was Ihr wollt! Geht, und sagt dem König, daß ich seinem
Befehle nachgekommen bin.« Sogleich wandte
der junge Mann sein Roß, um dem König diese Botschaft
zu überbringen. Als dieser die Wahrheit erfahren
hatte, liebte er den Knaben noch inniger als früher
und ließ ihn zu großen Ehren gelangen.
Von der Königin, die ihren Seneschall tötete
In Ägypten lebte einst ein König, der war jung, schön
und reich. Gar sehr liebte er Hunde und Falken und
trieb oft mit ihnen seine Lust. Eines Tages war er zum
Jagen in den Wald gegangen; als er aber die Spur
eines Hirsches verfolgte, brach ein furchtbares Unwetter
los. Jeder suchte sich einen Unterschlupf, und der
König blieb ganz allein; er ritt in ein Unterholz und
verbarg sich dort so lange, bis das Wetter sich verzogen
hatte. Der König ritt nun durch den Wald und
suchte seine Begleiter, aber er hörte weder Horn noch
Hund und wußte nicht, welchen Weg er nehmen sollte.
Schon brach die Nacht herein, da fand er einen
Pfad, der, wie er glaubte, ihn zu einer Herberge führen
müsse. Und wirklich, wie er aus dem Walde trat,
erblickte er einen Strom und ein Schloß darüber, und
er dankte Gott, der ihm den Weg gewiesen hatte.
Müde klopfte er an die Pforte der Burg, die Zugbrükke
wurde herabgelassen, und der Schloßherr ging dem
späten Gast, den er alsbald als seinen Lehnsherrn erkannte,
entgegen, um ihn zu bewillkommnen. Im Saal
begrüßten ihn die Gattin und die Tochter des Ritters,
eine Jungfrau von außergewöhnlicher Anmut. Als der
König die Maid erblickte, wurde sein Herz bewegt,
und er hielt ihre Schönheit für wertvoller als alle seine
Schätze. »Wenn sie meine Liebe nicht zurückweist,«
sagte er zu sich selber, »so werde ich sie zur Königin
machen. So soll es sein! Ich will sie besitzen!« Das
Abendessen wurde aufgetragen, und die Jungfrau, die
den Funken der Liebe in ihres Herren Herzen entzündet
hatte, saß dem König gegenüber. Nach einer
schlaflosen Nacht trat der junge König vor den
Schloßherrn und trug ihm seinen Wunsch vor. Dieser
warf sich ihm zu Füßen und dankte ihm die Ehre
unter Tränen; darauf wurde allsogleich die Verlobung
gefeiert. Kaum war die Feier beendet, so drang das
Gefolge des Königs, das ihn den ganzen Tag gesucht
hatte, in das Schloß, und alle freuten sich, ihn gesund
zu finden.
Der König hatte einen Seneschall, der alle seine
Geschäfte besorgte, aber der war ein habgieriger
Mann und von niedriger Gesinnung. Sein Herr, der
ihm in allem vertraute, erzählte ihm seine Verlobung
mit der Tochter des Ritters. Er ließ seine Braut rufen,
und als der Seneschall sie erblickte, erstaunte er über
ihre Anmut und lobte gar sehr den Entschluß seines
Herrn. Bald darauf nahm der König Urlaub, nachdem
er zuvor seiner Liebsten versprochen hatte, er wolle
über drei Tage wiederkommen, doch nur im geheimen
und unter vier Augen. Da beging die Jungfrau eine
Torheit, die sie viel Tränen kosten sollte, sie zeigte
nämlich ihrem Geliebten, wie er heimlich in ihr Ge-
mach gelangen könne und gab ihm den Schlüssel zu
einer verborgenen Pforte. Während des Heimrittes gestand
der König seinem Seneschall, was er vorhabe.
Dieser tadelte ihn, daß er sich und die Jungfrau der
Schande aussetzen wolle und drang so lange in ihn,
bis er versprach, die Sache auf sich beruhen zu lassen
und den Schlüssel seinem Seneschall überantwortete.
Als der Treulose das Schlüsselein in der Hand hielt,
keimte in ihm der verbrecherische Gedanke, er wolle
zugreifen und das seltene Glück, das sich ihm biete,
genießen. Er begab sich also zur verabredeten Zeit,
geschützt vom Dunkel der Nacht, in das Schlafgemach
der Ritterstochter und bestieg mit dieser, die
nichts Böses ahnte, das Lager. In dieser Nacht verlor
sie ihre Jungfrauschaft. Dann schlief der Schurke ein
und begann zu stöhnen wie ein alter Mann. Da wunderte
sich die Maid und sagte sich, daß der König ein
junger Mann sei, während sie diesen groß und plump
fand. Leise erhob sie sich vom Bett und entzündete
eine Kerze, da erkannte sie den Schläfer und sprach:
»Ich habe hier einen schlechten Freund, so will ich
ihm auch eine schlechte Geliebte sein, er soll sich
nicht rühmen, bei mir gelegen zu sein.« Sie ergriff das
Schwert des Seneschalls und schnitt ihm damit das
Herz entzwei. Alsdann holte sie ihre Base, und die
beiden schleppten die Leiche hinaus und warfen sie in
einen wasserlosen Brunnen, in welchen sie Erde und
Schutt häuften, so daß niemand ahnen konnte, was die
Tiefe barg. Der König ließ im ganzen Lande seinen
Seneschall suchen, aber nichts verlautete von ihm,
und schließlich wurde der Tote vergessen, wie denn
das Leben den Lebenden gehört.
Einer Versammlung seiner Barone und Bischöfe
trug der König seinen Heiratsplan vor, und es wurde
beschlossen, daß die Hochzeit bald darauf im Schlosse
des Königs stattfinden solle. An diesem Tage bat
die junge Königin ihre Base, sie möchte in der ersten
Nacht bei dem Könige ruhen, damit dieser den Verlust
ihrer Jungfrauschaft nicht bemerken solle. Diese
war damit einverstanden, und als es Nacht geworden
war, bestieg sie mit dem König das Brautbett. Um
Mitternacht entschlummerten beide, da trat die Königin
an das Bett, zupfte ihre Base an den Zehen und
wollte sie wecken, um den Platz wieder mit ihr zu tauschen,
aber die Treulose sprach: »Ich werde mich
nicht von der Stelle rühren. Ich will den König zum
Gatten haben, denn ich habe diese Ehre wohl verdient.
« Die junge Königin wurde von Verzweiflung
ergriffen und legte Feuer an die Bettstatt, nachdem sie
zuvor ihre Base mit einem Schleier gefesselt hatte.
Das Feuer fand reiche Nahrung am Stroh und verbreitete
sich rasch. Sobald der König fühlte, wie die
Flammen an seinen Fersen leckten, sprang er vom
Lager und trachtete so sehr danach, sich zu retten, daß
er seine Frau vergaß. Als er die Königin draußen gesund
fand, freute er sich sehr, die andere aber verbrannte
in ihrem Bett, so daß keine Spur von ihr zurückblieb.
Während der Hochzeitsfeierlichkeiten blieb die Königin
still und traurig, denn in ihrem Herzen trug sie
die Erinnerung an die Mordtaten, die sie begangen.
Um ihre Schuld zu sühnen, ließ sie zu Ehren der Gottesmutter
ein Münster bauen und setzte einen Kaplan
dorthin, der der Allerseligsten Tag und Nacht dienen
sollte. Gar oft hörte sie selbst unter Gebeten und
Reuetränen die heilige Messe und lobte die heilige
Jungfrau. Zwei Jahre lang schleppte sie ihr Geheimnis
mit sich herum, endlich aber entschloß sie sich, es zu
beichten. Der Kaplan war ein scheinheiliger Heuchler;
als sie ihr Geständnis beendet hatte, sprach er zu ihr:
»Für diese Tat habt Ihr den Tod verdient; wenn der
König davon erfährt, wird er Euch verbrennen lassen.
Ich will Euch aber das Leben retten, wenn Ihr Euch
mir hingeben wollt.« Die Frau erschrak und antwortete:
»Falscher Priester! Ich suchte Buße und Trost bei
dir, und du verlangst eine größere Übeltat von mir,
als die ist, die ich begangen habe. Ich will lieber im
Feuer verbrennen, als den Eid brechen, der mich an
meinen Herren bindet.« Darauf ging der Kaplan zum
König und erzählte ihm, was die Königin gebeichtet
hatte. Der König ließ sogleich in dem Brunnen nach-
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