Schönstes, alltäglichstes und "lebensweltlichstes" Beispiel: was auf den deutschen Straβen und Autobahnen los ist. Von den gesundheitsschädlichen Abgasen und dito Radau einmal abgesehen: In den ersten fünf Monaten des Jahres 2004 gab es 898.900 Unfälle, kamen 2.137 Menschen ums Leben und wurden 160.200 verletzt. Neuere Zahlen belegen zwar einen Rückgang der (Sofort-)Toten, aber einen Anstieg der Verletzten und der Sachschäden.
Es gibt im übrigen genug Materialien, aus denen hervorgeht, dass und warum die männliche, "hierarchie-hörige" Weltbewältigung langsam aber sicher gegenüber der weiblichen, "interdependenten", ins Hintertreffen gerät. Die Macho's wehren sich allenthalben, in unseren Demokratien können sie's allerdings nur noch mit der sogenannten "blinden" Gewalt , was diesesfalls ("objektiv-dialektisch") ein gutes Zeichen ist; aber in den islamischen Ländern ist diese Gewalt sozusagen immer noch institutionalisiert.
Besagte Materialien sind u.a. Studien des Osnabrücker Soziologen Rudolf Otten, dessen besondere Aufmerksamkeit den Veränderungen der Männer- und Frauenrollen gilt: In empirischen Untersuchungen sei belegt, schreibt er, dass der Anteil junger Männer mit kriminellen Neigungen immer grösser werde, schon jetzt sei über ein Drittel zu "offen kriminellem Handeln" bereit. Will heissen, dies Männerversagen sei kein "genetisch männliches" Problem, sondern ein "soziales und kulturelles" Versagen. Was dem niederländischen Philosophen Pieter Pekelharing folgendes comment entlockte: "Was die Medien ins Bild bringen ist der Abschaum der Gesellschaft. Wir schauen darauf mit ebensoviel Grausen als Faszination (...) – wir sind auch fasziniert, denn ist dies schliesslich nicht die Ideologie (...) des Non-Konformismus, des Rundheraus-Sagens-was-Sache-ist, also das was wir wollten? (...) Namentlich Männer im Alter zwischen 15 und 27 verursachen viel Über-Belastung ( overlast ), weil nur wenig sie hindert. Ich bin übrigens für eine Männersteuer. Wenn Raucher extra Steuern bezahlen müssen, dann bitteschön auch Zwanzigjährige." [ Filosofie Magazine 5/2005. (Die dort angesprochenen "Tokkies" erinnern übrigens den Leser unwillkürlich/unweigerlich an Jonathan Swift's "Yahoos" aus Gullivers Reisen /4. Teil: "Es ekelte mich bald, diese Bestien noch länger anschauen zu müssen", berichtet Gulliver beim Anblick der Yahoos. Brüllende und stinkende Kreaturen xviiumgeben ihn auf seiner Reise, abscheuliche und groβmäulige Geschöpfe. "Die Yahoos hassen einander weit unversöhnlicher als alle anderen Tiere." Nichts macht sie widerlicher als ihre unersättliche Gier. Die meisten Yahoos haben einen Anführer, "der sich von seinen Stammesgenossen durch Hässlichkeit und Bosheit auszeichnet. Er hat einen ihm möglichst ähnlichen Günstling zur Seite, der die Füβe und den Hintern seines Herrn lecken sowie ihm Weibchen in die Höhle locken muss. Dafür wirft ihm sein Herr manchmal ein Stück Eselsfleisch vor.")].
Im Prozess der Modernisierung ist also – bei uns im "Westen" – der unaufhaltsame gesellschaftliche Aufstieg der Frauen ursächlich verbunden mit der Liberalisierung, Emanzipation, Öffnung und mit einem "leistungsstarken Frauenemanzipationsmuster". Demgegenüber hat das kulturelle Muster männlichen Denkens und Verhaltens im 20. Jahrhundert keine vergleichbaren Innovationen erlebt. Also: Männer, sagen Forscher, brauchen "feste Regeln und Orientierungsmuster". Solange das Regelsystem ethisch ist – wie in fast der gesamten europäischen Tradition – sind auch seine Anhänger im üblichen Umfang ethisch eingestellt. Aber genau dies: feste Regeln, dies verweigert unsere Moderne; statt dessen gibt's ein chaotisches Überflussangebot von Ethiken, Regeln und Glaubenssätzen aller Art, denen man folgen oder auch nicht folgen kann. Nun ja... also, im Zweifelsfalle lassen Männer es eben, und konzentrieren ihre Energie auf das, was man laut Otten "eine männliche Trash-Kultur" nennen könnte. Hierzu Michael Loeckle in Die Brücke 162, S. 75: "Ein glänzendes Walpurgisnacht-Szenario tritt einem auch entgegen, wenn adoleszente Fanfarons den Plan betreten: eine faszinierende Mixtur aus Dibbuk, Golem und gepiercten Revenants. Der Habitus von Sauropoden, die Sprache tribalistisch-vernakulär, das Hirn von Wickelkindern, die 'Haute Couture' im Boogie-Style und Sweatshirts mit Kapuzen. Das Spektrum ihrer vielfältigen Interessen reicht bei den Schwachmatikern von Skateboard über Klassenmobbing, Rudelbumsen, Prügelorgien und Komasaufen bis zum bewährten Internet-Shaming & 'Shitstrom'." ...Wenig Platz bleibt da für ethische Gemeinschaftsleistungen oder Leistungsmotivation (hierzu: laut statistischem Bundesamt liegen die Durchschnittsnoten der Abiturientinnen einen Notenpunkt über denen der Abiturienten; die Zahl der Mädchen ist in den leistungsstärkeren Mathematik-A-Kursen der Orientierungsstufe fast doppelt so hoch wie die der Jungen; und: schon 1999 gab's mehr Studentinnen als Studenten). So trete – soziologisch gesehen – der wohl schlimmste Fall ein: eben jene Regellosigkeit (Anomie) die nicht aus dem Zusammenbruch eines Regelsystems herrührt, sondern aus einem Überfluss an Regeln, die alle nebeneinander gelten. Und damit kommen die Männer nicht klar...
Amerikanische Soziologen brachten es folgendermaβen auf den Punkt: ohne moralisch integere, beruflich hochmotivierte, leistungsfähige und sozial engagierte Frauen wäre das soziale, ökonomische und politische System unserer westlichen Demokratien längst gescheitert.
Nur noch kurz sei vermerkt, dass "Gesellschaften, die die Vorteile von Frauen zu nutzen wissen, allen anderen gegenüber – nüchtern gesprochen – erhebliche Evolutionsvorteile haben". Umgekehrt geht's solchen, die Frauen missachten, ihre Leistungen verkennen oder sie stumpf unterdrücken – sie können ihre Ressourcen ganz einfach nicht ausreichend nützen, wie ja auch schon vor Jahren durch eine (arabische) UN-Studie belegt wurde, und geraten immer mehr ins Hintertreffen.
Jetzt aber begreifen wir auch, warum die Erziehung der Mädchen im allgemeinen und in islamischen Ländern im besonderen so viel zu wünschen übrig läβt: da steckt System dahinter. Aber nicht nur Aliti – "von den sieben Aspekten weiblicher Identität, die ich gefunden habe, ist die wilde Frau der bedeutendste, wesentliche" – macht uns hier Hoffnung, auch John Lukács hat ja geschrieben dass das intuitive Wesen der Frauen nicht so kategorisch, nicht so ausschlieβlich ist, sondern menschlicher und potentiell universaler. Was also mit die Böhmesche objektive Dialektik ausschalten gemeint sein kann wird jetzt, da wir den o.g. "Treibriemen" begutachtet haben, schon recht deutlich: nämlich nicht Sternexplosionen oder Erdbeben oder "Tod und Teufel" eliminieren, sondern das potentiell universalere, weil intuitive Wesen der Frauen nutzen. Mal so richtig nutzen.
Auf dass aber niemand "neues Matriarchat!" denke oder rufe: die notwendige "Aktion" der Frauen wird weder politisch sein (müssen) noch auch sonst irgendwie "emanzenhaft". Es wird reichen wenn sie, als Trägerinnen des Lebens die sie ja sind, die wirklich tödliche Gefahr erkennen die sich aus einem Nicht-Abschalten "fundamentalistischer" Rechthabereien mitsamt ihren stets katastrophaler werdenden Folgen ergäbe xviii. Bevor wir aber – in zwei Preisschildchen – dieser Gefahr ins Auge sehen, müssen wir jetzt endlich auch einmal den groβen Historiker Arnold Toynbee einladen.
Wenn wir noch in der Welt von 1648 oder auch noch in der von 1918 lebten, dann könnten wir, wie unsere Vorfahren auch, die einzelnen "objektiv-dialektischen" d.h. traditionell "fortzeugend sich gebärenden" blutrünstigen Ereignisse schicksalsergeben als unvermeidlich akzeptieren. Und höchstens, wie es ja auch unsere Altvordern taten, die (un-)bescheidene Frage nach dem "cur/unde malum?" ["warum/woher (kommt) das Böse?"] stellen – aus welcher Frage die unbedarfteren Gemüter bekanntlich immer einen Beweis für die Nichtexistenz Gottes herausgelesen haben wollen. Uns geht es aber weder um diesen Beweis noch auch um diese Existenz. Die einzige "Existenz" die uns hier und jetzt interessiert, ist unsere eigene. Weil wir aber nicht mehr im Zeitalter der Landsknechte oder jenem der dicken Bertha xix leben, stellt sich die Frage ob unsere gegenwärtigen "Existenzsicherungssysteme" die ja sämtlich in jener Periode entwickelt wurden, überhaupt noch etwas taugen. Denn zur Existenzsicherung hat ja das Menschengeschlecht im Lauf der Jahrhunderte zwar sehr viele Schutzsysteme entwickelt: "Individuelle" Systeme, wie z. B. Groβfamilien – und dann, als diese abbröckelten, Alters- und Lebensversicherungen. Und "kollektive" Systeme, wie z.B. Stadtmauern, Ländergrenzen, Heere, Flotten und, als all das sich schlieβlich als unzureichend erwies, das Konzept der UNO d.h. der "kollektiven Sicherheit". Sie alle aber haben eines gemeinsam: sie sind sämtlich unzureichend und können, wie eine genaue Lektüre Toynbees zeigt, auch nichts anderes sein.
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