“Sie ist groß”, merkte General Nishimura an. “Wirklich groß.”
Tanja Olnarewa nickte. “Einhundertundzwölf Meter lang. Fast ein Drittel mehr, als bei den bisherigen Kreuzern. Trotzdem nur 34 Mann Besatzung. Der Kreuzer hat vier Raketenstarter. Zwei im Bug, zwei am Heck. Dazu eine Gatling-Schnellfeuerkanone hinter der oberen Radarblase sowie jeweils eine an der Ober- und Unterseite des Bugs.”
“Und einen HE-Laserturm”, bemerkte Admiral Han.
“Zwei”, korrigierte die Russin. “Beide an den Seiten des Schiffes, in Höhe der Kommandobrücke. Typ Sieben.”
“Es gibt keinen Hochenergie-Laser Sieben.” Prenauld blickte etwas genauer auf den flachen Turm des Lasergeschützes. Er bemerkte eine schüsselartige Ausbuchtung, direkt hinter dem Mündungskristall des fast zehn Meter langen Laufes. “Da hol mich doch... Sie lenken den Abstrahlimpuls durch Reflektoren, um ihn zu verstärken und dann erneut abzustrahlen, nicht wahr?”
Olnarewa nickte und Howard strich sich nachdenklich über das Kinn. “Zum Teufel, daran haben wir schon seit drei Jahren gebastelt, aber es hat nie geklappt. Ständig sind uns die Mündungskristalle zerschmolzen.”
“Die Siebener benötigen keinen Mündungskristall. Eigentlich ist es kein Laser, bei dem die Energie bis zur Sättigungsgrenze gespeichert und dann erst abgestrahlt wird. Genau genommen, arbeitet der HE-7 mit einem Plasmastrahl.”
Einige der Anwesenden nahmen sich in diesem Augenblick sicher vor, den eigenen Waffenforschern einmal gründlich in den Hintern zu treten.
General Ibn Daud betrachtete den weißgrau schimmernden Rumpf des Schiffes, an dessen Flanken deutlich die Flagge der Russischen Föderation aufgemalt war. “Mir fällt noch etwas anderes auf. Sie haben nicht die klassischen Düsen am Bug. Nur diese etwas versenkten Rohre. Neuer Antrieb?”
Tanja Olnarewa wies auf die Pjotr Amassov . “Neuer Antrieb. Das Schiff fliegt mit Cherenkov-Aggregaten. Die alten Plasmatriebwerke dienen zwar immer noch zum manövrieren, geflogen wird jedoch mit dem neuen Antriebssystem. Die Versuche mit einem kleinen Ein-Mann-Testschiff ergaben eine maximale Geschwindigkeit von ... 150.000 Kilometern pro Sekunde.”
“Völlig unmöglich“, entfuhr es Han. “Das ist fast halbe Lichtgeschwindigkeit. Zudem würde der enorme Andruck die Besatzung als Marmelade über die Bordwände verteilen.“
„Jas, das war ein großes Problem“, gestand die Russin. „Wir mussten eine Kombination aus Tank und Andruckliege konstruieren, damit man die enorme Beschleunigung übersteht.“
“Ich schätze, unsere Chancen sind gerade erheblich gestiegen”, warf Nishimura ein und rieb sich erregt die Hände. “Verdammt, wann kann sie losfliegen?”
“Wir arbeiten mit Hochdruck. Aber es wird noch zwei Wochen dauern. Und ich muss gestehen, wir können nicht garantieren, dass alles reibungslos gelingt. Das Testschiff funktionierte, aber die Pjotr Amassov hat noch keinen Probeflug absolviert.”
Jean Prenauld nickte zustimmend. Im letzten Jahrtausend hätte man bei russischen Prototypen wahrscheinlich noch eine Katastrophe vorausgesetzt. Aber man wusste, wie sehr sich die russische Forschung in den letzten Jahrzehnten entwickelt hatte. Der Beweis lag ja vor seinen Augen.
“General Olnarewa, wird die Russische Föderation uns die Pläne der neuen Systeme zur Verfügung stellen?”
Olnarewa zögerte kaum. “Bevor wir hierher flogen, habe ich von der Präsidentin der Föderation die Erlaubnis eingeholt. Während dieser Besichtigung werden die neuartigen Konstruktionsunterlagen bereits an die UNO ausgehändigt.”
Jean Prenauld nickte erleichtert. “Was wir hier sehen, das lässt alle bisherigen Schiffe veralten. Es ist an der Zeit, neue Wege zu gehen und dies zu organisieren. General Olnarewa, wie lange haben Sie für den Bau dieses Schiffes benötigt?”
“Ohne die Konstruktionszeit und die Erprobungen? Zwei Jahre.”
Prenauld warf den anderen Stabsoffizieren einen langen Blick zu. “Schön. Zukünftig müssen wir es in sechs Monaten schaffen.” Er machte eine Eingabe auf seinem Computer. “Packen wir es an. Wir haben, verdammt noch mal, eine verdammte Menge Arbeit vor uns.”
Auf dem späteren Rückflug zur Erde sahen Prenauld und seine Begleiter die Zukunft schon in einem etwas helleren Licht. Die Pjotr Amassov erschien ihnen als ein Quantensprung in der Raumfahrt. Allerdings würde man viele Schiffe dieses Typs benötigen und dies bedeutete auch, dass man viele Werften brauchte, um das Vorhaben in möglichst kurzer Zeit zu bewerkstelligen.
Noch vor der Landung waren die ersten Vorschläge und Berechnungen fertig, und kaum hatte das Shuttle aufgesetzt, machten sich Prenauld und seine Begleitung auf den Weg zum UNO-Generalsekretär Mbuto Sangales.
“Der Mond? Warum der Mond?” Sangales sah die Offiziere überrascht an. “Haben Sie eine Ahnung von den Kosten, den langen Transportwegen?”
General Ibn Daud antwortete für General Prenauld. “Montage im freien Raum hat zwei grundsätzliche Probleme. Zum Einen, die lebensfeindlichen Bedingungen, und zum Anderen, die fehlende Schwerkraft.”
“Und Sie benötigen speziell ausgebildete Arbeitskräfte, um im Raum etwas zu montieren, Herr Generalsekretär”, ergänzte Prenauld.
“Aber ist es denn nicht leichter, die schweren Teile in der Schwerelosigkeit zu handhaben?” Dr. Verenkötter graute vor dem enormen Aufwand, auf dem Mond Werftanlagen zu errichten und diese dann mit allem zu versehen, um Raumschiffe bauen zu können.
“Sehen Sie, Herr Dr. Verenkötter, das Gewicht mag scheinbar fehlen, aber die Masse des Gegenstandes ist immer noch vorhanden. Und, wie gesagt, wir brauchen eine Menge Arbeitskräfte.”
“Sie wollen also vier Schiffswerften auf Luna errichten? Innerhalb von…”, Dr. Verenkötter blickte auf den Entwurf der Offiziere, “… nur sechs Monaten mit der Schiffsproduktion beginnen? Grundgütiger, dieser ganze Aufwand, und bis alles bereit ist, da ist doch wohl schon alles erledigt. Ich meine, Sie haben doch zwei Träger beim Mars, oder? Es ist doch alles schon beendet, bevor die Werften überhaupt produzieren können.”
“Und wenn nicht? In vier Stunden erreichen Yorktown und Moskva den Marsorbit.”
“Dann warten Sie doch, bis wir wissen, was die Schiffe ausrichten.” Mbuto Sangales sah die Militärs beschwörend an. “Neue Werften und Schiffe zu bauen, das erfordert Zeit und kostet Unsummen. Dabei sind die Finanzlage und die Wirtschaftssituation, durch den sich abzeichnenden Energum-Mangel, bereits sehr angespannt. Ja, ich weiß, welche Einwände Sie haben. Ich bitte Sie ja auch nur, das Gefecht der Träger abzuwarten. Möglicherweise ist der Feind dann geschlagen und wir brauchen all das nicht mehr. Ich versichere Ihnen, wenn die beiden Träger es nicht schaffen, dann werden Sie ihre Werften bekommen.”
“Sehen Sie, Herr Generalsekretär”, meldete sich der Japaner Nishimura zu Wort, “die Zeit drängt. Auf dem Mond haben wir nur ein Sechstel der Erdenschwere. Die Arbeiter haben genug Schwerkraft, um mit dem Material leicht hantieren zu können und dennoch sicher zu arbeiten. In vier Stunden erreichen die beiden Träger den Mars. In der derzeitigen Position des Mars zur Erde beträgt die Übertragungszeit einer Funknachricht fast zweiundzwanzig Minuten. Wir hören also in frühestens viereinhalb Stunden, was sich dort oben ereignet hat. Wahrscheinlich erst später. Herr Generalsekretär, Sie mögen nun sagen, es seien ja nur ein paar Stunden, aber die Zeit für uns drängt und Zeit können wir uns, im Gegensatz zu Werften und Schiffen, nicht kaufen. Jede Stunde, die wir an Zeit gewinnen, ist für uns kostbar.“”
Mbuto Sangales pochte sachte auf den Tisch. Dann schüttelte er, mit einem Ausdruck des Bedauerns, den Kopf. “Wir vertagen diese Sitzung bis morgen Früh. Dann wissen wir mehr.”
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