte unser Skipper den Diesel zum Leben erweckt, was dieser auch ohne Murren über sich ergehen ließ, sodass wir nun auf die zur Durchfahrt freien Schleuse zunagelten.
„Käpt’n, kriegen wir bei dem ablaufenden Wasser nicht Probleme mit den Sanden zwischen Wangerooge und Spiekeroog?“
„Bei ablaufend Wasser sparen wir Zeit und Diesel, weil uns der Ebbstrom mitzieht und mit den Sänden, na, keine Sorge, da kenn ich mich aus.“
Gut, dass ich damals noch nicht wusste, dass mir dieser letzte Nebensatz, ausgesprochen von unserem Skipper mit voller Überzeugungskraft, noch einmal lautstark in den Ohren klingen sollte.
Wir motorten also durch den Fischereihafen und orientierten uns dann an der Prickenreihe, die das Harle-Fahrwasser einlaufend an Steuerbord begrenzt. See ruhig, Wind zwar gegen die Tide, aber höchstens mit Stärke zwei, registrierte ich im Stillen. Uns schien ein gemütlicher Törn bevorzustehen. Nur kalt war es an diesem Morgen. Ich beglückwünschte uns zu unserer Entscheidung, uns mit dicken Jeans, Troyern und Öljacken auszustatten.
So saßen der Floh und ich also, warm verpackt, auf der Backbord-Bank, der Angler an Steuerbord und Käpt’n Hauk lehnte sich gemütlich über die Ruderpinne.
Eben griff er in ein Schapp zu seinen Füßen und brachte einige Flaschen Bier zum Vorschein. „Will einer ‘n guten Schluck?“
Andi verzog die Nase. „Nee - so früh am Morgen kann ich das noch nicht haben. Außerdem muss ich dann gleich wieder auf Toilette - gibt’s hier überhaupt ein Klo an Bord?“
„Aber klar!“ lachte der Käpt’n. „Bei uns Männern geht das immer nach Lee, und weit über die Reling. Und für die Damens an Bord steht da hinten in der Kajüte so’n blauer Eimer.“
Na Mahlzeit. Hätte ich mir damals doch bloß an dem Floh ein Beispiel genommen. Aber mich ritt natürlich mal wieder der Teufel. „Geben Sie mir ruhig ‘mal so eine Buddel ‘rüber“, hörte ich mich sagen.
Das Bier war kalt, frisch und beflügelte sozusagen die Lebensgeister. Schwupp, und leer war’s. Hmmmm....
Der Angler war zwischenzeitlich bei seiner dritten Flasche angekommen. „Na Käpt’n, ich nehme auch noch eins.“ Der Teufel hat den Schnaps gemacht....
Unterdessen waren die beiden Inseln nähergekommen und mit ihnen auch das vergleichsweise schmale Fahrwasser dazwischen. Die Dünung wurde merklich rauer, kurze steile Seen bauten sich um uns herum auf. Unser schwerfälliger Spitzgatter begann zu stampfen. Und jetzt meldete sich auch noch das Bier. Was man oben hineinschüttet, muss unten bekanntlicher Weise wieder hinaus. Aber sich bei dem Gedümpel an die Reling stellen, das wollte ich nicht.
„Skipper, ich geh’ mal kurz in die Kajüte.“
„Wenn’s sein muss! Aber nimm den blauen Eimer, bloß nicht einen von den weißen, die sind für die Fische. Aber ich tät da jetzt nicht reingehen.“
Seine Antwort bekam ich nur noch mit halbem Ohr mit, darum machte sie mich auch nicht weiter nachdenklich. Was der Käpt’n gemeint hatte, wurde mir erst klar, als ich aus der Kajüte wieder heraus kam.
Das Stampfen hatte noch zugenommen und rollen tat der Kahn jetzt auch noch, ‘Schlingern’ nennt man wohl diese Bewegungskombination und, oooh, war mir schlecht. Vom Bröckchenhusten war ich zwar noch ein Stück entfernt, aber scheinbar war es meine Gesichtsfarbe, die den Floh mir raten ließ, erst mal ganz ruhig durchzuatmen.
„Das hätte ich dir sagen können, dass man bei Seegang besser nicht unter Deck geht.“ Meine ehemalige Freundin sparte nicht mit guten Ratschlägen.
„Das hilft mir jetzt auch nicht mehr“ kam meine gepresste Antwort. Zu großen Diskussionen war ich in diesem Moment nicht aufgelegt. Ich hatte das Gefühl, besser den Mund zu halten.
„Komm, mein Jung’, lös’ mich mal am Ruder ab.“ Der Skipper schubste mich auf den Platz an der Pinne. „Ich muss dem Angler mal bei seinem Gerät helfen. Kannst du die Tonne da drüben erkennen? Das ist die Buhne H, auf die hältst du zu.“
Oh ja, der Käpt’n Lüders, wenn der wollte, dann konnte er das Gras wachsen hören. „Wenn einer seekrank ist, dann gib ihm an Deck ‘was zu tun. Und am besten etwas, bei dem er auf den Horizont schauen kann.“ Alter Grundsatz alter Seebären.
Bei mir jedenfalls half es. Ich fühlte mich fast sofort besser und traute mich bald auch wieder, die eine oder andere Bemerkung fallenzulassen.
Der Angler hatte inzwischen seine Ruten klar bekommen. Ich bin nun kein Angelspezialist, konnte aber erkennen, dass an seiner langen Schnur mindestens acht bis zehn Blinker im Abstand von jeweils ca. einem Meter eingeschäkelt waren. Die Makrele ist bekanntlicherweise ein Schwarmfisch. Zehn mit einem Streich, lautete hier also das Motto.
Unser Skipper machte uns dann auf einen Möwenschwarm aufmerksam, aus dem einzelne Vögel immer wieder auf die Wasseroberfläche herabstießen.
„Wo die oben sind, sind unten die Makrelen. Kurs auf den Möwenschwarm !“
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich Angeln immer als ein ruhiges Hobby gemütlicher Zeitgenossen angesehen, bei dem sich Angel und Angler längere Zeit nicht zu bewegen brauchen, bei dem nur hin und wieder etwas passiert und vielleicht sogar einmal ein Fisch an der Leine zappelt.
Was hingegen an diesem Vormittag da draußen auf der Nordsee vor Wangerooge geschah, damit hatte ich nicht gerechnet, das war ein regelrechter Fischzug! Angel ausgeworfen, nach wenigen Augenblicken eingeholt, und an jedem Blinker hing eine Makrele. Angel wieder ausgeworfen, wieder eingeholt, wieder alles voller Makrelen.
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