1 ...8 9 10 12 13 14 ...20 Mich störte das nicht. »So! Und jetzt ziehst du dich an, frühstückst und gehst brav zur Schule! Und wehe, mir kommen von deinem Onkel Cornelius Klagen über dich! Solltest du allein nur Dummheiten machen, ist es vorbei mit dem eigenen Zimmer und ich quartiere wieder Ructus bei dir ein! Haben wir uns verstanden?«, fragte ich drohend.
»Ja, Papa...«, quäkte der pitschnasse Teenager ernüchtert und gab sich geschlagen. »Es tut mir leid, das wird nicht wieder vorkommen!«, quietschte er mit seiner kippenden Stimme. Seit Tagen kämpfte er sich durch den Stimmbruch.
»Prima, dann sind wir uns ja einig!«, verließ ich sein Zimmer.
Joey versuchte Schritt zu halten. »Ach, die Hormone! Junge Kerle müssen ihre eigenen Grenzerfahrungen machen! Eine nette Familie hast du da: Eine notorisch-nörgelnde Schwiegermutter, eine über beide Ohren verliebte Stieftochter, einen adoptierten Fehlerteufel, einen halbstarken Dhampir-Sohn, einen phlegmatischen Hund, nicht zu vergessen, den dreibeinigen Riesenhund mit Beinprothese - und einen Kater mit Blumenkohlohr. Ich bin wirklich gespannt, was als Nächstes kommt. Oh, warte… Ich höre da jemanden kotzen!«, kicherte der Dämon.
Wo er Recht hat, hat er Recht. Eigentlich konnte ich ihm nur beipflichten: »Du hast es erfasst. Tolle Mischung, wie? Da bleiben keine weiteren Wünsche offen. Du kennst noch nicht das Socken-Monster, den Plork und den Dodo.«
In einem Punkt hatte er wieder recht. Ich hörte ebenfalls jemanden würgen...
*
Dreierlei Leuten muss man ihre freie Meinung lassen: Herren, Kindern, Narren.
(Deutsches Sprichwort)
In dem Transporter mit den dunkel getönten Scheiben, der unweit des Tores parkte, kam Bewegung auf. »Da, sie fahren heraus! Auf dem Beifahrersitz sehe ich Sascha, deine Flamme!«, sagte Theo, Justins großer Bruder, neckisch.
»Du sollst nicht so abfällig über sie reden!«, knurrte Justin und machte ein paar Fotos von Sascha und ihrer Großmutter im Range Rover sitzend. Er musste Theo derzeit ertragen, weil dieser den VW-Bus steuerte. Justin selbst konnte den Wagen wohl kaum selbst fahren. Mit seinen dreizehn Jahren war er das Nesthäkchen des Trios und viel zu jung, um unauffällig mit dem Bus durch die Gegend zu kurven.
»Du bist wirklich in sie verknallt, stimmt´s?«, fragte Joe, die hinter ihm saß, durch den Feldstecher spähte und dabei enervierend gelassen auf ihrem Kaugummi herumkaute. Er fragte sich, wie sie bei dem Gewackel überhaupt etwas durch das Fernglas erkennen konnte. Seine fünfzehnjährige Schwester Joe nervte gerne andere Leute, überwiegend Justin selbst, der über die Bemerkung seiner Schwester nur abfällig schnaufte.
Leider war das eine nicht ohne das andere zu haben. Joe war nur mit von der Partie, weil sie sich durch rüde Erpressung einen Platz im Bus ergattern konnte. Wären Theo und Justin allein gefahren, hätte sie den Eltern gesteckt, dass Justin die Schule schwänzte, nur um seiner Freundin hinterher zu spionieren. Dass Joe jetzt ebenfalls die Schule schwänzte, war ihr egal, so hielten wenigsten alle dicht. Mitgefangen, mitgehangen. Ihrer Meinung nach, hatte es das Schicksal ebenso schlecht mit ihr gemeint, wie mit ihrem großen Bruder Theodor. Ihre Eltern liebten Antiquitäten, womit sie sogar ein beachtliches Vermögen erwirtschaften konnten. Ebenso liebten sie antiquierte Namen. Joe hasste ihren eigenen Namen, weil er sich total altmodisch anhörte. Johanna, das klang in ihren Ohren, als sei sie dazu bestimmt, eine alte, vertrocknete Ordensschwester zu werden. Also nannte sie sich Joe. Das fand sie wesentlich cooler, weil es ein Lied über einen gewissen Joe gab, welches von einem Kerl gesungen wurde, der seine Gitarre mit dem Mund spielen konnte. Genützt hatte es ihm wenig, er war bereits längst tot, als Joe das Licht der Welt erblickte. Sie beneidete ihren jüngeren Bruder, weil er Glück gehabt, und es nur einem schwerhörigen Standesbeamten zu verdanken hatte, nicht Justus, sondern Justin zu heißen.
Eigentlich hätten sie jetzt die Verfolgung aufnehmen müssen, doch sie wussten nur alle zu genau, wohin Sascha fuhr und da wollten weder Justin, noch Joe hin. Wesentlich interessanter dagegen war die Frage, woher Sascha kam. Jeder von ihnen wusste, wie streng das Gelände gesichert war. Letztens wollten sie endlich das Geheimnis lüften, welches sich so gekonnt hinter dieser Mauer zu verbergen verstand. Also kletterten sie darüber, um in Erfahrung zu bringen, was wohl Geheimnisvolles dahinter lag. Obwohl jeder wusste, dass es auf dem Gelände die alte Irrenanstalt gab, vermuteten sie, es könnte dort einen Hangar mit einem abgestürzten Ufo geben, das auf dem Gelände vor neugierigen Blicken beschützt wurde, damit die Wissenschaftler in aller Ruhe extraterrestrische Alien-Technologie erforschen konnten. Bevor sie der Lösung auch nur ein Quäntchen näher kommen konnten, wurden sie von einem Wachmann aufgegriffen, der einen verdächtig paramilitärischen Eindruck auf sie machte. Er trug sogar eine echte Schusswaffe am Gürtel. Nicht gerade erfreut, derart kalt erwischt worden zu sein, wurden die jugendlichen Eindringlinge, freundlich aber ohne Umschweife, vor das Tor geleitet. Glücklicherweise kamen sie mit der Mahnung davon, sich hier nie wieder blicken zu lassen. Dabei erhaschten sie rein zufällig einen Blick durch eine achtlos offenstehende Tür. Dabei dämmerte ihnen, dass der alte Wachmann, der das Tor bewachte, lediglich als eine Art Strohmann fungierte. Zwei weitere, schwerbewaffnete Leute der Security saßen im Hinterzimmer und beobachteten unzählige Monitore nach verdächtigen Feindbewegungen.
Dieser Umstand machte das aufgeweckte Trio noch einen Tick neugieriger.
Justin erfuhr durch Zufall, dass Sascha eben genau auf diesem geheimnisvollen Grundstück wohnte. Sofort erzählte er es seinen Geschwistern. Sie überredeten ihn, er solle ein gewisses Interesse an Sascha vorheucheln, um sie dazu zu bewegen, Justin bei sich zuhause einzuladen. So könnte er ihnen erzählen, ob es einen Hangar mit Ufos gab, oder eben nicht. Je mehr sie über dieses Mysterium nachdachten, desto mysteriöser erschien es.
Mittlerweile fand Justin allerdings, seine älteren Geschwister steigerten sich ein wenig zu sehr in diese Geschichte hinein. Das Internet tat ihnen definitiv nicht gut. Zudem empfand er inzwischen sein Handeln als schäbig, weil er einiges über Sascha in Erfahrung bringen konnte, was ihm sehr nahe ging. Zum Beispiel, hatte sie erst im Mai letzten Jahres ihre Mutter unter schlimmen Umständen verloren. Traurig fand er es, dass sie schon so jung zur Vollwaise wurde, die nun bei ihrem Stiefvater und ihrer Großmutter leben musste. Justin gestand sich ein, dass er Sascha wirklich mochte, und das, obwohl er eigentlich in einem Alter war, wo man Mädchen noch immer doof zu finden hatte. Außerdem frönten sie beide dem gleichen Hobby. Sie fotografierten gerne und wollten die berufliche Laufbahn eines Fotografen einschlagen. So war es gerade der Besuch der Projektgruppe Fotografie, wo er erfuhr, dass Sascha auf dem geheimnisvollen Ufo-Grundstück wohnte.
Inzwischen kam er sich wie ein Verräter vor. Leider Gottes hörten seine älteren Geschwister nicht mehr auf ihn. Inzwischen entwickelte sich alles zu einem Selbstläufer. Sie drängten, er solle nett zu Sascha sein, damit sie ihn zu sich nach Hause einlud. Als Sascha jedoch mit der Begründung ablehnte, sie dürfe niemanden einladen, da ihr Vater tagsüber schliefe, weil er als Personenschützer nachts arbeiten müsse, drängten Joe und Theo darauf, Sascha wenigstens zu sich nach Hause einzuladen, um sie so besser fachgerecht verhören zu können. Insgeheim hofften sie, Sascha würde sich angesichts des großen Hauses und der geschmackvoll ausgewählten Möbel eingeschüchtert, oder zumindest tief beeindruckt zeigen.
Beim lange erwarteten Besuch zeigte Sascha keinerlei Anzeichen von Demut. Im Gegenteil, sie meinte sogar, ihr Haus sei noch größer, mit wesentlich mehr Zimmern. Zu allen Fragen bezüglich des Grundstücks, legte sie eine eiserne Verschwiegenheit an den Tag, die Theo zu der drastischen Meinungsäußerung führte, Sascha könnte eine Gehirnwäsche erhalten haben, oder selbst ein Alien sein, denn normal sei so etwas nicht.
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