Dietrich Knak
Der reiche Russe
Ein Baden-Baden Krimi
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Inhaltsverzeichnis
Titel Dietrich Knak Der reiche Russe Ein Baden-Baden Krimi Dieses ebook wurde erstellt bei
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Impressum neobooks
Die Kaiser-Wilhelm-Straße gehört seit jeher zu den beliebtesten Wohnadressen Baden-Badens. Ganze fünf Fußminuten reichen, um im Kurpark zu flanieren, weitere drei und man kann in Edelboutiquen oder Galerien herumstöbern, in den Thermen planschen oder in Restaurants erlesen speisen. Auch gibt es hier noch die riesigen Grundstücke, auf denen man sich spielend verlaufen kann, während mittendrin stattliche Villen liegen, deren Bewohner keinen fremden Blicken ausgesetzt sind. Außerdem sorgt der hier beginnende Schwarzwald für eine überaus saubere, bekömmliche Luft. Immobilienmakler, die in dieser Ecke ein Grundstück an der Hand haben, betrachten sich zu Recht als echte Glückspilze.
Vor einem mit Laubblättern und vergoldeten Weinreben kunstvoll verzierten schmiedeeisernen Tor mache ich Halt. Obwohl weder die Hausnummer noch der Name irgendwo zu sehen sind, weiß ich trotzdem, dass ich vor dem richtigen Grundstück stehe. Mein Vermieter, auf dessen Empfehlung ich komme, hat mich diesbezüglich eingeweiht. Ich lege meine Hand auf einen kleinen matt glänzenden Klingelknopf aus Edelstahl, gleichzeitig registriere ich, dass mich längst zwei Überwachungskameras ins Visier genommen haben. Eine kaum wahrnehmbar ins Eingangstor integriert, die andere am Stamm einer Uraltbuche installiert. Für mich kein Grund zur Beunruhigung. Ich sehe in den beiden nichts weiter als zwei gewerkschaftlich ungebundene Kollegen, die ohne zu lamentieren gewissenhaft ihrer Arbeit nachgehen. Und natürlich sind sie ein Indiz dafür, dass das Thema Sicherheit bei dem russischen Grundstückseigentümer einen hohen Stellenwert genießt.
Über eine Lautsprechanlage dringen russische Wörter zu mir. Gedehnt erwiderte ich in der einzigen Sprache, die mir geläufig ist: „Marowski! Ich habe einen Termin bei Herrn Kutusow!“ „Karascho!“ ist die Antwort, währenddessen sich das riesige Tor zu öffnen beginnt.
Ich muss zunächst einen asphaltierten, leicht ansteigenden Fußweg von etwa hundert Meter zurücklegen, bis ich vor einer aus hellem Sandstein erbauten Villa stehe. Das Gebäude verströmt etwas ungemein Kompaktes und durch die schmalen hohen Fenster und die kleinen Türmchen zugleich auch Sakrale, angesiedelt irgendwo zwischen Kirche und Festung. Vielleicht wollte der Bauherr Sicherheit und Glaube nahtlos miteinander in Einklang bringen. Ansonsten vergisst man auch hier das Thema Sicherheit nicht. So sind alle Parterre gelegenen Fenster mit einem Stahlgitter gesichert und flächendeckend Bewegungsmelder und Videokameras angebracht, auch benötigt man den richtigen Zahlencode, will man die Eingangstür der Villa öffnen.
Einem Reflex folgend, beginne ich darüber nachzudenken, wie man ohne Zahlencode unbemerkt in die Villa gelangen könnte. Bevor ich dazu komme, mich in die Sache zu vertiefen, öffnet sich die mit gusseisernen Beschlägen verzierte Eingangstür und ein glatzköpfiger Mann Mitte Fünfzig, gut einen Kopf größer als ich und dazu über und über mit Muskeln bepackt, schaut missmutig auf mich herab. Ich dagegen starre ihm wie hypnotisiert ins Gesicht, auf dem ich eine tiefe Narbe sehe, die seine linke Wange in zwei Hälften teilt. Offensichtlich werde ich von einem original russischen Bär mit den dazugehörenden Schrammen, erkämpft in den Weiten Sibiriens, empfangen. Ich steige mit der ausgestreckten Hand tapfer die Steinstufen zu ihm hoch. Doch er übersieht meine Begrüßungsgeste und erteilt mir per Kopfbewegung die knappe, aber unmissverständliche Anweisung, ihm ins Innere der Villa zu folgen.
Die Bibliothek, in die er mich führt, ist etwas ganz Exquisites. Dunkelbraune holzgetäfelte Wände, an der Decke filigrane mit Blattgold überzogene Stuckarbeiten, dazu Regale, die vom Fußboden bis unter die Decke reichen. Um in ihre oberen Bereiche zu gelangen, können verschiebbare Leitern genutzt werden. Gleich mehrere Sitzgruppen, bestehend aus wuchtigen Ledersesseln und schmalen Sofas, filigranen Holzstühlen und ebenso filigranen Couchtischen haben die Aufgabe, den vielen Büchern die Strenge zu nehmen. An einem nicht mit Regalen zugestellten Bereich der Wand steht unübersehbar ein klotziger Safe, gewissermaßen ein kleines fossiles Ungeheuer, welches in diesem so stilsicher eingerichteten Raum, wie ein Fremdkörper wirkt. Wäre ich der Eigentümer, würde ich ihn ohne zu zögern, in den Keller verbannen.
Plötzlich steht ein Mann um die Sechzig vor mir, eine Spur kleiner als ich, dafür deutlich kompakter. In einem ovalen Gesicht mit starken Backenknochen, einer leichtgebogenen Nase und einem wuchtigen Schnauzbart liegen unter einer randlosen Brille kleine, hellwache Augen, die sich intensiv mit mir beschäftigen. Die wenigen Haare, die ihm verbliebenen sind, trägt er kurzgeschnitten. Bekleidet ist er mit einem offenen hellblauen Hemd und einer schwarzen Jeanshose. Schnickschnack jeglicher Art wie Halsketten oder Armbänder scheint er zu meiden. Lediglich am Ringfinger der rechten Hand entdecke ich einen schlichtgehaltenen Ehering. Auf den ersten Blick versprüht er die Aura eines Buchhalters, dessen Augen erst leuchten, wenn die Geschäftszahlen tiefschwarz ausfallen.
„Herr Marowski?“, fragt er in nahezu akzentfreiem Deutsch und reicht mir seine kräftige, leichtbehaarte Hand.
„Und Sie müssen Herr Valerie Kutusow sein“, gebe ich mich jovial.
Wir lächeln und schütteln uns die Hände. Und während er mich zu einer Sitzgruppe im hinteren Teil des Raumes dirigiert, fragt er: „Möchten Sie Tee, Kaffee, Wasser oder gar einen klitzekleinen Wodka?“
Ich verneine und nehme ihm gegenüber Platz.
„Übrigens“, nimmt der Russe das Gespräch mit einem Schalk um die Augen auf, „bei mir in Moskau sagt man zu Baden-Baden gerne Klein Moskau! Macht Ihnen das Angst?“
„Warum? Wir sind Mitglied der Nato! Die beschützt uns.“
Mein Gesprächspartner schaut mich einen Moment verblüfft an, dann lacht er derart scheppernd, dass sein Schnauzer wackelt. „Sie haben Humor!“ Nachdem er sich halbwegs beruhigt hat, fragt er: „Marowski, Ihr Name klingt irgendwie polnisch!“
„Ich kann Sie beruhigen: Marowski hat ausschließlich Tiroler Wurzeln!“
Kutusow klatscht in die Hände. „Humor und Tiroler, das passt. Übrigens, mein Freund Dr. Wohlleben hält große Stücke auf Sie. Sie sollen obendrein ein richtiger Privatdetektiv sein! So mit Lizenz und Waffenschein. Auch hätten Sie die Nerven, Ihre Waffe einzusetzen, falls es für Sie eng werden sollte.“
„Seit drei Jahren übe ich den Beruf aus!“, bestätige ich ihm stolz. “Seitdem trage ich bei Einsätzen eine Waffe.“
Kutusows Blick gleitet wohlwollend über mich hinweg. „Ich mag professionell agierende Menschen! Mit Amateuren hat man oft mehr Ärger als einem lieb ist!“ Jäh verdüstert sich sein Blick. „Kennen Sie einen gewissen Eugen Brandt?“ Der Russe spricht den Namen aus, als sei er durch und durch vergiftet.
Ich schüttele den Kopf.
„Ein Karlsruher Enthüllungsjournalist! Leider nicht von der besten Sorte!“ Kutusow lacht trocken.
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