Nachdem niemand bereit stand, mir die Tür zu öffnen, drückte ich die Klinke und trat ein. Noch immer befand sich der Entitäten-Kater in meinem Fahrwasser.
Qwertz bemerkte: »Dein Benehmen ist unverschämt. Ich würde nicht einfach so bei anderen Leuten in die Hütte platzen!«
»Ehrlich? Das hast du aber längst getan. Du bist sogar in meinen Kater geplatzt. Was willst du? Ich habe geklopft, gerufen und außerdem ist das sowieso meine Hütte. Also darf ich eintreten!«, brummelte ich. Wieder einmal drängelte sich der Dämon an mir vorbei und folgte den Geräuschen.
»Oh, er muss sie sehr lieben, wenn er ihr beim Kotzen die Haare aus dem Gesicht hält! So etwas machen nur wirklich gute Freunde«, blieb er stehen und kommentierte die Szene.
Harry tat genau das, was der Kater beschrieb. Zudem wirkte er sehr besorgt und klopfte Jule mit der freien Hand sachte auf den Rücken. »Tut mir leid, Ragnor. Ich wollte Jule nicht allein lassen. Hast dich ja schon selbst reingelassen.«
»Äh, richtig!«, meinte ich. »Was ist los? Jule? Geht es dir nicht gut?«, fragte ich überflüssigerweise. Wenn es ihr gut ginge, würde sie nicht vor dem Klo knien und »Jörg« rufen.
»Geht schon wieder«, winkte sie ab und erbrach noch einmal.
»Sieht aber nicht danach aus«, sagte ich kritisch.
Selbst der gut gebräunte Harry wirkte seltsam blass. »Vielleicht hat Jule etwas Verkehrtes gegessen«, mutmaßte er. »Ich müsste längst weg sein, Herr Kiesbert von Dreistein kommt. Er nimmt Salomons Ring das Zertifikat ISO 9001 ab. Ich habe Barbiel erst einmal damit betraut, ihn in Empfang zu nehmen, bis ich zur Ablösung komme. Ich hoffe, es ist bei ihr nur eine vorübergehende Magen- und Darmgrippe«, wedelte Harry mit Jules Zopf herum, als wäre dieser ein Dreschflegel.
»Ja, hoffen wir, dass es Jule bald besser geht«, nickte ich.
»Herrje!«, sagte Qwertz. »Von welchem Baum seid ihr beide denn heruntergefallen? Noch nicht daran gedacht, die Gute könnte zufälligerweise schwanger sein und deshalb kotzen?«
»Potzblitz!«, sagte ich.
»Donnerlittchen!«, sagte Harry.
»Knalltüten!«, sagte der Kater.
»Wir bekommen ein Baby?«, fragte Jule hocherfreut.
»Eine sprechende Katze?«, sagte Harry… »Wahrhaftig, du sprichst! Bist du das, Bastet?«
»Bist du das, Haremhab?«, fragte Qwertz. »Jessas, ich dachte, du wärst nur irgendein Haremhab, nicht der Haremhab, der Soldatenkönig Djeser-cheperu-Re-setep-en-Re!«
Und ich merkte auf: »Ihr kennt euch? Moment mal, Bastet? Wieso Bastet? Ich dachte, du wärst ein Kerl! Und jetzt nennt er dich Bastet?«
»Ich sagte bereits, ich sei eine Entität. Und die ist weder männlich, noch weiblich. Ich war immer das, als was die Leute mich anbeteten. Na ja, heute nicht mehr, aber damals betete man zu mir. Da die Emanzipation trotz des fortgeschrittenen Erdzeitalters immer noch nicht richtig in die Puschen gekommen ist, bevorzuge ich heutzutage eben die männliche Erscheinungsform. Egal, hier geht es nicht um mich, sondern um ihn«, zeigte er mit der Pfote zum Klo, also in Harrys Richtung. »Unser Haremhab hat das Feiern nun wirklich nicht erfunden. Während seine Pharao-Vorgänger gerne mal auf dem Fest der schönen Trunkenheit die weiblichen Groupies mit in ihre Betten nahmen, zog sich unser Harry recht früh zurück, ehe die Orgie so richtig losging. Immer fleißig und arbeitsam. Hinter seinem Rücken nannten ihn seine Untertanen spöttisch ›Haremhab, den Ediktler‹. Mensch, so ein dröger Kerl. Und ausgerechnet dieser Langweiler musste deine Tochter schwängern?«, fragte der Dämon kopfschüttelnd und grinste wie die Cheshire Katze.
»Hey, lass mal schön Harry in Ruhe. Er ist voll in Ordnung und eben kein Partylöwe. Trotzdem gut, denn einer muss ja schließlich nüchtern bleiben, um den Wagen zu fahren. Er ist wohl der einzige Pharao, der jemals einen Führerschein machte. Klingt cool, oder?: Harry, hol schon mal den Wagen. Übrigens, du Schlaumeier… Woher willst du das mit der Schwangerschaft denn so genau wissen?«, fragte ich neugierig. »Röntgenblick?«
»Ich bin nicht nur für den Rausch der Trunkenheit zuständig, sondern auch für die sinnlichen Freuden, die Fleischeslust und die Fruchtbarkeit. Ich erkenne eine Schwangere, wenn ich sie sehe. Und ich irre mich nie!«, behauptete er stur.
»Wir bekommen ein Kind!«, tätschelte Harry meiner Tochter Jule den Rücken. Vor Freude verschlug es ihr glatt das Kotzen.
»Das habe ich nicht gesagt!«, behauptete der Dämon.
»Aber du sagtest doch, Jule sei schwanger«, vermeldete ich.
»Ja, ihr Hirnakrobaten. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es ein Kind wird. Ist ein Rätsel. Strengt euch mal an.«
»Äh, Moment mal«, monierte Harry. »Sie wird es doch nicht etwa verlieren, oder?«, fragte er ernsthaft besorgt.
»Nein, ich sagte, sie sei schwanger«, erklärte Qwertz geduldig. »Also…?«, winkte er fordernd.
»... bekommen wir ein Kind«, ergänzte Harry.
»Wieso Hirnakrobaten?«, fragte Jule.
»Möchte ich auch gerne wissen!«, grollte ich.
»Ihr kommt noch drauf«, winkte der Kater ab.
»Zwillinge!«, sagte Jule. »Schwanger, aber nicht ein Kind... sondern zwei, also Zwillinge!«
Der Kater nickte anerkennend. »Ich wusste, dass du cleverer bist als die beiden Buttnasen dort zusammen. Da merkt man gleich, wessen Tochter du bist«, nickte er zustimmend. »Aber ich meine damit nicht diesen Quadratschädel, sondern die Frau Mama, von der ich dich übrigens grüßen soll. Jepp, Zwillinge. So ist es. Dabei weiß der Große längst, dass Mehrlingsgeburten in eurer Familie nichts Besonderes sind. Manchmal haben die Kerle wirklich ein riesiges Brett vor dem Kopf. Tja, dann mal meine Gratulation! Übrigens, das mit dem Kotzen, wird bald auch wieder besser werden«, sprach er ihr Mut zu.
»Jetzt wo du Mala erwähnst...«, brachte ich besorgt hervor. »Jule, du hast nicht zufällig in letzter Zeit ungezügelten Appetit auf Menschenfleisch?«, fragte ich misstrauisch.
Meine Tochter wurde ein Tick grünlicher im Gesicht, bückte sich wieder in die Kloschüssel und kotzte. Harry schüttelte verständnislos den Kopf: »Super, Ragnor. Das war ja mal wieder so etwas von taktisch geschickt... Gerade ist ihr Magen ein wenig zur Ruhe gekommen! Lass dir gesagt sein: Bisher hat Jule noch niemanden angefallen, oder etwas aus jemanden heraus gebissen. Zufrieden? Was ist das eigentlich für eine seltsame Frage?«
»Wirklich? Niemanden? Gut, dann ist ja alles in Butter. Keine Ursache«, fiel mir ein Stein vom Herzen.
Der Kater wirkte unruhig. »Ich will ja nicht drängen, aber könntest du mich jetzt bitte zum Magus Ambrosius Pistillum bringen? Es ist nämlich dringlich!«, drängte er ungeduldig.
»Wäre ja noch schöner, einen Dämonen in unsere Firma einzuschleusen!«, blockte ich ab.
»Ich sagte doch bereits, dass ich kein Dämon bin!«, beharrte er drauf. »Ambrosius muss mir helfen!«
»Dann geh erst aus meinem Kater raus! Nimm doch einen von denen da!«, öffnete ich die Tür zu Jules Wintergarten und eine Menagerie der Monstrositäten blickte uns relativ entspannt entgegen. Das Socken-Monster Karlchen (so groß wie ein ausgewachsener Grizzly), der rüsselnde Plork Plorki und der Dodo Alice musterten den Kater mit wachsendem Interesse. Sie erkannten sofort, dass dieser nicht Joey war.
»Nee, lass mal stecken!«, wehrte Qwertz ab. »Unauffälliger geht es wohl nicht, wie? Schließ´ bitte die Tür, ehe mich noch eins von diesen Dingern frisst. Tut mir leid, aber ich muss deinen Kater noch eine Weile in Anspruch nehmen. Wie wäre´s, wenn du Ambrosius davon unterrichtest, dass ich ihn sprechen möchte? Du hast doch ein Telefon, oder etwa nicht?«
Harry nickte. »Du kannst unseres benutzen und apropos unterrichten… Ragnor? Musst du nicht langsam zum Unterricht?«
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