Wulf Köhn
Dorpamarsch
Das skurrile Leben der Emma Heldenreich
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Inhaltsverzeichnis
Titel Wulf Köhn Dorpamarsch Das skurrile Leben der Emma Heldenreich Dieses ebook wurde erstellt bei
Jeder von uns ist ein Teil der Weltgeschichte. Doch meist erkennt man das nicht. Wulf Köhn
Prolog Prolog Es war ihr Wunsch gewesen, in ihrem Heimatdorf beerdigt zu werden, und so kehrte Emma Heldenreich im Jahre 2014 nach einem langen Leben wieder zurück. Als sie nach Hause kam, folgte ihr der längste Trauerzug, den Dorpamarsch jemals gesehen hatte. Die halbe Schiffsbesatzung war von Bremerhaven aus angereist, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Die kleine Kapelle des Friedhofs reichte bei Weitem nicht aus, die vielen Trauergäste aufzunehmen, doch der Chief hatte die technischen Voraussetzungen geschaffen, die Feier per Lautsprecher nach außen zu übertragen. Neben dem Pastor verabschiedete sich der Kapitän und bedankte sich im Namen der ganzen Mannschaft für die Wärme, die sie allen entgegengebracht hatte. Die Matrosen bildeten ein Spalier von der Kapelle bis zur ausgehobenen Grube. Sechs Offiziere trugen den Sarg auf ihren Schultern, während ein Trompeter der Bordkapelle „Il Silenzio“ spielte. Der Arzt sprach leise den Abschiedstext: Buona notte, amore Ti vedrò nei miei sogni Buona notte a te che sei lontana Gute Nacht, Liebste, Ich sehe dich in meinen Träumen, Gute Nacht dir, die du so fern bist. Als der Sarg in die Grube gesenkt wurde, pfiff der Maschinenwart Seite nach alter Marinetradition. Es war ein würdiges Begräbnis für die älteste Frau Deutschlands, die ihre letzten zwölf Jahre auf dem Schiff gelebt hatte.
1900 - Es hat Zwölf geschlagen
1906 - Kaiserlicher Hof- und Marinelieferant
1906 - Ein Schuster auf der Durchreise
1912 - Flaschenpost
1914 - Die Helden von Dorpamarsch
1919 - Augustmark
1924 - Der Kopf des Hechtes
1926 - Hochzeit mit Rosenstrauch
1928 - Zubrowski
1929 - Das Ende Europas
1929 - Eine für alle – alle für Eine!
1933 - Nomen est omen
1936 - Helden der Lüfte
1937 - Hindenburg
1939 - Schon wieder Krieg!
1941 - Das Gewölbe
1942 - Flaggenparade
1943 - Schweinebacke und die Juden
1945 - Die Russen kommen
1946 - Sturmfest und erdverwachsen
1948 - Ein Euter in der Not
1958 - Janus, der Zweiseitige
1959 - Über die Alpen mit Äskulap
1959 - Diebe haben’s schwer
1960 - Begleitservice
1961 – Die Sicherung der Staatsgrenze
1965 - Stromklau
1971 - Kampf um den Laden
1985 - Moorwanderung
1986 - Der Nichtentrick
1988 - Ab in die Pilze!
1989 - Tante Emmas Heidetropfen
1989 - Seniorenresidenz Heidemoor
1989 - Menschenraub
1990 - Das Lotterielos
1990 - Tod im Schneckenhaus
1990 - Das Leben geht weiter – zu dritt!
1991 - Emmas Grab
1996 - Scharade
2000 - Emma wird 100
2000 – Doras seltsames Verschwinden
2002 - Die Schiffstaufe
2003 - Das Geburtstagsgeschenk
2004 - Sturmwarnung
2014 - Die älteste Frau Deutschlands
Epilog
Personen
Über den Autor
Impressum neobooks
Jeder von uns ist ein Teil der Weltgeschichte.
Doch meist erkennt man das nicht.
Wulf Köhn
Es war ihr Wunsch gewesen, in ihrem Heimatdorf beerdigt zu werden, und so kehrte Emma Heldenreich im Jahre 2014 nach einem langen Leben wieder zurück.
Als sie nach Hause kam, folgte ihr der längste Trauerzug, den Dorpamarsch jemals gesehen hatte. Die halbe Schiffsbesatzung war von Bremerhaven aus angereist, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Die kleine Kapelle des Friedhofs reichte bei Weitem nicht aus, die vielen Trauergäste aufzunehmen, doch der Chief hatte die technischen Voraussetzungen geschaffen, die Feier per Lautsprecher nach außen zu übertragen.
Neben dem Pastor verabschiedete sich der Kapitän und bedankte sich im Namen der ganzen Mannschaft für die Wärme, die sie allen entgegengebracht hatte.
Die Matrosen bildeten ein Spalier von der Kapelle bis zur ausgehobenen Grube. Sechs Offiziere trugen den Sarg auf ihren Schultern, während ein Trompeter der Bordkapelle „Il Silenzio“ spielte. Der Arzt sprach leise den Abschiedstext:
Buona notte, amore
Ti vedrò nei miei sogni
Buona notte a te che sei lontana
Gute Nacht, Liebste,
Ich sehe dich in meinen Träumen,
Gute Nacht dir, die du so fern bist.
Als der Sarg in die Grube gesenkt wurde, pfiff der Maschinenwart Seite nach alter Marinetradition.
Es war ein würdiges Begräbnis für die älteste Frau Deutschlands, die ihre letzten zwölf Jahre auf dem Schiff gelebt hatte.
1900 - Es hat Zwölf geschlagen
Natürlich war Emma nicht von Anfang an die älteste Frau in Deutschland. Das ergab sich naturgemäß erst in späteren Jahren, nachdem alle vor ihr geborenen Frauen verstorben waren. Doch dazu kommen wir später.
Um aber etwas mehr über diese bemerkenswerte Frau zu erfahren, müssen wir bereits bei ihrer Geburt anfangen. Und das war auch schon aufregend genug.
Es begann am Silvesterabend 1899 in dem kleinen Dorpamarsch, einem unbedeutenden Dorf im Norden Deutschlands, irgendwo im Marschland an dem kleinen Flüsschen Dörpe. Es war so unbedeutend, dass die Einwohner es auch manchmal als Dorp am Arsch aussprachen. Vielleicht war das ja auch der Ursprung des Namens. Niemand hatte das bisher so richtig erkundet. Doch es besaß immerhin einen Kaufmannsladen und ein Dorfgasthaus, das interessanterweise den Namen „Zum Roten Hahn“ trug, wahrscheinlich, weil sich dort immer die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr trafen – und das waren praktisch alle männlichen Einwohner Dorpamarschs, die bereits laufen konnten.
Natürlich gab es auch eine Kirche in der Mitte des Dorfes, gleich neben dem Roten Hahn, mit einem trutzigen viereckigen Turm, der weit über das flache Land hinwegschaute. Das Beste aber waren die vier großen Uhren an jeder Seite des Turmes. Eigentlich war es nur eine einzige Uhr im Innern des Turmgemäuers mit vier gewaltigen Zifferblättern nach allen Himmelsrichtungen. Das war für die meisten Bewohner die einzige Uhr, die ihnen zur Verfügung stand. Die Bauern auf dem Felde, die Schulkinder, der Briefträger, der Dorfgendarm – alle hatten die Uhr ständig im Blickfeld. Sie war sozusagen die Normzeit des Dorfes und die wenigen Standuhren oder seltenen Taschenuhren wurden nach ihr gestellt.
Dass die Turmuhr auch immer richtig ging, dafür sorgte Küster Schaapmann, der einmal wöchentlich in das Turmuhrenstübchen kletterte, um mit einer Handkurbel den schweren Stein nach oben zu ziehen, der das gewaltige Uhrwerk antrieb, und gleichzeitig nach seiner eigenen Taschenuhr zu stellen. War er dann wieder unten, verglich er seine eigene Uhr mit der Turmuhr. Wenn beide exakt die gleiche Zeit anzeigten, konnte er befriedigt feststellen, dass die Zeit wieder einmal stimmte.
Sie würde in dieser Silvesternacht noch eine bedeutende Rolle spielen, auch wenn die Zeiger in der Dunkelheit gar nicht zu erkennen waren. Dafür schlugen die Uhrglocken umso lauter. Zu jeder vollen Stunde war die Stundenzeit zu hören und zu jeder Viertelstunde ein einzelner Schlag. Da der Rote Hahn direkt daneben lag, lauschten alle Anwesenden jeden Abend auf die zwölf Schläge, denn um Mitternacht machte der Wirt dicht. „Feierabend!“, verkündete er dann formell und wartete, bis die Gäste in aller Ruhe noch ihr Glas ausgetrunken hatten. Das konnte noch mal ein Viertelstündchen dauern, doch Nachschub gab es nicht mehr. Meist tranken die Gäste aber ihr Glas zügig aus und machten sich auf den Heimweg, denn ihre Frauen hatten die mitternächtlichen Glockenschläge ebenfalls gehört und warteten. Wo sollten die Männer auch sonst hin um diese Stunde?
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