Erst jetzt bemerkte Shana, dass genau elf fremde Gesichter auf sie gerichtet waren. Plus eins, deren Begegnung sie immer noch verfolgte. Es waren alles junge Männer. Zwischen achtundzwanzig und sechzehn, riet sie. Keiner der Männer war dick oder unsportlich. Im Gegenteil: Sie sahen alle sehr fit und zum Teil athletisch aus. Shana fand auch keinen der Männer unattraktiv. Bis auf die dreckige Poolratte! Die Wut verschaffte ihr erneut einen Kloß im Hals. „Shana, ich habe dir ja versprochen, dass ich dir alles erzähle.“ Ob ich diese Antworten wirklich haben will?! Seit dem Tod ihrer Mutter hatte ihr Vater nicht mehr so gestrahlt. „Und hiermit fange ich an: Diese stattlichen Kerle sind deine Brüder.“ Luca schob sie vor einen jungen Mann. „Das ist Raphael, der Älteste.“ Er hatte lange dunkelrote Haare, die er ordentlich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Seine dunkelblauen Augen blitzen durch die Brille und komplettierten das Bild. Er sah aus wie ein frisch gebackener Professor. „Dann kommen Kain, Abel und Raul, unsere Drillinge.“ Der Reihe nach reichten ihr die jungen Männer die Hand. Es war erstaunlich wie unterschiedlich lang die Begrüßungen ausfielen. Genauso wie das aussehen! Die Drei sahen sich kaum ähnlich. Wahrscheinlich zweieiige Drillinge. Oder nennt man das dreieiig? Kain hatte kurze schwarze Haare und trug ebenfalls eine Brille, die seine wallnussbraunen Augen etwas verschwimmen ließ. Abel hatte schneeweißes Haar und hatte den gleichen Schnitt wie sein Drillingsbruder, seine Augen waren graugrün. Raul passte nicht ganz in das Bild. Er hatte Straßenköter blondes Haar, dass er etwas länger als seine Brüder trug. Seine Augen leuchteten wie zwei Saphire, tief und unergründlich. Er wirkte ziemlich grimmig, im Gegensatz zu den anderen Beiden, die sich nach der Begrüßung wieder fröhlich dem Billardtisch widmeten.
„Der stramme Bursche hier ist Conlin, mein fünftes Kind.“ Mit nicht minderem Stolz fuhr Luca fort und klopfte Conlin mit zu viel Anlauf auf den Rücken, sodass er unfreiwillig einen Ausfallschritt machte. „Es freut mich sehr, Shana. Ich hab’ schon viel Gutes von dir gehört.“ Als Shana ihm die Hand gab, spürte sie seine Wärme. Sein Gesicht sah so warmherzig aus, dass Shana ihn ohne ein Wort anstarrte. Er hatte kurze, zerzauste Haare, die hellbraun schimmerten. Auch er hatte diese blauen Augen wie Raul, jedoch wirkten sie an ihm ganz anders. Er sieht aus wie ein Heiliger! „Und dieser junge Mann ist Valentin, Nummer sechs und danach kommt Alexander, der Siebte im Bunde!“ Mit einem breiten Grinsen und geschwollener Brust stellte er sich zwischen sie. „Du hast wunderschöne Haare!“ Ohne zu zögern griff Valentin ihr ins Haar und ließ es durch seine Hände gleiten. Mit verdrehten Augen schob Alexander seinen Bruder zur Seite. Seine rostbraunen Augen blickten entschuldigend auf sie herab. „Tut mir leid, im Grunde ist Val sehr schüchtern aber wenn es um Haare geht ist es was anders. Mich kannst du ruhig Alex nennen und wenn was ist, höre ich dir gerne zu.“ Mit leicht rötlichem Gesicht nickte sie zustimmend. Diese Situation war für sie völlig realitätsfern, dass es auch glatt ein Traum sein könnte. Auch Valentin und Alex sahen sich nicht mal annähernd ähnlich. Valentin hatte weißes Haar, das leicht gelockt auf seine Schultern fiel. Seine Augen schimmerten in einem leichten Violett. Alex dagegen hatte kurze schwarze Haare, die aussahen, als ob er gerade aus einem Tornado kam. Er sah ziemlich wild aus und seine verspielten Augen verstärkten das noch. „Shana, das ist Samuel und Jayden, wie du siehst sind sie unser zweites Zwillingspaar.“ Das sah man wirklich! Beide hatten kurzes, dunkelbraunes, ja fast schwarzes Haar. Ihre Augen waren eine Mischung aus einem Moosgrün und Sonnengelb. Die Pupillen bildeten einen richtigen Kontrast zu den Haaren. Beide hatten ihre Ohren gepierct und in den vielen Ohrlöchern steckten verschiedengroße Ringe. Jayden hatte zusätzlich am anderen Ohr noch ein schwarzes Kreuz. Wahrscheinlich um Verwechslungen zu vermeiden! „Hey, nenn mich ruhig Jay und ihn kannst du Sam nennen!“ Es war offensichtlich, dass Jayden des Öfteren für seinen schüchternen Bruder sprach. So stelle ich mir Zwillinge vor! Der eine ruhig, der andere nicht! Noch immer war bei dieser Vorstellungsreise kein Ende zu sehen. „Das ist Tyler und der junge Mann neben ihm ist Ethan.“
„Zu Schade, dass du meine kleine Schwester bist, das macht es um einiges schwieriger. Naja, was soll´s! Willkommen in der Sarez Villa!“ Polterte Ethan und umarmte sie so innig, als ob sie sich schon seit Ewigkeiten kennen würden. Komplett überfordert ließ Shana es geschehen. „Entschuldige Shana, Ethan kommt ganz nach unserem Vater. Er versucht es bei jeder Frau, halt in seiner Nähe lieber die Augen offen. Sollte er dir trotzdem zu nahekommen, lass es mich wissen!“ Mit eiserner Hand zog Tyler Ethan von ihr, dabei grinste Ethan seine neue Schwester schelmisch an. Tyler hatte das gleiche schokobraune Haar wie Shana. Es war etwas länger als Ethans, was allerdings auch nicht schwer war. Seine blaugrauen Augen schauten verständnisvoll und vertraut. Ethan hatte kurze blonde Haare, die er mit Gel ziemlich wüst zerzaust hatte. Auch er hatte Piercings und zwischen den Haaren sah man ab und zu etwas Stahl an seinen Ohren hervor blitzen. Seine Augen waren braun-grün und leuchteten vor Schabernack. Er ist wirklich süß, der typische Mädchenschwarm! „Wie ich hörte hast du Nico schon kennengelernt. Er ist mit zwanzig Jahren mein jüngster Sohn. Nico komm her und begrüße deine kleine Schwester!“ Es war offensichtlich, dass Nico wenig erfreut war. Stell dich nicht so an, mir geht es auch nicht besser damit! Am liebsten hätte Shana ihm jedes einzelne Wort um die Ohren gehauen aber ihrem Vater zuliebe hielt sie sich zurück. „Du dumme Pute! Geh mir bloß nicht auf die Nerven, kapiert?!“ Nicos verschränkte Arme kombiniert mit diesem hasserfüllten Blick gaben ihr den Rest. „Keine Sorge deine Nähe suche ich ganz sicher nicht freiwillig! Schließlich will ich nicht immer unter Brechreiz leiden!“ „Tzzz, es ist eine Schande so etwas wie dich eine Lebendgeburt zu nennen!“ „Nico es reicht! Kannst du dich bitte wenigstens einmal benehmen?! Shana ist deine Schwester, Schluss aus!“ Lucas Ton ließ keinen Platz für Einwände. Schmollend verzog Nico sich wieder zur Dartscheibe. Geh ruhig, deine Anwesenheit brauch kein Mensch! Leicht triumphierend beobachtete sie, wie ihr Bruder in die Ecke verschwand.
Danach schaute sie sich noch mal ihre neue Familie an. Alle lächelten sie freundlich an, außer Nico, aber damit konnte sie leben. Ich habe eine neue Familie. Eine große neue Familie! sinnierte Shana. Ich weiß nur noch nicht, ob das was Gutes oder Schlechtes ist. Sofort schämte sich Shana für diesen gemeinen Gedanken. Bei dem zweiten Blick durch die Runde bemerkte sie, dass sie genauso wenig ins Bild passte. Sie war ca. 1,68 womit sie die Kleinste ihrer Geschwister war. Ihre vollen schokobraunen Haare hatte sie wachsen lassen. Inzwischen verdeckten sie problemlos ihre Brüste. Ihre dunkelbraunen Augen passten ideal zu ihrem Haar. Sie war schlank und hatte ebenfalls eine sehr sportliche Figur. Obwohl ich gar keinen Sport mache, danke Gott für diese guten Gene! „Es freut mich wirklich euch alle kennen zu lernen. Ich hoffe wir kommen gut miteinander aus!“ Sie hielt kurz inne. Ein wahnwitziger Gedanke formte sich in ihrem Kopf. „Aber eine Frage habe ich noch. Wie hast du es geschafft in so kurzer Zeit so viele Kinder zu bekommen? Du bist doch selbst erst 35, das ist unmöglich! Außer du wärst ein Gigolo, dann vielleicht aber…“ Auf einmal beginnen alle im Saal lauthals an zu lachen. „Schau Mäuschen, das ist der zweite Teil. Nur schon mal vor ab, ich bin so einiges aber ein Gigolo ganz gestimmt nicht! Es hat eher mit was Anderem zu tun. Wie du wahrscheinlich nach dem einen Vorfall mit Nick erlebt hast, bist du nicht wie die anderen Menschen.“ Sein Liebevoller Blick aktivierte den Trotzkopf in ihr. „Rick! Er hieß Rick, Dad!“ Ohne viel darauf zu achten winkte er ab. „Ja dann eben Rick, ist doch nicht wichtig. Kennst du die Geschichten von Dämonen?“ lenkte Luca ein. „Ja. Alles Ammenmärchen und man soll nichts davon glauben!“ „Nun ja das habe ich gesagt, stimmt. Allerdings sagte ich das nur deiner Mutter zu Liebe. Shana unsere Familie ist schon seit Anbeginn der Zeit ein Teil Dämonen Adelsfamilien. Sowohl ich als auch jeder deiner Geschwister ist ein Vollblut-Dämon. Deine Mutter wollte, dass du ein ganz normales Leben als Mensch führen kannst. Deswegen habe ich ihr versprechen müssen nichts zu sagen. Da jedoch deine Kräfte beginnen zu erwachen, finde ich es besser dir reinen Wein einzuschenken auch wenn das bedeutet, dass ich das Versprechen letztendlich brechen muss. Deine Mutter…“ „War sie ein Mensch? Wieso wollte sie das geheim halten? Warum habt ihr mich denn nicht vorgewarnt, dann wäre das alles mit Rick nie passiert!“ unterbrach Shana Luca empört. „Ja, Laura war ein Mensch. Sie wollte nicht, dass du von den Vollblut-Dämonen ausgeschlossen wirst, weil du nun mal ein… also …“ „Sag es doch! Ich bin ein Halbdämon! Hast du mir deswegen nie erzählt, dass ich Geschwister habe?“ „Weil du es dann erfahren hättest. Du sagtest doch selbst: Es ist unmöglich. Das ist es selbst mit einer so ausgeprägten Manneskraft wie meiner!“ Grunzend blickte er an sich hinab, wobei ihre Brüder nur die Augen verdrehten. Oh Mann, das Bild bekomme ich nicht so schnell wieder weg!
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