Die Magd war aufgeregt. Ihr Herz pochte wie wild. Sie wusste nicht, ob ihr Plan aufgehen würde. Aber er musste, sonst sah es düster auf.
«Was ist los?», fragte die Prinzessin.
«Die Wachen haben nun gewechselt!», meinte die Magd.
«Und?», Tamira blickte sie nervös: «Was nun?»
«Wir gehen hinunter. Und fragen nach dem Priester ...»
«Was?», die Prinzessin schüttelte den Kopf: «Aber er hat den Turm nie verlassen ...»
«Nun. Das glauben die neuen Wachen zwar, aber sie haben es nicht mit eigenen Augen gesehen!», murmelte die Magd und ging dann die Treppe hinunter. Tamira folgte ihr.
Die Magd des Priesters klopfte an die schwere Türe. Einer der Soldaten machte auf.
Sie schaute die beiden neuen Wachsoldaten an: «Wo ist der Priester?»
«Wir dachten, er wäre oben!», meinte einer der beiden Soldaten: «Wer bist du?»
Die Magd schaute irritiert: «Ich bin die Magd des Priesters. Und ja, er ist hier. Allerdings ging er vor einer Weile fort um ... ihr wisst schon.»
«Um was?», fragte der Soldat.
«Um sein Geschäft zu erledigen!», meinte die Magd: «Er muss doch an euch vorbei gegangen sein ...»
«Wir sind noch nicht so lange hier!», murmelte der Soldat: «Wir sind die Ablösung!»
«Oh, okay!», grinste die Magd: «Für mich seht ihr alle gleich aus!» Die Lüge kam ihr leicht über die Lippen. Dennoch war sie aufgeregt und zitterte ein wenig.
«Er wird schon kommen!», meinte der Soldat: «Sein Geschäft dauert eben!»
«Er wollte zu den Felsen dort. Ich habe ihm abgeraten, weil es dort ziemlich steil ist! Aber er wollte nicht auf mich hören.»
«Geh du und schau!», meinte der eine Soldat zum anderen.
Die Magd starrte dem Soldaten hinterher. Alles, was sie gesagt hatte, hatte sich so plump und falsch angehört. Aber sie konnte die Szene nicht wiederholen. Sie konnte nicht einfach wieder in den Turm gehen, noch einmal rauskommen und von vorne anfangen. Aber im Grunde war es ohnehin egal. Entweder sie glaubten ihr oder sie glaubten es nicht. Und es konnte durchaus sein, dass er sich dort an den Rand gestellt hatte um hinunter zu pinkeln. Sie hatten extra seine Hose hinuntergezogen um es realistischer wirken zu lassen.
«Wie ist er so. Als Herr?», fragte der Soldat plötzlich.
«Wer?», meinte die Magd.
«Na, der Priester!»
«Oh ...», sie nickte: «Ja. Er ist der beste Herr, den man sich vorstellen kann. Ich bin froh ihm dienen zu können.»
Es dauerte eine Weile bis der Soldat den Priester gefunden hatte. Aufgeregt kam er zurück: «Ich habe schlechte Nachrichten. Ich denke, ich habe ihn gefunden!»
«Das ist doch gut!», meinte die Magd: «Wo ist er?»
«Das ist nicht gut!», murmelte der Soldat: «Ich denke ... ich denke, er ist abgestürzt. Er ist tot!»
«Was?»
«Ich muss unbedingt den Kommandeur holen!», der Soldat wischte sich den Schweiß ab: «Und ihr beide macht, dass ihr fortkommt!»
Der andere Soldat nickte: «Richtig. Geh du und hole den Kommandeur. Ich bleibe hier. Und ihr beide ...», er blickte auf die zwei jungen Frauen: «... macht, dass ihr zur Stadt kommt!»
9
Land der Pravin,
Anhöhe nahe Laros
Der Hauptmann der pravinischen Garnison hatte bereits am frühen Morgen geahnt, dass heute sein Tod bevorstand. Und nun war es soweit. Er würde einen qualvollen Tod sterben. Die Nehataner würden keine Gnade kennen. Alles deutete darauf hin. Einige Soldaten hatten immer noch die Hoffnung gehabt zu überleben und als Sklaven nach Nehats verschleppt zu werden. Aber die nehatanische Armee sortierte hierfür lediglich Bauern und Handwerker aus, die in den kommenden Tagen die Reise in die Hauptstadt Xipe Totec antreten sollten. Als Geschenk an den König Atlacoya. Die Soldaten sollten sterben. Es gab einige Krieger der Pravin, die dem Feldmarschall angeboten hatten auf seiner Seite zu kämpfen, aber dieser blieb hart. Es war durchaus im Gespräch gewesen eine Söldnertruppe aus fremden Soldaten zu bilden. Diese Idee war jedoch längst verworfen. Zu groß war die Angst, dass sich die jeweiligen Soldaten am Ende doch gegen ihren wirklichen Feind stellten. Die Chance war sogar recht groß. Die Pravin hatten sich als sehr nationalstolz gezeigt. Mit welcher Inbrunst sie ihre Stadt verteidigt hatten, war ein deutliches Zeichen.
Die achtzehn überlebenden Soldaten wurden aus der Stadt in Richtung Anhöhe geführt und schließlich von dort hinunter in ein Nebental geführt. Von dort aus hatten sich die Pravin für den Angriff in die Flanke genähert. Im Schutze des dortigen Bambushains.
Der Hauptmann wusste nicht in welcher Form sie sterben würden, er wusste nur, dass sie sterben würden. Er hoffte natürlich auf einen möglichst schmerzlosen und schnellen Tod. Aber diesen Gefallen würde ihm der Feldmarschall der nehatanischen Armee nicht machen. Im Gegenteil.
Nackt wurden die Soldaten ausgezogen. Eingekreist von den deutlich dunkelhäutigeren nehatanischen Kriegern. Dem Spott und dem Hohn ausgesetzt, standen sie da. Der Hauptmann der Pravin schaute irritiert auf die Stelle vor ihm. Man hatte einige Bambuspflanzen gekappt und nur einen etwa zehn Zentimeter großen Stumpf übriggelassen. Die Reste der Bambuspflanzen lagen säuberlich an der Seite. Die schnellwachsenden Pflanzen waren ein wichtiger Baustoff für die Pravin.
«Der Hauptmann als Erstes!», befahl Mixtli.
Die Männer gehorchten. Sie packten den Hauptmann und führten ihn zu einem der Stümpfe im Boden.
Chantico schaute sich das Schauspiel von Weitem an. Er wollte nicht direkt dabei sein. Seine Wunde, die er im Kampf davongetragen hatte, war nicht allzu groß. Aber sie erinnerte ihn daran, dass er verwundbar war. Und er hatte definitiv keine Lust in diesem sinnlosen Krieg zu sterben. Allmählich wurde ihm der Feldmarschall auch zu mächtig. Er wusste, dass er als Feldherr mehr Entscheidungen treffen musste. Es war wichtig, dass er die Führung übernahm. In möglichst vielen Punkten. Und er nahm sich vor das in Zukunft auch zu tun. Allerdings wollte er sich wenigstens bei den Hinrichtungen, die er ebenfalls als unsinnig ansah, raushalten. Jeder nehatanische Soldat erwartete nun die Tötung der Überlebenden. Weil Mixtli ständig davon gesprochen hatte. Chantico wollte sich wenigstens dabei die Hände nicht schmutzig machen.
Der Hauptmann der pravinischen Garnison von Laros hatte keine Ahnung, was man mit ihm und seinen Männern vorhatte. Man fesselte ihm die Hände hinter dem Rücken und schließlich auch die Beine zusammen. Und dann tat man etwas, das er sich in seinen schlimmsten Alpträumen niemals hätte vorstellen können. Zwei Männer packten ihn an den Schultern, hoben ihn hoch und setzten ihn dann mit dem Hintern auf den Bambusstumpf. Schmerzhaft bohrte sich der Bambus in seinen Anus. Der Hauptmann schrie auf. Zappelte wie wild. Aber er hatte keine Chance. Immer tiefer trieben sie den gut zehn Zentimeter langen und in etwa zwei bis drei Zentimeter breiten Bambusrest in seinen Darm.
Einer der Nehataner trieb hinter dem Delinquenten einen langen Holzpfahl in den Boden. Anschließend fesselte man den Oberkörper des Hauptmannes an diesem fest, so dass er keine Möglichkeit hatte auch nur annähernd wegzukommen.
Tränen stiegen dem Führer der besiegten Garnison in die Augen. Der Schmerz war unerträglich. Es gab keine größere Erniedrigung, keine größere Demütigung. Und keinen größeren Schmerz. Sein Schließmuskel versuchte den Fremdkörper abzustoßen. Aber es gelang ihm nicht.
Der Hauptmann wusste, dass dies einer der grausamsten Tode sein würde, den er und seine Männer sterben würden. Er wusste, wie schnell der Bambus wuchs. Wie Spargelspitzen brachen jüngere Pflanzen durch das Erdreich und erreichten im Laufe ihres Lebens eine Wuchsgeschwindigkeit von rund einem Fuß pro Tag. Und wegen dem schnellen Wuchs waren sie als Rohstoff so beliebt. In gut einem Tag würde dieser Bambus sich einen Fuß weit in seinen Körper bohren. Eine grausame Vorstellung. Wann er sterben würde, das war nicht klar. Ihm war in jedem Fall bewusst, dass er innerlich irgendwann verbluten würde. Hoffentlich früher als später.
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