Durch ein lautes Räuspern unterbrach sie den in Erinnerungen schwelgenden Mann. „Ach verzeiht! Sie müssten dann Lady Landero sein, nicht wahr? Mein Herr unterrichtete mich, dass Sie ebenfalls kommen würden.“ Alfons ging auf Ashley zu und schüttelte ihr freundlich die Hand. „Ich werde Ihnen auf unserem Rundgang auch Ihren neuen Wohnort zeigen. Sie wohnen mit mir im unteren Geschoss. Ich hoffe, dass ihnen das recht ist, Lady Landero. Es ist zwar nicht so prunkvoll wie diese Räumlichkeiten, jedoch hat es seinen ganz eigenen Charakter.“ Und wie mir das recht ist. Shana war begeistert davon, dass Ashley nicht in Luxus baden würde. Und Ashleys geschockter Blick war ebenfalls gefundenes Fressen für Shana. Damit hatte sie endlich wieder Stoff um Ashley zu zeigen, dass sie nicht ihre neue Stiefmutter werden würde. Nicht mal in 100 Jahren! Triumphierte Shana innerlich.
„Alfons, würden Sie uns endlich die Räumlichkeiten zeigen?“ Ashley spuckte die Worte wie Gift aus ihrem aufgepumpten Mund. Mit einem belebenden Lächeln gab der Butler nach. Alfons zeigte ihnen abgesehen von den Kellerräumen wirklich jeden Raum. Rechts neben dem Eingang war ein riesiger Speisesaal. Dort gab es auch eine Treppe, die zum Garten des Anwesens führte und eine Türe zur Küche. Die Küche war ebenfalls ziemlich groß und im Gegensatz zum Salon sehr modern. Überall waren die neusten Haushaltsgeräte, Pfannen und Töpfe zu sehen. Links vom Eingang war ein Salon, den man aus den ganzen alten Hollywoodfilmen kannte, indem die Oberhäupter der Familien immer dubiose Geschäfte besprachen. Der Raum war wesentlich älter eingerichtet. Das Modernste war wahrscheinlich der Billardtisch in der Mitte des Raumes und die Dartscheibe an der Wand. Hinter der Treppe befand sich ein langer Gang mit vielen Türen rechts und links. „Hier sind einige Schlafräume für Gäste und private Räumlichkeiten des Master Sarez. Es ist natürlich selbstverständlich, dass ich Ihnen dort keinen Einblick gewähren darf. Wenn Sie allerdings den Wunsch verspüren diese Räume zu betrachten warten Sie bitte damit, bis Master Sarez selbst anwesend ist. Er ist nicht besonders gut drauf zu sprechen, wenn man alleine seine Räumlichkeiten aufsucht.“ Alfons argwöhnischer Blick streifte Ashley unentwegt. Die Warnung darin war mehr als deutlich. Schnaubend entfernte sie sich und hetzte die Gruppe weiter. Gut, zu mindestens das hat sie verstanden! Vielleicht besteht ja noch Hoffnung für ihr Botox geplagtes Hirn! Schmunzelnd schlenderte sie hinterher. Am Ende des Ganges war wieder eine riesige, edelverzierte Flügeltüre, die Alfons umgehend öffnete. Was Shana dort zu Gesicht bekam, verschlag ihr schier den Atem. Es war eine uralte Bibliothek mit Unmengen an Büchern, die die unzähligen Bücherregale fast zusammenbrechen ließen. „Wahnsinn die Bibliothek ist ja größer als die Eldener Stadtbibliothek! Wo habt ihr all diese Bücher her?“ So viele Bücher an einem Ort war Shanas ganz persönliche Himmel. „Dieses Anwesen ist schon seit Jahrhunderten im Besitz der Familie Sarez. Mit der Zeit haben sich die ganzen Bücher angesammelt und es kommen immer neue dazu. Milady Shana ihr dürft euch natürlich so oft und so viel hier aufhalten wie ihr es nur wünscht.“ „Ist das ihr Ernst?“ Ich glaube heute ist mein Glückstag!
„Natürlich Milady, schließlich gehört dieser Schatz irgendwann auch Euch. Aber für heute müssen Sie sich mit einem flüchtigen Blick zufriedengeben. Sie haben noch genug Zeit um die Bibliothek zu erkunden.“ Grinste der alte Mann und schloss die Flügeltüren wieder, um mit seinem Rundgang fortzufahren. Wehmütig schaute Shana dem verborgenen Wissensschatz hinterher und schwor sich so schnell wie möglich wieder zu kommen. Nun gingen sie die Treppe hinauf. Als sie oben angekommen waren, staunte Shana nicht schlecht. Dort war ein riesiger Balkon direkt gegenüber der Treppe. Von dort hatte man eine wundervolle Aussicht auf den Garten. Erst nach ein paar Minuten merkte Shana, dass der alte Mann rechts abbog. Dort war wieder ein Flur mit elf Türen. „Hier haben wir einige Gemächer und Toiletten. Milady Shana, Euer Zimmer befindet sich hier.“ Schwungvoll öffnete er eine der mittleren Türen. Es war unglaublich. Shana war wieder einmal sprachlos. Normalerweise war sie nicht so wortkarg, aber dieses Haus raubte ihr einfach die Sprache.
Ihr Zimmer war sehr schlicht gehalten. Links von der Türe stand ein alter Schminktisch mit dem passenden Spiegel darüber. Daneben war eine kleine Kommode und darauf waren allerlei Tigelchen, Schminke und Tücher drapiert. Schräg gegenüber stand ihr Bett. Es war ein einfaches Kastenbett, was in einem schimmernden Schwarz leuchtete. Die Bettwäsche war genau nach ihrem Geschmack. Blau und lila. Sie liebte die beiden Farben und konnte sich nie für eine entscheiden. Neben dem Bett war auf jeder Seite ein Nachtschränkchen mit einer zierlichen Lampe. Gegenüber von dem Bett sah sie einen Erker. Darin befand sich eine Sitzecke, die sich genau den Rundungen des Erkers anpasste. Die Sitzpolster waren dunkel lila, fast schwarz und vor dem Fenster waren blaue Vorhänge, die sich im Wind wiegten. Auf der anderen Seite des Raumes war ein großer alter Kleiderschrank. Er war so groß, dass er die ganze Wandfläche in Beschlag nahm. Ein Stück weiter war eine süße, kleine Sitzecke mit einem Sessel und einer Zwei-Mann-Couch. In der Mitte war ein kleiner Glastisch, darauf eine Vase mit ihren Lieblingsblumen. Rosen. Sie atmete tief ein, um den Geruch der Rosen in sich einzusaugen.
„Ich hoffe Ihnen gefällt ihr neues Zimmer, Milady Shana. Wir haben es nach den Angaben ihres Vaters eingerichtet.“ „Es ist wundervoll!“ Sie war wirklich zu tiefst beeindruckt und auch ein wenig gerührt. Er hat mal wieder voll und ganz ins Schwarze getroffen! Shana kannte es von ihrer Freundin nur zu gut, das leidige Thema, wenn die Eltern mal wieder danebenlagen. Egal was Sophies Eltern ihr auch schenkten, sie trafen nie den Geschmack ihrer Tochter. Deswegen hatten sie sich auch darauf geeinigt, dass Sophie sich die Sachen selbst aussuchen durfte. Shana hatte damit keine Probleme. Ihr Vater hatte den gleichen Geschmack wie sie und selbst, wenn er mal daneben griff - was äußerst selten vorkam - schaffte er es das Ganze gar nicht mehr so schrecklich aussehen zu lassen. Wie war Shana allerdings ein Rätsel. „Es ist wirklich schön hier Alfons. Damit hätte ich nie im Leben gerechnet.“ Shana drehte sich um und lächelte den alten Mann zufrieden an. Der wiederrum das Lächeln erwiderte und sprach „Nun dann bin ich ja beruhigt. Wir hatten ernsthafte Sorgen, dass es Euch nicht gefallen könnte, Milady Shana. Ihr Vater hat halt… Naja… Sagen wir es so. Einen sehr seltenen Geschmack.“ „Das können Sie laut sagen! So etwas Ungeeignetes hätte eine Frau niemals für ihr Kind ausgewählt!“ Neid und Missgunst waren anscheinend Dinge, mit denen die liebe Ashley nicht zurechtkam. Die Genugtuung, die Shana verspürte war unvergleichlich. „Mann bin ich froh, dass du nicht meine Mutter bist!“ Der alte Mann zog eine vielsagende Grimasse. „Wohl wahr Milady, wohl wahr.“ Erwiderte er versöhnlich. Shana merkte, wie sie den alten Mann in ihr Herz schloss. Er ist eine gute Seele!
Alfons, Ashley und Shana fuhren mit der Besichtigung ziemlich schnell fort. Es war noch lange nicht alles gesehen und deshalb wandten sie sich dem linken Flur zu. „Hier befinden sich ebenfalls Gästezimmer und natürlich das große Bad. Wie gesagt das Haus ist schon seit Jahrhunderten in dem Besitz eurer Familie, daher ist manches noch ziemlich altmodisch.“ Erzählte ihnen Alfons, während er die Türe ins Bad öffnete. „Das ist ja wundervoll! So ein schönes Bad habe ich noch nie gesehen!“ Es sah aus wie die Bäder in alten Königsfilmen, wo der Herrscher sich von seinen Sklaven hatte reinigen lassen. Shana wunderte es nicht, dass ausgerechte sowas kitschiges Ashley gefiel. „Wie gesagt, der Herr hat einen äußerst seltenen Geschmack mit dem Hang zur Historie. Master Sarez badet äußerst gerne hier und verbringt manchmal Stunden dort. Allerdings haben wir für diejenigen, die diese Vorlieben nicht teilen auch noch ein wesentlich moderneres Bad.“ Auch, wenn er nicht mehr ganz frisch aussah, war seine Auffassungsgabe erstaunlich. Als würde er meine Gedanken lesen können! Schon echt etwas gruselig. Alfons wandte sich dem antiken Bad ab und ging in die Richtung, von der die Drei kamen. „Nun kommen wir zu meinem persönlichen Lieblingsort: Dem Garten. Miladys, wenn Sie mir bitte folgen würden.“ Entgegnete Alfons mit einem schelmischen Lächeln. Gesagt, getan. Als sie die Treppe zum Garten heruntergingen, dachte Shana sie wäre wo ganz anders gelandet. Der Garten war sehr modern aufgebaut. Es gab einen riesigen Pool und sogar einen anliegenden Whirlpool! Oh mein Gott, wir haben einen Whirlpool!?! Dann sah Shana eine große Pergola, wo ein ellenlanger Tisch mit 20 Stühlen stand und einem modernen Steingrill.
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