Wulf Köhn - Dorpamarsch

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Als Emma Heldenreich im Jahre 2014 starb, war sie vermutlich die älteste Frau Deutschlands. Im Roman verbindet sich ihr Leben mit zahlreichen historischen Ereignissen, die von ihr und ihrer Familie teilweise auf skurrile Weise beeinflusst werden.
Emma Heldenreich wird am 1. Januar 1900 als erstes Kind des 20. Jahrhunderts im Kaiserreich Deutschland in dem kleinen norddeutschen Dorf Dorpamarsch als Tochter eines Kaufmanns geboren. 1906 kommt ihre Schwester Berta und 1914 ihre Schwester Dora zur Welt. Die drei Mädchen wachsen in behüteter familiärer Umgebung auf, während der erste Weltkrieg und die Inflation über Deutschland hinwegziehen. Der Vater August Heldenreich entwickelt ein eigenes listenreiches System zum Überleben. Er stirbt mit dem Ende der Inflation beim Verzehr eines Hechtes.
Die Geschichte der Familie ist auf verschiedene Weise mit einigen historischen Ereignissen verwickelt. Der «Hauptmann von Köpenick» ist daran ebenso beteiligt, wie der Untergang der Titanic und der Großbrand des Passagierschiffes «Europa» im Hamburger Hafen.
Nachdem die Mutter auf dramatische Weise den Tod findet, stehen die Mädchen als Vollwaisen da, was allerdings nur für die 14-jährige Dora von Bedeutung ist. Sie soll von der Jugendbehörde in ein Waisenhaus eingewiesen werden. Um das zu verhindern, heiratet Emma und übernimmt die Vormundschaft für ihre Schwester.
Die drei Schwestern Emma, Berta und Dora beschließen, ihr ganzes Leben lang zusammenzubleiben und bekräftigen das mit dem Schwur der drei Musketiere: «Eine für alle – alle für Eine!». Dieses halten sie auch bis zu ihrem Tode durch.
In den folgenden Jahrzehnten erleben sie das Dritte Reich und wehren sich auf eigene Weise gegen die Auswüchse der Hitlerdiktatur, verstecken zwei Jahre lang drei jüdische Familien in ihrem Haus und erleben den Einmarsch der Russen. Es gelingt ihnen mit List, sich selbst und alle Frauen des Dorfes vor den gefürchteten Vergewaltigungen zu retten.

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Wulf Köhn

Dorpamarsch

Das skurrile Leben der Emma Heldenreich

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Inhaltsverzeichnis Titel Wulf Köhn Dorpamarsch Das skurrile Leben der Emma - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Wulf Köhn Dorpamarsch Das skurrile Leben der Emma Heldenreich Dieses ebook wurde erstellt bei

Jeder von uns ist ein Teil der Weltgeschichte. Doch meist erkennt man das nicht. Wulf Köhn

Prolog Prolog Es war ihr Wunsch gewesen, in ihrem Heimatdorf beerdigt zu werden, und so kehrte Emma Heldenreich im Jahre 2014 nach einem langen Leben wieder zurück. Als sie nach Hause kam, folgte ihr der längste Trauerzug, den Dorpamarsch jemals gesehen hatte. Die halbe Schiffsbesatzung war von Bremerhaven aus angereist, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Die kleine Kapelle des Fried­hofs reichte bei Weitem nicht aus, die vielen Trauergäste aufzunehmen, doch der Chief hatte die technischen Voraussetzungen geschaffen, die Feier per Lautsprecher nach außen zu übertragen. Neben dem Pastor verabschiedete sich der Kapitän und bedankte sich im Namen der ganzen Mannschaft für die Wärme, die sie allen entgegengebracht hatte. Die Matrosen bildeten ein Spalier von der Kapelle bis zur ausgehobenen Grube. Sechs Offiziere trugen den Sarg auf ihren Schultern, während ein Trompeter der Bordkapelle „Il Silenzio“ spielte. Der Arzt sprach leise den Abschiedstext: Buona notte, amore Ti vedrò nei miei sogni Buona notte a te che sei lontana Gute Nacht, Liebste, Ich sehe dich in meinen Träumen, Gute Nacht dir, die du so fern bist. Als der Sarg in die Grube gesenkt wurde, pfiff der Maschinenwart Seite nach alter Marinetradition. Es war ein würdiges Begräbnis für die älteste Frau Deutschlands, die ihre letzten zwölf Jahre auf dem Schiff gelebt hatte.

1900 - Es hat Zwölf geschlagen

1906 - Kaiserlicher Hof- und Marinelieferant

1906 - Ein Schuster auf der Durchreise

1912 - Flaschenpost

1914 - Die Helden von Dorpamarsch

1919 - Augustmark

1924 - Der Kopf des Hechtes

1926 - Hochzeit mit Rosenstrauch

1928 - Zubrowski

1929 - Das Ende Europas

1929 - Eine für alle – alle für Eine!

1933 - Nomen est omen

1936 - Helden der Lüfte

1937 - Hindenburg

1939 - Schon wieder Krieg!

1941 - Das Gewölbe

1942 - Flaggenparade

1943 - Schweinebacke und die Juden

1945 - Die Russen kommen

1946 - Sturmfest und erdverwachsen

1948 - Ein Euter in der Not

1958 - Janus, der Zweiseitige

1959 - Über die Alpen mit Äskulap

1959 - Diebe haben’s schwer

1960 - Begleitservice

1961 – Die Sicherung der Staatsgrenze

1965 - Stromklau

1971 - Kampf um den Laden

1985 - Moorwanderung

1986 - Der Nichtentrick

1988 - Ab in die Pilze!

1989 - Tante Emmas Heidetropfen

1989 - Seniorenresidenz Heidemoor

1989 - Menschenraub

1990 - Das Lotterielos

1990 - Tod im Schneckenhaus

1990 - Das Leben geht weiter – zu dritt!

1991 - Emmas Grab

1996 - Scharade

2000 - Emma wird 100

2000 – Doras seltsames Verschwinden

2002 - Die Schiffstaufe

2003 - Das Geburtstagsgeschenk

2004 - Sturmwarnung

2014 - Die älteste Frau Deutschlands

Epilog

Personen

Über den Autor

Impressum neobooks

Jeder von uns ist ein Teil der Weltgeschichte.

Doch meist erkennt man das nicht.

Wulf Köhn

Prolog

Es war ihr Wunsch gewesen, in ihrem Heimatdorf beerdigt zu werden, und so kehrte Emma Heldenreich im Jahre 2014 nach einem langen Leben wieder zurück.

Als sie nach Hause kam, folgte ihr der längste Trauerzug, den Dorpamarsch jemals gesehen hatte. Die halbe Schiffsbesatzung war von Bremerhaven aus angereist, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Die kleine Kapelle des Fried­hofs reichte bei Weitem nicht aus, die vielen Trauergäste aufzunehmen, doch der Chief hatte die technischen Voraussetzungen geschaffen, die Feier per Lautsprecher nach außen zu übertragen.

Neben dem Pastor verabschiedete sich der Kapitän und bedankte sich im Namen der ganzen Mannschaft für die Wärme, die sie allen entgegengebracht hatte.

Die Matrosen bildeten ein Spalier von der Kapelle bis zur ausgehobenen Grube. Sechs Offiziere trugen den Sarg auf ihren Schultern, während ein Trompeter der Bordkapelle „Il Silenzio“ spielte. Der Arzt sprach leise den Abschiedstext:

Buona notte, amore

Ti vedrò nei miei sogni

Buona notte a te che sei lontana

Gute Nacht, Liebste,

Ich sehe dich in meinen Träumen,

Gute Nacht dir, die du so fern bist.

Als der Sarg in die Grube gesenkt wurde, pfiff der Maschinenwart Seite nach alter Marinetradition.

Es war ein würdiges Begräbnis für die älteste Frau Deutschlands, die ihre letzten zwölf Jahre auf dem Schiff gelebt hatte.

1900 - Es hat Zwölf geschlagen

Natürlich war Emma nicht von Anfang an die älteste Frau in Deutschland. Das ergab sich naturgemäß erst in späteren Jahren, nachdem alle vor ihr geborenen Frauen verstorben waren. Doch dazu kommen wir später.

Um aber etwas mehr über diese bemerkenswerte Frau zu erfahren, müssen wir bereits bei ihrer Geburt anfangen. Und das war auch schon aufregend genug.

Es begann am Silvesterabend 1899 in dem kleinen Dorpamarsch, einem unbedeutenden Dorf im Norden Deutschlands, irgendwo im Marschland an dem kleinen Flüsschen Dörpe. Es war so unbedeutend, dass die Einwohner es auch manchmal als Dorp am Arsch aussprachen. Vielleicht war das ja auch der Ursprung des Namens. Niemand hatte das bisher so richtig erkundet. Doch es besaß immerhin einen Kaufmannsladen und ein Dorfgasthaus, das interessanterweise den Namen „Zum Roten Hahn“ trug, wahrscheinlich, weil sich dort immer die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr trafen – und das waren praktisch alle männlichen Einwohner Dorpamarschs, die bereits laufen konnten.

Natürlich gab es auch eine Kirche in der Mitte des Dorfes, gleich neben dem Roten Hahn, mit einem trutzigen viereckigen Turm, der weit über das flache Land hinwegschaute. Das Beste aber waren die vier großen Uhren an jeder Seite des Turmes. Eigentlich war es nur eine einzige Uhr im Innern des Turmgemäuers mit vier gewaltigen Zifferblättern nach allen Himmelsrichtun­gen. Das war für die meisten Bewohner die einzige Uhr, die ihnen zur Verfü­gung stand. Die Bauern auf dem Felde, die Schulkinder, der Briefträger, der Dorfgendarm – alle hatten die Uhr ständig im Blickfeld. Sie war sozusagen die Normzeit des Dorfes und die wenigen Standuhren oder seltenen Taschen­uhren wurden nach ihr gestellt.

Dass die Turmuhr auch immer richtig ging, dafür sorgte Küster Schaapmann, der einmal wöchentlich in das Turmuhrenstübchen kletterte, um mit einer Handkurbel den schweren Stein nach oben zu ziehen, der das gewaltige Uhr­werk antrieb, und gleichzeitig nach seiner eigenen Taschenuhr zu stellen. War er dann wieder unten, verglich er seine eigene Uhr mit der Turmuhr. Wenn beide exakt die gleiche Zeit anzeigten, konnte er befriedigt feststellen, dass die Zeit wieder einmal stimmte.

Sie würde in dieser Silvesternacht noch eine bedeutende Rolle spielen, auch wenn die Zeiger in der Dunkelheit gar nicht zu erkennen waren. Dafür schlu­gen die Uhrglocken umso lauter. Zu jeder vollen Stunde war die Stundenzeit zu hören und zu jeder Viertelstunde ein einzelner Schlag. Da der Rote Hahn direkt daneben lag, lauschten alle Anwesenden jeden Abend auf die zwölf Schläge, denn um Mitternacht machte der Wirt dicht. „Feierabend!“, verkün­dete er dann formell und wartete, bis die Gäste in aller Ruhe noch ihr Glas ausgetrunken hatten. Das konnte noch mal ein Viertelstündchen dauern, doch Nachschub gab es nicht mehr. Meist tranken die Gäste aber ihr Glas zügig aus und machten sich auf den Heimweg, denn ihre Frauen hatten die mitternächt­lichen Glockenschläge ebenfalls gehört und warteten. Wo sollten die Männer auch sonst hin um diese Stunde?

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