„Ich weiß, Sir“, erwiderte der blonde Hüne mit einem feinen Lächeln auf seinen Lippen. „Ihr Herr Vater pflegte dergleichen des öfteren zu mir zu sagen.“
„Na gut, dann bringen Sie mir schon meinen Mantel. Ich werde gehen … wenn auch nur unter Protest!“, schimpfte Harris. Allerdings musste er selbst dabei schmunzeln.
„Und nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich gedenke, mich gnadenlos zu betrinken!“, fügte er dann noch mit grimmig entschlossener Miene hinzu.
„Viel Erfolg dabei, und viel Vergnügen für den Tag danach“, war des Butlers kurze und trockene Antwort auf die ‚drohende‘ Ankündigung seines Chefs.
Kurz darauf schloss sich die Tür des Penthouse hinter Harris. Aufatmend lehnte sich Herbert, der Butler, daneben gegen die Wand.
Das war wieder einmal geschafft!
Sein Boss und die Verpflichtungen der Gesellschaft – das war wie Feuer und Wasser. Kopfschüttelnd begab sich der Butler in die Küche, um einen kleinen Spätimbiss für seinen Chef vorzubereiten. Danach suchte er sein Zimmer auf. Er würde noch ein wenig Fernsehen, sich einen kühlen Drink genehmigen, um dann in aller Ruhe ins Bett zu gehen. Morgen wartete wieder ein langer Tag auf ihn, und er wusste aus Erfahrung, dass ein verkaterter Chef ein besonders anstrengender Chef zu sein pflegte.
Es kam, wie es Taylor M. Harris im Voraus befürchtet hatte. Die vielen Menschen, die Reichen und die Schönen auf der Party, bedrückten ihn. Er kannte zwar viele von Ihnen persönlich, doch wenn es sich nicht gerade um geschäftliche Dinge handelte, wollte er in der Regel nichts mit diesen Leute zu tun haben.
Die Oberflächlichkeit der Gäste und der überwiegend nichts sagende Partytalk ödeten Ihn Abgrundtief an.
So hielt er sich meist gelangweilt irgendwo Abseits und nippte ab und zu an seinem Drink, einem viel zu süßen und schlecht gemixten Mai Tai. Ein original Schottischer Whisky wäre ihm bedeutend lieber gewesen. Doch das konnte ihm hier nicht geboten werden. Aus irgendwelchen, kaum nachzuvollziehenden lokalpatriotischen Gründen gab es lediglich amerikanischen Bourbon. Damit konnte man Harris allerdings jagen!
Gelegentlich wechselte mit dem einen oder anderen Gast der Höflichkeit halber ein paar belanglose Worte, während er in Gedanken schon überlegte, wie lange er wohl noch bleiben müsste, um nicht unhöflich zu erscheinen.
„Man sieht dir an, dass du dich absolut Königlich amüsierst“, erklang da plötzlich eine warme und volltönende, weibliche Stimme hinter ihm. „Etwas mehr Selbstbeherrschung in der Öffentlichkeit, mein lieber Taylor. Deine Gesichtszüge drohen zu entgleisen!“
Taylor Harris wirbelte herum und sein Blick fiel auf die attraktive Erscheinung einer etwa 29-jährigen Frau. Feuerrotes, glänzendes Haar, das in dichten Locken bis auf die atemberaubenden, vom Schulterfreien Kleid nicht verborgenen Schultern fiel, umwallte ein fröhlich lachendes, sommersprossiges Gesicht, aus dem ihm zwei intensiv grüne Augen frech zuzwinkerten.
„Sheila ..!“ ,rief er auf das angenehmste überrascht aus.
Er breitete seine Arme aus, und die beiden umarmten sich zur Begrüßung.
„Sheila Armstrong – wo kommst du denn auf einmal her?“, erkundigte er sich dann bei seiner langjährigen Freundin, die er allerdings schon einige Wochen nicht mehr gesehen hatte.
„Ach du weißt ja, man sagt mir nach, dass ich das zweite Gesicht hätte“, erwiderte sie mit betont geheimnisvollem Unterton in ihrer Stimme.
„Hier dabei, oder zu Hause im Nachttisch?“, wollte Harris darauf frech grinsend von der unverkennbar Irisch stämmigen Frau wissen.
„Uff!“
Auch das kam von ihm. Diesmal war es eine Reaktion auf den Rippenstoß, den ihm die Rothaarige versetzt hatte.
„Schuft!“, rief sie lachend. „Aber gut, dann will ich dir mal reinen Wein einschenken“, fügte sie noch hinzu.
„Ein kleines Vöglein der Gattung Herbertinum Butlerius hat mir da was zugeflüstert. Nämlich, dass es einen Ort gäbe, an dem sich Jemand, den ich persönlich gut kenne, gar entsetzlich langweilt. Und sozial eingestellt, wie ich nun mal bin, eilte ich sogleich zu dessen Errettung herbei.“
„Der gute Herbert ...“, schmunzelte Harris.
„Ich glaube, ich sollte mal wieder sein Gehalt erhöhen.“
Etwas lauter und zu Sheila gewandt, sagte er dann:
„Damit scheint der heutige Abend ja doch noch gerettet zu sein. Hast du schon eine Idee, was wir damit anfangen?“
„Wir werden gepflegt Essen, Trinken und Tanzen gehen. Mike kennt ein tolles Restaurant. Er wartet übrigens unter vor dem Haus auf uns.“
Nun ging erneut ein fröhliches Strahlen über Taylors Gesicht.
„Mike?“, fragte er freudig überrascht nach.
„Mike Iron? Mein guter, alter Mike? Er ist auch hier? Das ist ja sagenhaft! Unsere Superclique wäre dann ja wieder einmal komplett. Das wird ja wirklich noch ein wundervoller Abend.“
Taylor M. Harris war wirklich begeistert. Mike Iron und er waren mehr als gute Freunde. Einige Jahre lang waren sie sogar Lebenspartner gewesen. Mike kam allerdings nicht gut damit zurecht, der Mann an der Seite eines Multimilliardärs zu sein. Das Leben im Focus der Öffentlichkeit hatte ihm gar nicht behagt und sehr zugesetzt. So trennten sich die Wege von ihm und Harris wieder. Doch trotz all dem verband sie nach wie vor eine innige Freundschaft. Mikes Beruf als Bodyguard brachte es allerdings mit sich, dass sich die Beiden oft Monate nicht sahen. Um so mehr freute es ihn, dass er jetzt unten vor dem Gebäude auf ihn und ihre gemeinsame Freundin wartete.
Taylor hakte sich bei Sheila ein. Anschließend schlenderten beide unauffällig in Richtung des Ausgangs. Nachdem sie sich noch einmal davon überzeugt hatten, dass niemand sie beachtete, schlüpften sie rasch durch die Tür hinaus und strebten den Aufzügen zu. In dem Trubel würde es vermutlich gar nicht auffallen, dass der Milliardär sich schon von der Party verabschiedet hatte.
Harris Mantel hing zwar noch in der Garderobe, aber es war zum einen nicht kalt draußen, und zum anderen würde er am nächsten Morgen einen seiner vielen Angestellten vorbeischicken können, um ihn abzuholen zu lassen.
Unten vor dem Haus trafen die zwei auf Mike Iron, der schon ungeduldig auf sie wartete.
Mike, dem man seinen Beruf eines Bodyguards ansah, groß, bullig und breitschultrig, wie er war, begrüßte Taylors sehr herzlich und mit einer ausgiebigen Umarmung.
„Es ist wirklich schön, dass du auch dabei bist, Mike!“, rief Taylor über das ganze Gesicht strahlend aus. „Wir haben uns ja schon Monate nicht mehr gesehen!“
„Ich freue mich auch, dich zu sehen, Taylor“, erwiderte der attraktiv aussehende Mann und grinste den Freund aus seinem schwarzen Vollbart heraus an.
„Es ist wirklich viel zu lange her, seit wir das letzte Mal ein wenig Zeit miteinander verbracht haben! Darum habe ich auch sofort 'Ja' gesagt, als die liebe Sheila mich anrief und mir vorschlug, dass wir dich von dieser langweiligen Party entführen. Zum Glück habe ich auch gerade Zeit, weil mein letztes Engagement gerade beendet war, und ich noch keinen neuen Job an Land gezogen habe.“
„Es freut mich wirklich wahnsinnig, Mike“, sagte Taylor zu seinem Freund.
„Wohin wollt ihr mich denn nun entführen?“, erkundigte er sich sodann. „Sheila hat da zwar schon so ein paar Andeutungen gemacht, aber die Katze noch nicht so richtig aus dem Sack gelassen.“
Taylor strich sich mit seiner linken Hand über die kurz geschnittenen, dunkelblonden Haare und blickte dabei seinen Freund erwartungsvoll an.
Dieser grinste geheimnisvoll, was durch seinen kurz getrimmten, gepflegten, schwarzen Vollbart besonders gut zur Geltung kam. Er deutete mit dem Daumen seiner rechten Hand nach hinten über die Schulter.
„Da hinten, nur ein paar Häuserblocks weiter, gibt es ein urig-gemütliches Lokal. Es heißt „The Smugglers Cave“, und ist absolut originell eingerichtet. So mit Schatztruhen, Fischernetzen, Wrackteilen. Die Räume selbst hat man wie richtige kleine Höhlen gestaltet. Das Essen dort ist einfach Spitze. Seafood par excellence! Zudem spielen die da immer recht gute Musik, und zwar mit verschiedenen Live-Bands. Nicht zu leise, aber auch nicht zu laut, so dass man sich beim reden anschreien müsste.“
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