Auf jeden Fall hoffe ich, dass meine Reise unbemerkt geblieben ist. Ich werde niemandem erzählen können, was mir widerfahren ist. Es würde mir ja ohnehin niemand glauben.
Ich hoffe, der Spuk hat jetzt ein Ende. Und ich hoffe, dass ich keinen Schaden angerichtet habe.«
»75. Terranus.
Hat das denn nie ein Ende? Womit habe ich das nur verdient?
Ich werde schon wieder von Alpträumen geplagt. Diesmal sind sie jedoch anders. Sie sind zwar auch bedrohlich, aber bei Weitem nicht so schrecklich wie die vorhergehenden. Außerdem sind sie unterschiedlich. Ich glaube, sie haben etwas mit den Dingen zu tun, die gerade geschehen sind, nachdem ich durch das Zeittor geschritten bin. Ich muss Dinge gesehen haben, die mein Kopf im Wachzustand verdrängt hat. Gesichter, Orte, Gespräche und Namen. Das alles sehe und höre ich in meinen Träumen, aber alles ist äußerst verschwommen. Jemand spricht auch in diesen Träumen zu mir, doch ist es nicht dieselbe Stimme wie früher. Es sind mehrere Stimmen, die gleichzeitig zu mir sprechen. Die Stimmen klingen so wie die meine.
Es ist fast so, als ob jemand versucht, mir in meinen Träumen etwas mitzuteilen. Versucht, meine Erinnerung wiederzubeleben. Ich habe Dinge gesehen, die nicht für meine Augen bestimmt waren. Ich weiß nicht, was es zu bedeuten hat. Dass es nichts Gutes ist, fühle ich aber.«
»77. Terranus.
Die Träume gehen weiter. Immer mehr Information bekomme ich durch sie. Nur jedes Mal, wenn ich wieder aufwache, verblassen die Bilder, die ich gesehen habe. Eines ist aber sicher: Etwas Böses ist im Gange. Eine Verschwörung dunkler Mächte.
Und dann sehe ich immer wieder eine Person, die mir unbekannt ist. Sie ist jedoch nicht Teil des Bösen. In meinen Träumen bekämpft sie es.
Ich habe jetzt keine Angst mehr vor diesen Träumen. Ich muss herausfinden, was ich gesehen habe. Meine Träume sind der Schlüssel zur Wahrheit«.
» 78. Terranus.
Bei den Ahnen! Wenn es wahr ist, was ich in meinem letzten Traum gesehen habe, dann wird etwas Schreckliches passieren. Ich kann es mir noch nicht genau erklären, aber ich habe eine Vermutung. Es ist ein verwirrendes Spiel, das das Böse hier treibt. Es geht um Macht über ... wie soll ich es beschreiben? Macht über alles , über unser aller Leben, über den ganzen Planeten! Ich benötige vielleicht nur noch einen Traum, dann werde ich wissen, worum es hier geht. Wer für meine neuen Träume verantwortlich ist, weiß ich zwar nicht, aber ich bin mir sicher, dass man mir versucht zu helfen, eine Katastrophe zu verhindern. Eine Katastrophe, die ich durch meine Reise zum Zeittor ausgelöst habe.
Ich fühle mich so schrecklich und habe furchtbare Angst.«
»79. Terranus.
Es ist noch viel schlimmer, als ich es mir je hätte vorstellen können. Und das Allerschlimmste ist, dass ich der Auslöser für alles Unheil bin, das über uns kommen wird. Ich bin benutzt worden. Benutzt von diesem abscheulichen Widerling. Seine Namen kenne ich nicht, aber das ist jetzt ohne Bedeutung. Er war es, der mich dazu gezwungen hat, das Zeittor zu aktivieren. Er will es haben. Das ist es, was ich in meinen Träumen wahrgenommen habe. Er will es aus seinem Versteck entwenden. Und ich habe ihm dabei geholfen, es zu finden und zu öffnen.
Ich habe mich gefragt, warum er mir den Schlüsselstein nicht einfach gestohlen hat, um ihn dann selbst zu benutzen. Die Antwort ist einfach: Er war zu feige, das Tor selbst zu öffnen, weil er Angst hatte, es könnte ihn umbringen. Jetzt, da ich diese Arbeit für ihn unfreiwillig erledigt habe, ist er großer Hoffnung, das Zeittor stehlen zu können. Wenn er es in die Hände bekommt, ist er fähig, zum mächtigsten Wesen der Welt zu werden.
Eine uralte Macht verbirgt sich in diesem Tor. Ich habe sie gespürt. Sie darf nicht befreit werden.
Ich habe keine Zeit mehr für lange Erklärungen. Ich muss versuchen, meinen Fehler wieder gutzumachen. Vielleicht bin ich in der Lage, alles wieder rückgängig zu machen. Dazu muss ich noch einmal zurück zum Zeittor.
Ich habe noch demjenigen, der mir ebenfalls in meinen letzten Träumen erschienen ist, eine Nachricht zukommen lassen. Falls ich meine Träume richtig interpretiert habe und ich scheitern sollte, ist er der Einzige, der die Sieben Inselwelten vor dem Untergang noch retten kann. Ich werde ihm diesen Stimmenkristall hier in meinem Haus lassen. Ich glaube, dass er hier am sichersten ist, denn ich kann niemandem mehr trauen - auch das habe ich in meinem letzten Traum erfahren. Von diesem Scheusal, das mich benutzt hat, habe ich nichts mehr zu befürchten, denn es braucht mich ja nicht mehr und giert jetzt nur noch nach dem Tor. Es glaubt, nichts mehr befürchten zu müssen.
Und was den Fremden angeht, dem ich den Brief geschickt habe, und dem meine letzte Hoffnung gilt: Er heißt ‚Antilius’. Diesen Namen werde ich nie vergessen. Mein letzter Traum hat mir den Namen verraten.
Und damit spreche ich Euch jetzt direkt an, Herr Antilius:
Wenn ich nicht zurückgekehrt sein sollte und Ihr diese Nachricht gefunden und gehört habt, dann sucht meine Tochter auf. Sie wird Euch Weiteres erklären können. Bitte glaubt mir, dass ich es sehr ernst meine. Ich betone noch einmal ausdrücklich, dass Ihr womöglich die letzte Hoffnung seid, für mich und für ganz Thalantia. Bitte helft mir und sprecht mit meiner Tochter. Ihr werdet sie in der Dichtergilde finden.
Und noch etwas: Ich weiß, dass er Euch bereits wahrgenommen hat. Vermutlich habt Ihr ihn auch schon in einem Eurer Träume gesehen. Dort hält er sich gerne auf. Oh, wie sehr ich ihn dafür hasse!
Ich hoffe, mein Brief hat Euch erreicht und überzeugt, Herr Antilius. Ich breche jetzt erneut zum Zeittor auf, um es zu zerstören, bevor er es missbraucht.
Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.«
Als der Kristall schließlich nach einem unangenehmen Rauschen verstummte, legte sich eine beunruhigende Stille über das Haus des Sternenbeobachters. Keiner wusste in diesem Augenblick, was er von dieser außergewöhnlichen Botschaft halten sollte.
Sogar Gilbert verschlug es die Sprache.
Am stärksten traf es aber Antilius. Brelius hatte angegeben, dass Antilius ihm in seinen Träumen erschienen war. Sogar seinen Namen wusste er. Woher? Und dann noch dieser mysteriöse Fremde, der das aktivierte Zeittor stehlen wollte, und der ihn anscheinend auch kannte. Sofort fiel ihm wieder sein absonderlicher Traum ein, den er auf der Schifffahrt gehabt hatte. Sollte dieser Unbekannte, der Brelius in seinen Träumen heimgesucht hatte, wirklich der gleiche sein, der sich in seinen Traum gedrängt hatte? Der Gedanke beunruhigte ihn zutiefst.
»Pais, kannst du mir das erklären? Was hat das alles zu bedeuten? Ich hoffe, dies sollte ein Scherz sein, und wenn es so ist, dann finde ich ihn nicht besonders komisch«, sagte er mit starrem Blick auf den Kristall.
»Ich versichere dir, das war kein Witz. Ich selbst bin völlig überrascht von dieser Botschaft. Nein, ich bin schockiert. Nach dem, was ich da gehört habe, kann ich kaum glauben, dass es Brelius aufgezeichnet haben soll.«
»Hast du die Stimme wiedererkannt? Glaubst du, es war nicht Brelius?«
»Doch, das war er. Da bin ich mir völlig sicher. Nur das, was er erzählt hat, ist einfach unglaublich.«
»Unglaubhaft«, warf Gilbert ein. »Ihr werdet doch nicht diesem Märchen Glauben schenken. Ich meine, der erzählt irgendetwas von Zeitreisen, Zeittoren und großem Unheil, das uns alle überkommen wird. Der Typ ist verrückt! Das ist doch völlig klar.«
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