Arik Steen
Serva II
Volksverrat
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Arik Steen Serva II Volksverrat Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog
Der 8. Tag
Der 9. Tag
Der 10. Tag
Der 11. Tag
Der 12. Tag
Der 13. Tag
Der 14. Tag
Impressum neobooks
Königspalast Hingston,
Palasthof,
Sieben Jahre zuvor ...
König Leopold schaute zufrieden auf den Platz und beobachtete seine Soldaten, wie sie nach und nach die gebundenen Schriften hineinwarfen ins Feuer warfen.
«Hast du es überhaupt gelesen?», fragte Königin Elisabeth.
Leopold schüttelte schockiert den Kopf: «Bei den Göttern, nein. Natürlich nicht!»
«Wie kannst du dann bestimmen, dass sie verbrannt werden sollen?»
«Der Priester hat es gelesen. Und bei den Göttern. Er war entsetzt! Seit Tagen sitzt er hinter verschlossenen Türen, lässt niemanden zu sich. Diese Schriften müssen verbrannt werden!»
«Was ist so schlimm daran?», fragte Elisabeth: «Fantasien einer Frau. Sexuelle Fantasien, die ...»
«Genug!», Leopold unterbrach seine Gattin barsch: «Wir wollen darüber nicht sprechen. Wie mir zu Ohren gekommen ist, hat auch der König der Shivas die Schriften der Serva Fronicka verboten. Jetzt wo die Werke auch Manis erreichen, war es nur eine logische Konsequenz, dass wir ebenfalls dieses Schandwerk vernichten und verbieten!»
«Eine Sklavin, die über ihre sexuellen Fantasien schreibt. Bei den Göttern, was ist daran schlimm?»
«Sie schreibt, dass sie sich freiwillig ihrem Herrn unterwirft. Und er sie fesselt und schlägt!»
«Eine Frau, die sich freiwillig unterwirft? Eine Frau, die freiwillig eine Sklavin eines Herrn ist? Bei uns ist Sklaverei erlaubt, aber es freiwillig zu tun ist verboten?»
«Es ist die Art, wie sie sich unterwirft. Mit ihrem Körper. Sie frönen der Fleischeslust ...»
Elisabeth lachte spöttisch auf: «Als würden in unserem Reich nicht alle Herren, die Sklavinnen haben, diese auch vögeln. Und sie macht es freiwillig. Ich verstehe nicht den Sinn dieses Verbotes!»
«Du verstehst das nicht. Wer auch immer diese Fronicka ist, sie ist eine freie Frau. Glaubt man dem Priester, so ist sie sogar adelig. Zumindest steht dies im Text. Und sie entscheidet sich Sklavin zu sein. Damit verrät sie den Stand der Adeligen auf unverschämte Weise!»
«Sie gibt sich einem Mann hin!», seufzte Elisabeth: «Einem, den sie liebt.»
«Hast du es gelesen?», fragte der König aufbrausend: «Oder redest du nur so dahin?»
«Man spricht über diese Schriften!» Königin Elisabeth schaute auf das Feuer. Das letzte Werk wurde nun Opfer der Flammen: «Nein, ich habe es nicht gelesen. Aber es gibt Frauen, die diese Schriften gelesen haben und sie durchaus anregend fanden!»
«Wer auch immer diese Fronicka ist!», meinte König Leopold: «Sie muss der Gerichtsbarkeit unterstellt werden. Damit sie aufhört dieses Zeug zu verbreiten!»
«Glaubt man den Gerüchten, dann lebt sie in Galava. Der Stadt der Hüter des alten Wissens!», sagte die Königin: «Und damit im Land der Shivas. Sie untersteht nicht deinen Gesetzen.»
«Nun, auch im Königreich der Shivas sind ihre Schriften verboten, schon vergessen?»
«Die Shivas tun aber nichts gegen die Hüter des alten Wissens, das weißt du. Viele aus diesem Orden bekleiden sogar Ämter in deren Land.»
«Nun, sei es drum. Ich werde ein Gesetz erlassen, dass solche Schriften bei Strafe verboten sind. Sowohl sie zu verfassen, als auch sie zu besitzen!», sagte der König, schaute noch einmal in die Flammen und ging dann Richtung Palast.
Königin Elisabeth blieb stehen. Sie starrte auf das Feuer. So richtig verstehen konnte sie es nicht. Ja, es waren erotische Schriften. Aber was war schlimm daran?
«Königliche Hoheit!», sagte eine Hofdame vorsichtig.
Elisabeth drehte sich um: «Ja?»
«Ich habe ein Exemplar!», flüsterte die Bedienstete.
«Nicht so laut!», Elisabeth schaute sich um: «Tatsächlich?»
«Ja!», meinte ihre Hofdame und wollte unter ihren Rock greifen.
«Nicht hier!», wehrte die Königin ab: «Bringt sie in meine Gemächer!»
Die junge Dame nickte und verschwand dann schnell Richtung Eingang zum Palast.
Königin Elisabeth schaute sich um und sah den Jägersmann, der neben dem Feuer stand und zuschaute, wie die Soldaten der königlichen Palastwache die Schriften der Fronicka verbrannten. An seiner Hand hielt er einen Jungen.
Sie ging zu ihm: «Alois, richtig?»
«Königliche Hoheit!», erwiderte er und senkte den Kopf: «Ja, ich bin Alois. Was kann ich für Euch tun?»
«Ist das dein Sohn, Jägersmann?», fragte sie und schaute Buben an.
«Ja. Alexander. Ein aufgeweckter Kerl. Und er hat ein hohes Interesse an der Jagd. Sicherlich wird er Euch irgendwann mit dem gleichen Eifer dienen und für die königliche Majestät auf die Jagd gehen!»
«Das hoffe ich doch!», sagte die Königin: «Ich bereite morgen einen Empfang. Dazu bräuchte ich Wildbret. Sprich mit dem Koch, was du besorgen kannst. Und wenn du Hilfe bei der Jagd braucht, dann sprich mit dem neuen Kommandeur. Sag, dich schickt die Königin persönlich. Viel Zeit bleibt ja nicht!»
«Werde ich tun, königliche Hoheit!»
«Und du, hör auf deinen Vater, Knirps!», sagte sie zu Alexander und kniff ihn in die Wange: «Wir wollen doch, dass du ein großer, starker Mann wirst!»
1
Land der Pravin,
Laros, südlichste Stadt
Wenn du immer nur Frieden gekannt hast, dann kannst du dir den Krieg nicht vorstellen. Er ist nun mal nicht nur der Kampf zwischen Soldaten, was schon schlimm ist, sondern es steckt viel mehr dahinter. Mit ihm geht Gewalt und Terror einher. Krieg ist wie eine Krankheit, die dein Immunsystem lahmlegt und dafür sorgt, dass noch viele andere Krankheiten eine Angriffsfläche finden. Vergewaltigung, Mord, Unterdrückung, Plünderungen und vieles mehr. Krieg ist eine Seuche. Sie vergiftet die Herzen und das Land.
Der Hauptmann der Garnison in Laros starrte in Richtung Anhöhe. Gemeinsam mit einem Unteroffizier stand er auf dem einzigen Wachturm.
Dort oben vermutete er den Feind. Noch hatte er sich nicht in Stellung gebracht. Aber es war nur eine Frage der Zeit. Und dann würde Laros überrannt werden.
Seine Familie war längst weg. Er war nicht verheiratet, aber er hatte Eltern, eine Tante und einen Bruder. Sie waren schon los. Aufgebrochen Richtung Norden. Er würde sie nie wiedersehen, dessen war er sich bewusst. Er, der Befehlshaber der Truppen in Laros, würde heute sterben.
«Wir haben das Problem, dass nicht alle gehen wollen!», meinte der Unteroffizier.
Der Hauptmann der Garnison schaute seinen Untergebenen irritiert an: «Was? Aber ... wir werden förmlich überrannt werden! Das muss allen klar sein!»
«Manche wissen das. Andere wollen es nicht wahrhaben. Unsere Stadt ist in einem Ausnahmezustand! Ich kann sie ja wohl schwer mit Peitschen aus den Häusern treiben!»
Der Hauptmann drehte sich um und blickte über die Dächer von Laros. Vor seinem inneren Auge sah er die Häuser bereits in Flammen aufgehen. Die Nehataner waren ein grausames Volk. Ja, es gab überall Gute und Böse. Aber das Volk der Nehataner hatte eine grausame Seele, die ihren König wiederspiegelte. Und nun zog das Böse wie eine dunkle Wolke über Pravin.
Er konnte nichts tun. Wer in seinem Haus bleiben wollte, der musste eben mit dem Schicksal zurechtkommen. Er musste damit rechnen getötet oder versklavt zu werden. Vermutlich war Ersteres deutlich angenehmer.
Читать дальше