"Das sagst du nur so!", warf sie ihm vor. "Du willst doch nur die hysterische Schwangere ruhigstellen!" Sie funkelte ihn an. "Wir waren getrennt und hatten Sex in einer Situation, die wir beide nicht vorhersehen konnten! Ein One-Night-Stand! Kann passieren. Und jetzt überlegst du fieberhaft, wie du mich sauber loswerden kannst! Den Schmus kannst du dir sparen! Wenn du ein Kind von mir gewollt hättest, dann hättest du mich nicht sitzen lassen!" Ihre Stimme versagte. Ferry war erstarrt, komplett vor den Kopf gestossen. Langsam schüttelte er den Kopf und hob beschwichtigend die Hände.
"Das ist nicht wahr.", sagte er. "Willst du es denn nicht? Unser Kind?" Wieder schüttelte er den Kopf. Das durfte nicht sein! Plötzlich schoss es ihm durch den Kopf, dass sie vielleicht gar kein Kind von ihm wollte! Aber sie liebten sich doch? Sie hatten zueinander zurückgefunden! Er hatte ihr alles erzählt, was er erlebt hatte und wie es zu der vermaledeiten Trennung gekommen war… Wie konnte sie nur an seiner Liebe für sie zweifeln? Wie konnte sie zweifeln, dass er glücklich war, ein Kind mit ihr zu haben? Er wiederholte seine Frage.
"Willst du das Kind nicht?" Pause. Keine Antwort. In eindringlicherem Ton fuhr er fort. "Hör mal: für mich war es auch ein Schock! Wir haben eben erst zueinander zurückgefunden und wir haben in den letzten Tagen viel durchgemacht... Die Trennung war Scheisse und sie war meine Schuld, das ist wahr…! Doch ich habe nie aufgehört, dich zu lieben! Ich habe nie aufgehört, von dir zu träumen! Von uns zu träumen! So viele Male habe ich mir vorgestellt, es wäre nichts passiert, es hätte kein Mollis gegeben, und wir wären noch zusammen… Wir hatten unsere Träume, wir wollten eine Familie gründen! Ich wollte immer ein Kind mit dir! Du wolltest immer Kinder! Daran hat sich für mich nichts geändert!" Er musste Luft holen und durchatmen. "Ja, ich bin erschrocken, als ich gehört habe, dass du schwanger bist. Aber nur, weil ich nicht damit gerechnet hatte. Atlantis, die Rückkehr, Paris, Klara, unser "Tod"… es war so viel auf einmal, und dann noch diese Nachricht obenauf!" Wieder machte er eine kurze Denkpause und drückte Lauras Hand. "Doch egal, wie unvorhergesehen es war, egal wie unpassend der Moment für diese Nachricht war, egal wie erschrocken ich in diesem Moment war - es war für mich vom ersten Moment an klar, dass wir das Kind zusammen haben und grossziehen würden! Ich habe überhaupt nichts gegen Abtreibungen, nur um das klarzustellen, das muss jede Frau mit sich selbst ausmachen… Aber für MICH, wenn es MEIN Kind betrifft, ist es keine Option… Ich WILL ein Kind mit dir haben!"
Er versuchte, Laura in die Augen zu sehen, doch sie starrte ein Loch in den Sofabezug, die Lippen zusammengepresst, leise hin- und herschaukelnd. Leise fuhr er fort. "Ich wusste im ersten Moment ja nicht einmal, ob es von mir war!" Laura zuckte fast unmerklich zusammen, sagte jedoch nichts. "Ich glaubte sofort, dass es meins war, aber wie konnte ich sicher sein? Ich hatte panische Angst, dass es nicht von mir sein könnte, und ich hätte dir keinen Vorwurf daraus gemacht. Und trotzdem freute ich mich für dich. Ich wusste, dass ein Traum für dich in Erfüllung geht. Ich war bereit, das Kind mit dir grosszuziehen, auch wenn es nicht meins wäre! Es ist dein Kind, also ist es perfekt! Und ich gebe dich nicht mehr her, niemals! Mit meinem Kind oder dem Kind eines anderen. Wir sind zusammen und wir bleiben zusammen. Mit Kind. Wir werden eine Familie, Laura!" Er setzte ab und seufzte. Er wusste nicht, was er ihr noch sagen sollte, um sie zu überzeugen. Laura schniefte und drückte ihr Gesicht in das Kissen. Sanft strich er seiner Liebsten übers Haar. Sie schaute auf, ihre Augen schwammen in Tränen.
"Wirklich?", fragte sie. "Du bist nicht sauer?" Eine Träne lief über ihre Wange und tropfte aufs Kissen. Ferry hatte plötzlich einen dicken Kloss im Hals. Er brachte kein Wort hervor, doch er schüttelte den Kopf. Er schluckte.
"Du wolltest doch immer Kinder. Wir wollten Kinder. Und jetzt bekommen wir eins! Ein P1-Kind, sozusagen…!", flachste er, froh, dass sie endlich etwas gesagt hatte. Laura lächelte zaghaft.
"Ich will das Kind, unser Kind… Dein Kind!", sagte sie. Ihre Augen hatten kurz aufgeblitzt, als sie "Dein Kind!" gesagt hatte. Er hätte nicht an ihr zweifeln dürfen! Es hätte klar sein müssen, dass es sein Kind war! Doch sie schien es ihm nachzusehen, denn sie ging nicht weiter darauf ein. "Ja, bitte, lass uns zusammen ein P1-Kind grossziehen!", flüsterte sie.
Erleichterung durchströmte ihn und er spürte, wie die Anspannung aus seinem Körper wich. Dann erstarrte er wieder. Ein P1-Kind? Er hatte nie darüber nachgedacht gehabt, dass der Sex in P1 Folgen haben könnte. Er war sich nicht sicher, ob das gut war… P1 war anders; was mochte das für Auswirkungen auf das Kind haben? Er schob den Gedanken beiseite. Er würde später darüber nachdenken, ob das irgendwelche Konsequenzen haben konnte. Er machte sich eine geistige Notiz, dass er mit ein paar Wissenschaftlern darüber sprechen sollte. Vielleicht gab es ja Präzedenzfälle, auch wenn ihm das sehr unwahrscheinlich zu sein schien.
Laura unterbrach seine Gedanken, indem sie sich zu ihm beugte und ihn lange und zärtlich küsste. Das gefiel ihm. Anschliessend liess sie sich zurückfallen in die Sofaecke, drückte das Kissen wieder auf ihren Bauch, warf die Haare über die Schulter und nahm noch einen Schluck Rum. Er war so hingerissen von dieser Frau, er fand sie einfach perfekt: seine Laura, die ihr gemeinsames Kind in sich trug. Seine Frau, seine Familie… Erneut erstarrte er; ihm war gerade etwas eingefallen.
"Ich muss nochmal kurz weg!", murmelte er und sprang auf. "Geh nicht weg! Bin gleich wieder da… Trink den Rum und überleg dir einen Namen für das Kind." Erstaunt schaute sie zu ihm auf. Die Unsicherheit kroch zurück in ihre Augen. "Nicht weggehen! Bin in zehn Minuten zurück.", wiederholte er und rannte aus der Wohnung. Die Eingangstüre knallte zu und Laura blieb mit ratloser Miene zurück.
Sie nahm noch einen Schluck Rum und streichelte versonnen ihren Bauch unter dem Kissen. Dann streichelte sie das Kissen und stellte sich vor, dass es ihr dicker, schwangerer Bauch war. Sie musste leise lachen. Sie war glücklich und erleichtert. Ferry wollte das Kind. Mit ihr. Davon hatte sie immer geträumt. Sie streckte sich auf dem Sofa aus und überlegte, was er wohl noch erledigen musste. Wahrscheinlich war er etwas zu essen kaufen gegangen. Er war so praktisch veranlagt.
Ein wohliges Gefühl von Glück durchströmte ihren ganzen Körper. Wärme breitete sich aus, was wahrscheinlich auch dem Rum zu verdanken war. Sie stellte das Glas beiseite und nestelte das Kissen unter ihren Kopf. Nach all den Strapazen und der ganzen Aufregung des heutigen Tages war sie plötzlich hundemüde. Sie musste sich keinen Namen für das Kind ausdenken. Der stand schon seit Jahren fest. Egal, ob Mädchen oder Junge. Sie hatte Namen für beide. Fast augenblicklich schlief sie ein.
Es hatte zwanzig Minuten gedauert, bis Ferry zurück war. Aufgeregt stürmte er ins Wohnzimmer, voller banger Gedanken, dass Laura vielleicht nicht mehr da war. Als er sie friedlich schlafend vorfand, hielt er erleichtert inne und betrachtete sie lange. Dieses Bild war einfach unglaublich schön, auch wenn ihr ein feiner Speichelfaden aus dem Mundwinkel lief; dieses Bild wollte er jeden Tag für den Rest seines Lebens sehen. Er griff an seine Hosentasche, wo er die Überraschung spüren konnte, die er eben besorgt hatte und lächelte. Leise ging er in die Küche und kramte ein paar Teelichter hervor, die in einer Schublade lagen. Draussen setzte die Dämmerung ein und er verteilte die kleinen Kerzen im Wohnzimmer, um sie anschliessend mit seinem Zippo anzuzünden, was nicht ganz einfach war, denn ein Zippo taugt nicht zum Kerzenanzünden. Vorher hatte er das Feuerzeug allerdings erst mit Benzin füllen müssen, denn die lange Reise hatte die letzten Sprit-Reserven aufgebraucht.
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