Nie hatte er eine Lernstunde in der großen Bibliothek des Palastes besucht und seit Tyrannus und die Dunklen an der Macht waren, war den Menschen der Zugang zum Palast verwehrt worden, in der sich die große Bibliothek mit ihren unzähligen Büchern befand. Gerne hätte er diesen Ort aufgesucht, doch in der jetzigen Zeit war das unmöglich.
Über dem Tisch fand er dutzende Gläser mit toten Tieren, oder Teilen von Tieren, Pflanzen und andere befremdlich wirkenden Stoffen, die er nicht identifizieren konnte. Vor Ekel zog sich sein Magen zusammen. Was war dieser Xian nur für ein Mensch und wozu benötigte er das alles? Ein Blick in den Kessel beantwortete ihm seine Frage. Wenn ihm seine Augen keinen Streich spielten schwamm dort ein pelziger Fuß eines Tieres.
Das war zu viel für seinen Magen und zu dem Fuß gelangte nun auch noch sein halb verdautes Abendessen.
Er hatte genug gesehen, befand er. Genug um seine Mutter davon zu überzeugen, dass ihr Geliebter nicht der war, der er vorgab zu sein. Nur was beabsichtigte Xian an diesem abstrusen Ort? Das war die Frage, die sich ihm am meisten aufdrängte, doch erst mal musste er zusehen, dass er hier wieder hinaus kam. Er machte auf dem Absatz kehrt und lief von diesem widerwärtigen Ort zurück den Gang entlang zum Schrank. Gerade, als er wieder in diesen steigen wollte, setzte sich der Schrank abermals in Bewegung und zu seiner Überraschung stand nun Xian direkt vor ihm, gleichermaßen überrascht.
Ehe Darian reagieren konnte, packte Xian ihn fest am Unterarm und zischte
>>Wie bist du hierher gelangt? << Anstatt zu antworten, versuchte er verzweifelt, sich loszureißen, doch sein Gegenüber hielt ihn eisern weiter fest. Eindringlich sah er Darian in die Augen und wiederholte seine Frage >> Wie bist du hierher gelangt? Antworte mir, oder ich muss mir sie auf unangenehmere Art und Weise von dir beschaffen! << Mit einem Kopfnicken deutete er auf den Schrank, hinter dem seine Mutter weiterhin fest zu schlafen schien. >> Ich habe Euch gehört, als Ihr den Kleiderschrank betätigt habt, also habe ich nachgesehen und bin selber hierher gelangt. << erwiderte er trotzig. >> Wenn Mutter das hier erfährt, wird sie endlich einsehen, dass ich im Recht lag, was Eure Wenigkeit anging! Eure Zeit hier bei uns ist abgelaufen! <<
>> Deine Mutter wird mich wegen deiner lächerlichen Unterstellungen nicht verlassen, das weißt du genauso gut wie ich. Zumal sie es sowieso nie erfahren wird, da ich dich nicht einfach gehen lassen werde. Also wirst du erst mal ein Weilchen hier unten bleiben, bis ich weiß, was ich Schönes mit dir anstellen werde. << Mit diesen Worten zog er Darian zurück in den Raum, der sich vergeblich gegen Xian wehrte und sich zu befreien versuchte. Am Ende dieses Gerangels landete er an einer Wand. Gefesselt an Händen und Füßen hing er dort, wie ein nasser Sack, sodass sich das kalte Metall in seine Gelenke bohrte. Während er versuchte, eine möglichst ‘‘ bequeme ‘‘ Position zu finden, sah Xian nach dem Gebräu, nickte zufrieden und wandte sich wortlos zum Gehen, während Darian alleine zurück blieb.
Finn wartete ungeduldig auf seinen Vater. Er hatte das Essen schon vor Minuten fertig zubereitet und wollte endlich anfangen. Sein Magen verdaute sich bald selbst, zumindest fühlte es sich so an.
Hiram hatte ihn, kurz nachdem Darian die Schmiede verlassen hatte, schon hoch in ihre Wohnung geschickt, wo er sich um ihr Abendessen kümmern sollte. Entnervt erhob er sich vom gedeckten Tisch um nach seinem Vater zu sehen. Wahrscheinlich räumte er jedes kleine Werkzeug genau an seinen Platz, oder besah sich nochmals seine angefertigten Stücke. Hiram lebte seinen Beruf Tag und Nacht, deswegen war er auch der Beste in der ganzen Stadt, wofür Finn ihn sehr bewunderte. Doch bezweifelte er, dass er eines Tages in seine Fußstapfen treten konnte.
Finn stieg die Treppe zur Schmiede hinunter und stellte verblüffte fest, dass Hiram nicht dort aufzufinden war. Vielleicht holte er noch etwas Feuerholz aus dem Hof, obwohl er das vorhin schon erledigt hatte. Doch sein Vater war ein Perfektionist und wenn ihm etwas nicht passte, behob er den Fehler. Kopfschüttelnd spähte er durch einen Schlitz in der Tür, er wollte nicht unnötig Kälte mit ins Haus bringen, er fror sowieso schon genug. Doch auch im Hinterhof konnte er keine Menschenseele erkennen und langsam keimten Sorgen in ihm auf. Wo war Hiram denn noch hin? Neuen Stahl wollte er morgen mit Darian besorgen, zudem war es dafür bereits zu spät. Am Abend war es viel zu gefährlich um noch auf der Haupthandelsstraße, die quer durch die ganze Stadt verlief, seine Waren anzupreisen. Jeder wusste, dass die Dunklen dort am häufigsten ihre Runden zogen. Mit einem mulmigen Gefühl spähte er hinaus durch ein Fenster auf die menschenleere Gasse.
Wo zum obersten Tyrannus war sein Vater abgeblieben? Um sich etwas abzulenken, ergriff er eines der vielen Schwerter und vollführte ein paar Schwünge damit. Wie üblich ließ es sich gut führen und lag perfekt in seiner Hand, doch konnte er sich nicht auf die Übungen, die Hiram ihm gezeigt hatte, konzentrieren. In einer freien Minute übte er oft und gerne mit den Klingen, die im vorderen Bereich der Schmiede zum Verkauf standen und wurde immer besser. Manchmal, wenn wenig Betrieb in der Schmiede herrschte, erlaubte sein Vater, Darian und ihm ein paar Kämpfe, jedoch mit ungeschliffenen Waffen und oft erlangte er den Sieg über seinen Freund.
Besorgt schaute er abermals aus dem Fenster, immer noch keine Spur von seinem Vater. Er kam zum Entschluss, nach ihm zu suchen, er konnte hier nicht einfach weiter warten und Wurzeln schlagen. Warum um alles in der Welt hatte Hiram noch das Haus verlassen? Seufzend ging er hoch und zog sich zusätzlich noch eine dicke Jacke über, griff sich unten ein Schwert aus der Halterung, womit er sich alles andere als sicher fühlte und öffnete die Tür. Draußen war es vollends dunkel, doch konnte er keine Fackel entzünden. Zu gefährlich war es von einer Gruppe der Dunklen entdeckt zu werden. Nicht nur vor Kälte zitternd betrat er die kleine Gasse im Handelsviertel und wartete kurz, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann wandte er sich in die Richtung der Haupthandelsstraße, eine Hand immer am Schwertknauf. Glücklicherweise kannte er jede dieser verwinkelten Gassen auswendig und fand auch im Dunkeln schnell zu seinem Ziel. Die Minuten verstrichen und endlich bog er in die große, gepflasterte Straße ein, wo täglich viele Händler der Stadt mit ihrer Waren anboten. Auch diese Straße war wie ausgestorben und mit schnellen Schritten eilte er zu einem hohen Haus, in dem der Händler Lönning wohnte, von dem sie das Metall kauften. Der Händler war ein guter Freund seines Vaters, vielleicht wusste er ja, wo Hiram sich zu dieser späten Stunde noch befand.
Entschlossen klopfte er an die große Tür des Hauses und einen Augenblick später hörte er Schritte eine Treppe hinunter gehen. >> Welcher Unhold klopft zu solch später Stunde noch an meine Pforte? << hörte Finn die unverkennbar hohe Stimme von Laurentius Lönning durch die Tür dringen. >> Ich bin es, Finn, der Sohn des Schmiedes Hiram. Ist mein Vater noch zufällig bei Euch, oder wisst Ihr, wo ich ihn finden könnte? <<
>>Nein ich weiß nicht, wo dein Vater ist. << bellte es von drinnen zurück.
>> Und nun mach, dass du nach Hause kommst, zu solch später Stunde sollten Burschen wie du draußen nicht mehr unterwegs sein! << Danach hörte er, wie sich die Schritte wieder entfernten. Für Laurentius Lönning war das Gespräch damit beendet und Finn war keinen Schritt weiter. Wahrscheinlich hatte der Händler Recht, er sollte wieder nach Hause und auf seinen Vater warten, doch wenn Hiram auf eine Patrouille Dunkler gestoßen war und Hilfe benötigte? Nein, Lönning war ein Feigling der sich in seinem Haus verriegelte, sobald die Sonne unterging. Er musste weiter nach seinem Vater suchen, doch die Stadt war groß und Finn hatte keine Ahnung, wohin er als Nächstes gehen sollte. Vielleicht konnte Darian ihm weiterhelfen. Also lief er in Richtung des Armenviertels, in dem sein Freund zusammen mit seiner Mutter und deren Geliebten wohnte, den Darian nicht ausstehen konnte. Oftmals erzählte dieser Finn von seinen Sorgen, genau wie er Darian alles anvertrauen konnte, was ihn plagte.
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