Beide Männer liegen reglos im Sand. Kein Wunder, denkt O`Healy. Er schätzt die Geschwindigkeit des Jeeps bei der Explosion auf gute 60 km/h. Und er bewundert die Geistesgegenwart seiner Angreifer. Wären sie im Auto geblieben, wären sie mit hoher Wahrscheinlichkeit jetzt tot.
„Ich untersuche sie, bleib bitte kurz hier.“
Die beiden Fremden sind bewusstlos, aber sie atmen gleichmäßig. O`Healy dreht sie in eine bequeme Seitenlage. Danach greift er in seine Hosentasche, zückt sein Handy, macht die Karte wieder rein und wählt eine Notrufnummer.
„Hallo. Ca. 3 km südlich von Beach Haven City liegen zwei Männer am Strand. Sie brauchen ärztliche Hilfe, sie sind bewusstlos.“ Ohne die Reaktion am anderen Ende der Leitung abzuwarten, legt er auf.
„Lass uns gehen“, ruft er ihr rüber. „Komm, schnell, weg vom Strand und zurück in unser Apartment.“
2. 8:30 Uhr
„Na, das nenne ich mal einen aufregenden Erholungsurlaub“, sinniert Inua auf einem weißen Ledersofa liegend, von dem aus sie den uneingeschränkten Blick auf den Atlantik genießt. Das Apartment steht in erster Reihe an dem fast schnurgeraden, endlosen Strand. Die Angst, die ihr eben noch in den Knochen hing, hat sie nahezu abgeschüttelt. Die Zuversicht und Souveränität ihres Geliebten hat viel dazu beigetragen. Stattdessen kommen Fragen:
„Erzähl mir, wie das funktioniert mit dem inneren Hören? Wen hast du gehört? Und vor allem: Was war das mit dem Laserstrahl, oder was auch immer das war?“
„Okay, okay, das sind drei Fragen auf einmal“, antwortet Arnim, der sich mit einem Tablett mit zwei dampfenden Cappuccinos und Gebäck zu ihr gesellt. „Ich gebe zu, ich habe dir bisher sehr wenig erzählt. Tatsächlich habe ich erst gestern das Okay erhalten, dich uneingeschränkt in den Plan und alles, was damit zusammenhängt, einzuweihen. Nimm`s ruhig persönlich: Das bedeutet, dass sie dir uneingeschränkt vertrauen. Und das heißt auch, dass du nun den gleichen Schutz genießt wie ich und alle, die in den Plan involviert sind. Mein Mentor meinte, das psychische Gleichgewicht aller Akteure spiele eine nicht zu unterschätzende Rolle bei den großen Aufgaben, die anstehen. Sich mit dem Partner offen über die Dinge austauschen zu können, gehöre zu dieser Seelenpflege. ---- Ich bin ihm sehr dankbar dafür, denn es hat mich tatsächlich ganz schön angestrengt, dir so vieles vorzuenthalten.“
Er setzt seinen Kaffee ab und küsst sie sanft. Vor einigen Minuten waren Sirenen zu hören. Arnim ist sich gewiss, dass die Insassen des Jeeps bereits professionell versorgt werden.
Auf dem Weg zurück zum Apartment noch hat O'Healy das Handy zerlegt und in einen Strandmüllkorb geworfen. Zu gerne hätte er seinen Mentor anrufen, um seine Einschätzung zu hören. Aber das Handy ist definitiv ein zu großes Risiko geworden. Sind weitere aus seinem Team angegriffen worden? Die Tatsache, dass sie ihm auf die Spur gekommen sind, beunruhigt O'Healy. War ich nicht stets auf der Hut?
In Gedanken geht er die letzten Tage zurück, um den Moment zu finden, wo sie sich eine Blöße gegeben haben könnten. Aber er findet nichts. Haben sie mich vielleicht schon länger auf dem Kieker? Die Strandattacke hinterlässt bei O'Healy ein mulmiges Gefühl: Welche Waffen haben die? Welche Informationswaffen vor allem?
Inua holt ihn zurück: „Jetzt verstehe ich, wieso du bisher so wortkarg warst. Tatsächlich ist mir das gar nicht so richtig aufgefallen, dass bisher eigentlich nur ich was von meinem Leben erzählt habe. Wie hast du das gemacht?“
Keine Antwort.
„Arnim? --- Wo bist du?“
Arnim räuspert sich: „Du bist ja auch die viel spannendere Person. Deine Tätigkeit als Lektorin zum Beispiel interessiert mich sehr. Du musst dir ein enormes Wissen angeeignet haben...“
„Arnim!“
Inua versucht es mit einer oberlehrerhaften Betonung. Das scheint zu funktionieren:
„Zu Frage eins: Der größte Brocken, den es wegzuräumen gibt, wenn es darum geht, Telepathie zu erlernen, ist die kollektive Gedankenmatrix: Telepathie, das geht nicht und das können wir nicht! Wenn man das Konstrukt erst mal durchbrochen hat, geht es dann auf einmal ziemlich leicht. Ich habe dafür zwei Hypnose-Sitzungen gehabt, in denen diese Einstellung in mir revidiert wurde. Und jetzt rate mal, von wem ich behandelt wurde?“
„Hm, dein Mentor vielleicht?“
„Nein. Mein Hypnotiseur war ca. 1,30 m klein und hatte ziemlich große Augen. --- Na, erraten?“
„Ein ET?“
„Jip. Ein Außerirdischer. Frag mich nicht, woher er kommt.“
„Moment, ihr arbeitet mit Außerirdischen zusammen?“
In Inuas Stimme klingen arge Zweifel mit. Arnim wundert das nicht, denn, so normal der Umgang mit Außerirdischen für ihn seit ein paar Wochen ist, genau so ungläubig reagierte er auf die erste Begegnung, die er bei seiner ersten Hypnosesitzung – ohne entsprechende Vorwarnung – mit dem ET hatte.
Er spricht weiter: „Was denkst denn du? Sonst hätten wir keine Chance, nicht die geringste! Denk an eben. Und damit hast du auch die Antwort auf Frage drei: Es war der Laser eines kleinen Zwei-Personen-Ufos. Ich hab nach oben geschaut. Es war jedoch in einer Frequenz, die es für uns unsichtbar macht. So schien es, als käme der Laser aus dem Nichts. Die Fähigkeit der ETs, sich und ihre technischen Geräte für unsere Augen unsichtbar zu machen, ist eine enorm wichtige Waffe in dem Plan.“
Er nimmt einen Schluck des heißen Kaffeegetränks und lässt dabei eine schokoladenüberzogene Marone auf seiner Zunge zergehen.
„Erzähl weiter“, drängt Inua ungeduldig.
„Die meisten Raumbrüder, die mit uns zusammen arbeiten, sollen humanoider Natur sein, also genauso aussehen wie wir. Die lichtvollen Außerirdischen sind jedenfalls die Meister in Sachen Telepathie. Es hat nur eine Woche Training von täglich 45 Minuten benötigt, um mich diesbezüglich einsatzfähig zu machen. ---- Wenn die ganze Aktion rum ist, freue ich mich schon sehr darauf, das mit dir zu üben. Ich wette, so gut, wie wir uns verstehen, geht das sehr schnell.“
„Und Frage zwei?“
„Wer mich informiert hat bei dem versuchten Attentat? --- Nun, ich kenne nur seinen Namen. Er heißt Taamo Lumen. Ich hoffe sehr, ihn einmal kennen zu lernen. Er ist ein Meister. Ich meine, ein wahrer Meister. Ein Mensch mit einem gigantischen Bewusstsein. Er kann Dinge, von denen wir Normalsterblichen höchstens träumen.“
3. 14:30 Uhr, Ottawa, Kanada
Im 18. Stock eines Hotels im Zentrum der kanadischen Hauptstadt sitzen in einem Konferenzraum 13 illustre Männer und eine Frau um einen ungewöhnlich großen, runden Eichentisch. Der ehemalige Außenminister Kanadas, Niclas Brouden, begrüßt die Anwesenden. Die freudige Erregung, die ihn durchströmt, ergießt sich mit seinen Worten in den Raum. Eine lange Zeit innerer Disziplin beginnt nun, ihre Früchte zu zeigen.
„Meine Dame, meine Herren, ich kann ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich über unsere Zusammenkunft freue. Über drei Jahrzehnte habe ich auf diesen Moment hingearbeitet und gewartet.“
Mit diesen einleitenden Worten hat Brouden die volle Aufmerksamkeit aller, ihm überwiegend sehr vertrauten Persönlichkeiten im Raum. Spannung, Erleichterung und eine starke Willenskraft spiegeln sich in den Augen der anwesenden Personen, überwiegend Träger höchster militärischer Ämter. Zwei aus den USA, jeweils einer aus Großbritannien, Kanada, Australien, Israel, Saudi-Arabien, Deutschland, Italien, Japan und Frankreich.
Zwei der Anwesenden sind keine Militärs.
„Darf ich ihnen Miss Hilena Matanoe vorstellen, sie ist Abgesandte der Galaktischen Föderation des Lichts.“
Ein leises Raunen erfüllt den Raum. Im Sitzen überragt die Mitte Dreißig wirkende Frau die anwesenden Männer um gut einen Kopf. Die meisten Männer würden sie – abgesehen von ihrer Größe - eine klassische Schönheit nennen, mit nahezu schwarzen, schulterlang glatten Haaren und einem perfekt harmonischen, ebenmäßigen Gesicht. Die Frau belässt es bei einem freundlichen Nicken.
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