Ohne mir die Zeit zu lassen, ihm zu antworten, surrt es und die Haustür lässt sich öffnen. Kaum stehe ich mit einem Bein im Hausflur, flammt an der Decke eine unruhig flackernde Neonleuchte auf. Kurz darauf öffnet sich die Wohnungstür, und ich schaue dem Sachbuchautor Eugen Brandt in die Augen. Wie ich finde, ein ausgesprochen imposanter Mann um die Fünfzig, fast einen Kopf größer als ich, dazu ein langes, markantes Gesicht, mit großen, ausdrucksstarken Augen, die leicht zu funkeln scheinen und mit einer Mischung aus Neugier und Verachtung auf mich herabschauen. Eine dunkelbraune Haarsträhne, durchsetzt von einem leichten Grauton, hängt ihm über der Stirn. Ansonsten werde ich das Gefühl nicht los, ich schaue Robert Redfort ins Gesicht. Wobei er mehr die dunkelhaarige Variante verkörpert. Ich gehe mit der ausgestrecktem Rechten und einem breiten Lächeln im Gesicht auf ihn zu. „Herr Brandt, es freut mich, Sie kennenzulernen. Ich habe schon viel von Ihnen …“
„Ja, ja, schon gut!“, unterbricht er mich und reicht mir eher beiläufig die Hand, während sein Kopf mir das Zeichen gibt, ihm zu folgen. „Wir sind unter uns!“, fährt er im Gehen fort. „Meine Frau ist im Geschäft. Sie wird erst nach 13 Uhr da sein, dann macht sie unser Essen. Wir haben also gut zwei Stunden Zeit. Wenn es Ihnen recht ist, ziehen wir uns in mein Arbeitszimmer zurück.“
Ich nicke, währenddessen er mich in einen gut fünfzehn Quadratmeter großen und nahezu quadratischen Raum führt. Ich sehe zwei kleine Fenster, die zur Straße hin liegen und so wenig Tageslicht hereinlassen, dass selbst jetzt um die Mittagszeit, wo die Sonne im Zenit steht, zusätzliches Lampenlicht benötigt wird, um hier arbeiten zu können. Ansonsten ist die Einrichtung spartanisch und zugleich irgendwie heimelig wie die ganze Gegend hier. Ich sehe zwei IKEA- Sessel, ein mit Plüschstoff bezogenes Sofa, einen derb zusammengezimmerten Schreibtisch, auf dem ein Telefon, eine Arbeitslampe im Jugendstil, ein eingeschalteter Laptop und ein hp-Drucker stehen. Einen guten Meter entfernt haben zwei mit Büchern und Manuskripten vollgestopfte Regale, sowie ein kleiner runder Tisch, übersät mit schmutzigem Geschirr; Büchern, Zeitschriften und losen Manuskriptblättern, ihren Platz gefunden.
Ich setze mich in den Sessel, der einen Hauch mehr Tageslicht als sein Kollege zu bieten hat und lege mir den Aktenkoffer auf die Knie. Der Hausherr lässt sich in seinem Bürosessel nieder. Offenbar will er mir zu verstehen geben, dass er mir gegenüber auf Distanz bedacht ist.
„Wie wird man eigentlich Privatdetektiv?“, nimmt Brandt das Gespräch auf.
„Man geht ins Rathaus und holt sich eine Konzession.“
„So einfach ist das?“
„So einfach ist das!“, erwidere ich beiläufig nickend.
„Am Telefon haben Sie mir gesagt, dass „ Der Freundeskreis Russischer Bürger in Baden-Baden “ Sie beauftragt hat, das Gespräch mit mir zu suchen.“
„Exakt! “
„Übrigens, eine illustre Gesellschaft, in dessen Auftrag Sie zu mir kommen. Jede Menge Millionäre, sogar Milliardäre. Dieser oder jener nicht ganz koscher. Aber, damit erzähle ich Ihnen sicher nichts Neues!“
Ich überhöre seinen Kommentar. „Sie sollen momentan an einem Buch mit dem Titel ‚ Die reichen Russen in Baden-Baden‘ arbeiten.“
Während sich ein leichtes Schmunzeln auf sein Gesicht legt, tippt er mit dem Zeigefinger seiner Linken auf seine Nasenspitze und verkündet fast triumphierend: „Da hat mein wertes Näschen wieder einmal richtig vermutet!“
Ich ziehe es vor zu schweigen.
„Junger Mann, eins vorab!“, fährt Brandt selbstgefällig fort, „Wie immer freue ich mich auf den Moment, wenn ein Buch von mir es bis in die Buchhandlungen geschafft hat. Übrigens habe ich eine treue Fangemeinde, die schon voller Ungeduld auf „ Die reichen Russen in Baden-Baden “ wartet! Vor allem interessiert sie, wie ein ganz gewöhnlicher Russe, einer wie Sie und ich – und das waren sie ja alle mal, die es in mein Buch geschafft haben - zu so entsetzlich viel Geld gekommen sind. Gewissermaßen aus dem Stand heraus!“
„Herr Brandt, das verstehe ich! Und es freut mich für Sie, dass Ihre Bücher auch gelesen werden! Was ja nicht immer der Fall ist.“ Auf einmal finde ich, es ist an der Zeit, Tacheles zu reden. Ich straffe meinen Oberkörper. „Doch davon mal abgesehen, bin ich gekommen, um Ihnen zu sagen, dass der Freundeskreis Ihnen die Rechte zu Ihrem im Entstehen befindlichen Buch abkaufen möchte! Und man hat mich befugt, Ihnen ein Angebot zu unterbreiten.“
„Damit es ja nicht zu einer Veröffentlichung kommt!“
Ich zucke mit den Schultern. „Das entzieht sich meiner Kenntnis! Ich kann Ihnen nur sagen, der Vorsitzende des Freundeskreises Herr Gulja Makarow findet, dass Sie in diesem Buch entschieden zu weit gehen. Prostitution, Rauschgift, Waffenhandel, das ist starker Tobak! Damit können Sie sich gewaltigen Ärger einhandeln!“
Er schaut mich belustigt an. „Wollen Sie mir etwa drohen?“
Ich gebe mich pikiert. „Wer spricht von drohen! Es geht eher um juristische Auseinandersetzungen, mit denen man Sie überziehen könnte. Bis hin zu einem Erscheinungsverbot! In dem Fall würden Sie leer ausgehen.“
Brandt winkt belustigt ab. „Glauben Sie mir, als investigativer Journalist bin ich derartigen Ärger gewohnt. Trotzdem habe ich alles heil überstanden. Und was in meinem neusten Buch steht, ist besonders sorgfältig recherchiert. Ich sage Ihnen: Kein Anwalt und auch sonst niemand, kann mir ans Bein pinkeln! Und dieser Gulja Dingsda schon gar nicht!“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Herren dieses Vereins so etwas vorhaben. Es soll selbstverständlich im gegenseitigen Einvernehmen….“
„Welche Herren gehören eigentlich zu diesem merkwürdigen Konstrukt russischer Bürger in Baden-Baden? Etwa die zehn, über die ich schreibe?“
„Herr Brandt, ich kenne weder eine Mitgliederliste, noch hat sich ein Mitglied mir gegenüber zu erkennen gegeben. Mit Ausnahme seines Vorsitzenden, Herrn Gulja Makarow.“
„So, so!“
Da mir dieser Brandt allmählich suspekt wird, entschließe ich mich, Fakten sprechen zu lassen. Bedächtig hebe ich den Deckel des Aktenkoffers hoch, anschließend kippe ich ihn auch noch leicht an, damit mein Gesprächspartner einen vollen Blick auf seinen Inhalt werfen kann. „Herr Brandt, das Geld in diesem Koffer gehört ohne Abstriche Ihnen!“ Danach hole ich den Vertrag hervor und schwenkte ihn. „Vorausgesetzt, Sie unterschreiben!“
„Was steht in dem Vertrag?“
„Dass Sie alle Rechte an dem Manuskript „ Die reichen Russen in Baden-Baden “ an den Förderverein, der mich schickt, abtreten.“
„Sie wollen mich also kaufen!“
„Nicht Sie, nur Ihr Manuskript!“
Brandt zeigt auf den Koffer. „Wieviel Geld ist da drin?“
„Fünfhunderttausend Euro!“ Ich halte ihm den Koffer hin. „ Sie können es gerne nachzählen.“
„Das ist nicht Ihr Ernst!“ Brandt schließt die Augen und lacht abgehackt. „Lächerliche Fünfhunderttausend! Für das wichtigste Werk, das ich je geschrieben habe! In das all mein Herzblut geflossen ist! Mindestens zwei Jahre lang, ausschließlich nur recherchiert und geschrieben! Bin mehrmals nach Moskau geflogen, um dort Dutzende von Informanten zu beschäftigen! Und die machen das nicht für einen Apfel und ein Ei. Kurzum: Ich habe gewaltige Vorleistungen erbracht! Mich bis über beide Ohren verschuldet. Doch das ist mir mein Buch wert.“
„Natürlich ….!“, stottere ich, während ich den weitgeöffneten Koffer auf meinen Knien instinktiv ein Stück weiter in seine Richtung kippe, um ihm eine noch bessere Sicht auf den Inhalt zu ermöglichen. Doch er scheint mein Bemühen gar nicht mitzubekommen.
Читать дальше