Wulf Köhn - Drachenkinder

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Der Schwerpunkt dieses fantastischen Romans liegt trotz der vielen Abenteuer in dem gefühlsbetonten Erleben des Helden, der alles andere als ein Held im klassischen Sinn ist. Immer stärker entstehen in ihm Zweifel an den Worten der Alten, und er will nicht mehr blindlings glauben, sondern den Sinn des Überlieferten verstehen.

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Wulf Köhn

Drachenkinder

Fantastischer Roman

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Inhaltsverzeichnis Titel Wulf Köhn Drachenkinder Fantastischer Roman Dieses - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Wulf Köhn Drachenkinder Fantastischer Roman Dieses ebook wurde erstellt bei

Der Heuler

Die Schlucht der Höhlen

Altersbestimmung

Das Tier erwacht

Das Unglück

Die Höhle aller Höhlen

Vater und Sohn

Worte der Überlieferung

Die Nacht im Wald

Drachenkämpfer

Die Freunde

Die großen Jäger

Die Nacht in der Steppe

Junge Kämpfer

Die Herde

Das große Projekt

Kampf um das Dorf

Außenseiter

Balders Sohn

Herde in Gefahr

Die Speerspitze

Das Gesetz

Muth, der Drachentöter

Lebensblätter

Der lebendige Tod

Der Schmied

Felsenbilder

Die Felswand

Der letzte Kampf

Die Worte der Mutter

Trents Vermächtnis

Das Beben

Der Bergrutsch

Die Entscheidung

Das Wiedersehen

Der alte Mann

Epilog

Über den Autor

Impressum neobooks

Der Heuler

Und der Drache trat vor das Weib, das gebären sollte,

auf dass, wenn sie geboren hätte, er ihr Kind fräße.

Offenbarung des Johannes, 12:3

Trent erwachte und öffnete die Augen. Die Dunkelheit in der Hütte war fast voll­kommen. Durch einige Ritzen der geflochtenen Wände schimmerte das fahle Licht des Silbernen Wächters. Trent wusste zunächst nicht, was ihn geweckt hatte, doch er war unruhig. Es musste etwas Wichtiges sein. Langsam schweifte sein Blick durch das Dun­kel seiner Umgebung. In den Ecken der Hütte knackte es leise, und wenn er sich bewegte, knarrten die Zweige seiner Schlafstatt. Der schwere Pelz, der ihm Wärme während des Schlafes gegeben hatte, raschelte leise bei jeder Bewegung, als würde der Wulp noch leben. Es waren alles bekannte Geräusche, die ihm ebenso vertraut waren, wie das leichte Pfeifen des Windes, der sich in den Winkeln und Ecken der Hütte brach. Doch irgendetwas war anders.

Trent setzte sich auf und versuchte, sein Gefühl der Unruhe zu analysieren. Es war keine Angst, die er verspürte. Es schien keine Gefahr vor der Hütte zu lauern. Es war eher eine instinktive Wahrnehmung, etwas, das in sein Unterbewusstsein eindrang und dort den Wunsch erzeugte, aufzustehen und ins Freie zu treten.

Er schlang den Schlafpelz um seine Schultern und stand auf. Trotz der Dunkelheit erkannte er alle Einzelheiten seiner Umgebung.

Sein Lager stand in einer Ecke der Hütte, die aus einem einzigen Raum bestand. Es war aus elastischen Ruten geflochten und mit Fellsäcken gepolstert, die mit Pflanzenfa­sern gefüllt waren. Ein bequemeres Lager ließ sich kaum vorstellen. Er ging hinüber zur Feuerstelle und rückte den schweren Stein zur Seite, der über die Glut gelegt war. So wurde gleichzeitig die Hütte vor einem nächtlichen Feuer bewahrt und die Glut für den nächsten Morgen geschützt.

Mit einem Federbüschel wischte er die Asche beiseite und fächelte der Glut etwas Luft zu. Sofort glühte sie hell auf und bildete kleine Flammen, an denen er einen Kien­span entzündete. Dieser beleuchtete die Hütte jetzt in einem rötlichen Licht. Trent steckte den Kienspan in eine Ritze über der Feuerstelle und schaute sich um.

Es war nichts Besonderes zu entdecken. Auf dem Tisch standen noch die Reste der Mahlzeit vom Abend: derbes selbstgebackenes Brot, ein Krug mit vergorenem Beeren­saft und ein Streifen luftgetrocknetes Fleisch. Trent fasste sich stöhnend an den Kopf, als er den Krug sah. Ein säuerlicher Geschmack im Mund erinnerte ihn an den süßen Wein, der ihm gestern so schnell zum Schlaf verholfen hatte.

Doch jetzt brauchte er etwas Frisches. Er griff zu dem Krug neben dem Feuer und trank einige Züge von dem klaren Wasser. Den Rest goss er sich über den Kopf. Das tat gut! Aber die Unruhe wollte nicht weichen. Etwas ging dort draußen vor. Er löschte das Feuer des Kienspans, indem er es zwischen Daumen und Finger zerdrückte. Es würde ihm vor der Hütte ohnehin nichts nützen.

Trent öffnete die Tür und trat hinaus. Einen Augenblick lang schaute er zum Silber­nen Wächter empor, der das Dorf in ein fahles Licht tauchte. Der Silberne Wächter blickte zur Nachtzeit über das Land, wenn der Goldene Drache hinter den Bergen ver­schwunden war. Er war zugleich unheimlich und beruhigend, denn ohne sein Licht wäre das Volk während der Nachtzeit hilflos den Raubtieren ausgeliefert, wenn sie die schützenden Zäune des Dorfes verließen. Unheimlich war er den Sapien, weil sie nicht wussten, warum er nur erschien, wenn die Große Mutter, der Goldene Drache, abwe­send war. Manchmal war von ihm auch nur ein schmaler Streifen zu sehen, und manchmal war er völlig verschwunden.

Welchen Auftrag hatte er von der Großen Mutter bekommen? Sollte er die Welt nur beleuchten oder auch berichten, was in ihrer Abwesenheit geschah. Die Männer bezogen ihn deshalb in ihre Gebete ein, die eigentlich nur der Großen Mutter gewid­met waren.

Das Dorf war völlig ruhig. Die anderen Sapien, die es bewohnten, schliefen. Im Lichte des Silbernen Wächters konnte Trent die Hütten erkennen, die um den runden Dorfplatz herum standen. Nur wenige waren jeweils von einem einzigen Mann bewohnt. In den meisten lebte ein Vater mit seinem Sohn.

Aus dem Schatten einer der Hütten löste sich eine Gestalt, in der Trent beim Näherkommen den Dorfältesten Kaan erkannte.

„Ich wusste, dass du ihn hören würdest“, sagte Kaan.

„Ich bin aufgewacht, doch ich habe nichts gehört“, erwiderte Trent und lauschte in die Nacht hinein. Er hörte nur die wohlbekannten Geräusche der Nacht, das Rauschen des Windes in den Blättern der Bäume und das leise Pfeifen, wenn er durch die Ritzen der geflochtenen Wände strich. Manchmal waren in der Ferne Tiere zu hören, die in der Dunkelheit auf die Jagd gingen. Es waren unheimliche Geräusche darunter, deren Verursacher nur zu ahnen waren. Oft ging ein Klagen und Jammern durch den Wald, doch das waren die Geister der Nacht, welche die Sapien warnen wollten, wenn gefährliche Tiere unterwegs waren. Heute hörte sich der Wald nicht gefährlich an.

„Du musst in dein Inneres hineinhören!“, forderte Kaan ihn auf, und Trent erin­nerte sich an das Gefühl, das er bereits in der Hütte gehabt hatte. Da war ein merkwür­diges Ziehen, voller Sehnsucht und Verlangen, das ihn ins Freie getrieben hatte.

Jetzt spürte er es wieder mit größerer Stärke. Ganz langsam erfüllte es seinen Kopf, bis er bemerkte, dass es sich um ein leises Heulen handelte, das ganz aus der Ferne zu ihm hergetragen wurde. Er lächelte verstehend, und Kaan schaute ihn ebenfalls lächelnd an.

„Hast du ihn jetzt gehört? Er braucht deine Hilfe! Er ist wehrlos dort draußen. Du musst dich beeilen!“

„Wie kann ich ihn finden?“, fragte Trent unsicher.

„Du wirst ihn finden, denn er ruft dich – nur dich allein – seinen Vater“, zerstreute Kaan beruhigend Trents Bedenken. „Bisher wurde jeder Heuler gefunden! Achte auf das Heulen und die Geräusche des Waldes. Die Geister werden dir helfen!“

„Ist es nicht gefährlich, in der Dunkelheit das Dorf zu verlassen?“, wollte Trent wis­sen.

„Natürlich ist es gefährlich!“, bestätigte Kaan. „Deshalb schützen uns ja auch die Palisaden vor den wilden Tieren des Waldes, die nur zur Nachtzeit ihre Beute suchen. Doch du kannst dich wehren, aber der Heuler ist wehrlos. Du musst ihn finden, bevor ihn die Raubtiere wittern und bevor es Tag wird, denn dann sind die Drachen unter­wegs.“

Trent, der noch immer mit dem um die Schultern geschlungenen Schlaffell auf dem Dorfplatz stand, kehrte in seine Hütte zurück. Nachdenklich schaute ihm Kaan hinter­her.

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