»Ja, zu Essen habe ich nichts für dich – noch nicht.«
Einen Schritt näher.
»So ist es gut, immer vorsichtig sein, nicht einfach losstürmen.« Noch ein Schritt näher. Die Nase berührte leicht die Finger. »Ruhig, ich möchte dich nur streicheln.«
Der Kopf schob sich auf die Hand und weiter hoch auf den Unterarm. Vorsichtig begann Uhra, das Tier zu kraulen. Seine zweite Hand bewegte er langsam, so dass das Pferd sie sehen konnte, in Richtung Hals. Der Rotschimmel machte einen Schritt zurück. Uhras Hand verharrte in der Luft. Auf der Seite am Hals konnte der Priester einige rote Striemen sehen, die in der Farbe des Fells nur schwer auszumachen waren.
»Bist du verletzt? Ist das der Grund, warum du dich so abweisend verhältst, meine Beste?«
Ein Ohr wurde angelegt.
»Artemesea bejan golon.« Ein leichter blauer Schimmer lief von der Hand des Priesters aus über den Kopf hin zum Hals und verschwand in der unscheinbaren Wunde.
Die Stute hob den Kopf, tänzelte einige Schritte zurück, spürte sie doch, dass hier etwas mit ihr passierte, was sie nicht kannte. Da der Heilzauber schnell und effizient wirkte, konnte man sehen, wie das Pferd sich entspannte. Uhra wartete, es würde sich nicht auszahlen, wenn er jetzt keine Geduld bewies. Die Stute müsste den ersten Schritt machen, dann wäre er sich sicher, sie würden gut zusammenpassen. Sie kam wieder näher, legte erneut den Kopf auf die Hand, Uhra suchte, konnte aber keine Wunde mehr sehen. Seine zweite Hand machte sich erneut auf den Weg zum Hals des Pferdes, der Kopf hob sich, ein wenig nur, Uhra konnte die Bewegung zu Ende führen, seine Hand auf den Hals legen.
»Wie macht ihr das?«, fragte der Händler, der sich gerade umdrehte und nur sah, dass das Pferd sich anfassen ließ.
Uhra ging nicht auf die Frage ein, sagte stattdessen: »Ich nehme sie! Wie viel wollt ihr für die Stute?«
»Hm, Euch mache ich einen besonderen Preis – für achtzig Goldmünzen gehört Sie euch.«
»Achtzig Goldmünzen, wenn ihr mir Sattel samt Decke, Taschen und Zaumzeug dazugebt.«
»Dann würde ich ein schlechtes Geschäft machen. Mit dem Sattel und allem neunzig Goldstücke!«
Uhra drehte sich um, ließ das Pferd los und antwortete: »Dann wünsche ich Euch noch viel Spaß mit dem bissigen Pferd – möge keiner Eurer Kunden zu Schaden kommen.«
Als ob die Stute die Worte des Priesters verstanden habe, schnappte sie nach dessen Ärmel. Erschrocken wollte der Händler das Pferd schlagen, doch der Schlag wurde abgefangen. Uhras Hand hielt das Handgelenk des Pferdehändlers umklammert.
»Zweiundachtzig Goldstücke, mein letztes Angebot.« Der Händler schaute mürrisch, wollte schon aufbrausen, besann sich aber in letzter Sekunde. Sollte der Kerl doch sehen, wie er mit diesem störrischen Vieh zurechtkommen würde. »So sei es!« Uhra ließ das Handgelenk los und reichte dem Händler die Hand zur Besiegelung des Handels.
Sie gingen zum Unterstand des Händlers, wo der Priester das Geld abzählte. Dafür bekam er einen Sattel samt Zaumzeug, eine Decke und eine Satteltasche, die Qualität der Ausrüstung war nicht die beste, aber fürs erste würde es reichen.
Der Gehilfe des Händlers hatte in der Zwischenzeit die Stute aus dem Gatter geholt und vor das Zelt geführt. Der Rotschimmel tänzelte leicht, war nervös, Uhra ging zu ihr, nahm dem jungen Mann die schlichte Trense aus der Hand. Er nahm das neu erstandene Zaumzeug, hielt es in Richtung von Astara; so hatte Uhra die Stute in Gedanken getauft. Astara schnupperte an den Sachen, blieb aber stehen, ließ Uhra gewähren. Gleiches geschah mit dem Sattel und den Satteltaschen.
Mit leichter Hand nahm Uhra die Zügel, machte sich zu Fuß auf den Weg, die anderen zu finden.
Der Halbelf und der Elf hatten ebenfalls Pferde für sich entdeckt, die sie als passend für sich ansahen. Während Nyander ein schwarzes Pferd für sich erspähte, so war für Adderlin klar, dass nur der gefleckte Hengst das richtige Tier für ihn war. Da es zwei verschiedene Händler waren, mussten sie einzeln um den Preis feilschen. Auch hier ging es um Sattel, Zaumzeug und Taschen, auch hier wollten die Händler naturgemäß mehr Gold, als diese Tiere wert waren, aber nachdem klar wurde, dass die Händler keine Unwissenden vor sich hatten, gestalteten sich die Verhandlungen zielgerichtet und es wurde nur noch um die Extras gefeilscht. Nyander waren dunkle, am besten schwarze Taschen wichtig, wohingegen es bei dem Elf um einen guten Sattel ging.
»Layndrovil sollst du heißen – der, der auf dem Wind reitet!« Stolz ging er mit dem fertig gesattelten Pferd zu Nyander, der nicht minder erfolgreich, aber günstiger ein nachtschwarzes Pferd erstanden hatte. Der Rappe wies ein Stockmaß von fünf Fuß vierzig auf, war somit eine Handbreit größer als Layndrovil. Die beiden Hengste beschnupperten sich eingehend und entschieden sich dann, sich erst mal zu ignorieren. Der Gescheckte war ein paar Jahre älter als der Schwarze, vom Gemüt deutlich ruhiger. Der Rappe war stolz, stark und impulsiv, man würde sehen, wie sie sich gegenüber der Dame benehmen würden.
Die Stute erschien einige Minuten später neben Uhra, ohne, dass der Priester sie führen musste. Wie erwartet war der Schwarze als erster bei der Stute, um sich zu präsentieren. »Tarkess – ruhig!« Nyander hatte sich für einen Namen aus dem Süden entschieden. Ein Name, der, so konnte der Elf mit seinen Kenntnissen des südlichen Akzents es deuten, bedeutete so viel wie »Flügel der Nacht«.
Mit seiner Erfahrung und dem ihm eigenen Willen, bekam der Halbelf sein neues Pferd schnell unter Kontrolle. »Ruhig, du kannst bestimmt später der Lady zeigen, was du für ein toller Hengst bist.«
Uhra musste grinsen, freute sich über die schönen Pferde, die sich die beiden Freunde gekauft hatten.
»Habt ihr etwas für Gwendolin und Hagen gesehen?«
»Noch nicht, wir waren gerade mit unseren fertig.«
»Na dann los, bevor Gwen und Hagen eher fertig sind als wir.«
Gemeinsam gingen sie durch die Reihen mit den Ferchen, fanden aber nicht sofort, wonach sie suchten. Uhra wurde unruhig, er wollte nicht noch mehr Zeit verlieren, sondern sofort aufbrechen, sollten die Magierin und der Nordländer auftauchen.
Eine braune Stute und ein grauer Hengst waren die zwei Pferde, welche die Reitergruppe schließlich komplettierte. Der breitschultrige Hengst würde den großen Nordländer gut tragen können, kräftige Beine und eine gute Gesundheit machten ihn perfekt. Gleiches galt für die Stute, sie besaß eine schmale Statur, ein nicht so großes Stockmaß, an Kraft stand sie den anderen aber in keiner Weise nach.
Zusammen mit den fünf Pferden machten sie sich auf den Weg in Richtung des Nordtores. Dort würden sie noch Proviant kaufen und auf die Packtaschen verteilen. Sollten Hagen und Gwen noch nicht da sein, wäre noch Zeit für eine Suppe oder eine kleine Mahlzeit. Zügigen Schrittes bahnten sie sich den Weg durch die Menschen. Der Strom von Bauern, Händlern und Reisenden war auch zu dieser fortgeschrittenen Stunde noch nicht versiegt.
Kurz vor dem Tor gab es eine Suppenküche, der geeignete Ort um die anderen nicht zu verpassen und gleichwohl zu Abend zu essen. Die Auswahl war übersichtlich, der Duft verlockend und die Portionen ausreichend.
Die drei Freunde hatten sich gerade gesetzt und den ersten Löffel gekostet, da stand Hagen vor ihnen, schaute fragend: »Wo ist meine Suppe?«
Mit vollem Mund und wenig Respekt kam die launische Antwort des Halbelfen: »Ich dachte, du hast heute schon genug gegessen. Ist das ein Bauch, der da unter deinem Hemd hervorlugt?«
Uhra musste prusten, kleckerte mit den Nudeln. »Geh und hol dir was. Weißt du, was Gwen möchte? Wo steckt sie eigentlich?« Der Elf deutete hinter sich, dorthin, wo die Suppenausgabe war. Seine Augen suchten in der Menschenmenge nach der Magierin.
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