„... wenn man den Fund zu Geld machen will, schon klar.“, beendete Falk ihren Satz. Sie wechselten einen Blick und Falk sprach aus, was Caro dachte:
„Du kannst mir aber auch nicht erzählen, dass jeder Schatzgräber diese Genehmigung hat, und dass jeder Fund auch tatsächlich angezeigt wird.“
Sie stand auf und ging zum Fenster. Ohne Falk anzusehen, erzählte sie:
„Naja, du kennst vielleicht die Himmelsscheibe von Nebra? Die älteste Darstellung des Himmels weltweit. Sie ist von zwei Sondengängern entdeckt worden, in einem Kartoffelacker in Sachsen-Anhalt, und die haben ihren Fund nicht gemeldet. Stattdessen haben sie ihn verkauft, an einen Hehler. Jahre später sind die beiden aber verhaftet worden. Ein Kunstlehrer und eine Museumspädagogin waren das. Ich weiß nicht, ob sie ins Gefängnis mussten, oder nur eine Geldstrafe bekommen haben, aber auf jeden Fall war ihre Aktion illegal und sie sind damit aufgeflogen.“
Sie hörte, dass er ebenfalls aufstand und den Raum verließ. Caro fand ihn auf der Terrasse, wo sein Brot zuende geschmiert hatte, um es dann zu vertilgen. Caro spielte mit dem Gedanken, sich eine Zigarette anzuzünden.
Seit sie das Schwert das erste Mal gesehen hatte, war ihr bewusst gewesen, dass sie hier etwas Besonderes in der Hand hielt, dachte sie, während sie gedankenverloren die Kippenschachtel in den Händen drehte. Es war wie mit einem dicken roten Filzstift umrandet. Eigentlich wunderte es sie gar nicht, dass in dem Brief eine solche Sensation geschlummert hatte. Falk riss sie aus ihren Gedanken und sagte kauend:
„Hätten wir bloß diesen Scheißbrief nicht geöffnet.“
*
Mehrere Sekunden sahen sie sich reglos an. Falks helle Augen, umrahmt von dichten Wimpern und tiefen Augenringen, waren von einem farblosen Blaugrau, wie ein bewölkter Himmel. Caro zündete sich eine Zigarette an. Falk beobachtete sie.
„Du frisst die Dinger ja regelrecht.“, bemerkte er.
Sie atmete den Rauch ein, genoss den leichten Schwindel, und zuckte die Achseln.
„Und du säufst wie ein Loch.“
Sie schwiegen wieder. Aus dem Radio dudelte leise Musik. Dann sagte Falk:
„Die müssen sich echt bescheuert angestellt haben.“
„Wer?“
„Na dieser Lehrer und seine Tussi, als sie die Himmelsscheibe verkauft haben. Ich meine, man kann so was sicherlich auch machen, ohne dass einem die Polizei auf die Schliche kommt. Wenn man über das Internet verkauft, kann man seine Spuren so verwischen, dass kein Mensch das zurückverfolgen kann.“
Ausdruckslos sah Caro ihn an.
„Was ist, wenn wir halbe halbe machen.“, schlug sie dann langsam vor. „Die eine Hälfte vom Schatz bekommst du, und kannst damit machen, was du willst. Und den anderen Teil bekomme ich, ich melde den Fund, sage, ich habe ihn zufällig auf der Leuchtenburg gefunden, weswegen ich keine Genehmigung hatte, und alles geht seinen geregelten Gang.“
Falk antwortete erst, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte.
„Wir wissen doch gar nicht, was es ist, dieser Schatz. Was, wenn es wirklich bloß ein Buch ist. Das kann man schwer teilen.“
„Das stimmt natürlich. Ein gewisses Risiko ist dabei.“
Caro konnte förmlich sehen, wie Falk grübelte. Würde er darauf eingehen? Auf die Suche gehen konnte sie nur mit Falk gemeinsam. Er hatte schließlich das Schwert.
„Es könnten ja auch Goldmünzen sein. Sehr viele alte Goldmünzen.“, murmelte Falk unterdessen. „Was ist so etwas wohl wert, heutzutage?“ Dann plötzlich unterbrach er sich. „Mensch, Scheiße!“
„Was ist los?“, fragte Caro alarmiert.
„Was, wenn diese Karte das Versteck eines wirklich wertvollen Schatzes markiert?“
„Na, das wäre doch super!“
„Verstehst du denn nicht?“, rief Falk. „Denk an Mark!“
Caro begann zu begreifen.
„Du meinst, wenn es um viel Geld geht…“
„Wird’s gefährlich, genau! Wir haben absolut keine Ahnung, was dieser Mark eigentlich mit der Sache zu tun hat. Wer ist der Kerl? Was, wenn er schon hinter dem Lederbeutel und seinem Inhalt her ist?“
„Also aufpassen, wenn dir ein schlecht gelaunter Kerl über den Weg läuft und er zufällig ‚Mark’ heißt.“, scherzte Caro. Sie wurde aber gleich wieder ernst.
„Falk, überleg doch mal: er hat den Brief doch gar nicht erhalten. Also kann er die Schatzkarte auch nicht vermissen, oder?“
„Und warum hat Marie geschrieben, dass es ihr Leid tut? Ich wette, dieser Mark, wusste, was ihm ‚zusteht’. Er hat Marie erpresst und sich an dem Abend in dem alten Haus mit ihr verabredet, um an das Schwert und die Schatzkarte zu gelangen. Und jetzt ist er stinksauer.“
Er hielt inne, dann raunte er düster:
„Was, wenn er sie umgebracht hat?“
„Du machst mich ganz unruhig mit deinem Mark! Maries Tod war ein Unfall!“
„Wir müssen endlich zur Polizei.“, sagte Falk plötzlich entschlossen. „Egal ob da nun eine Fehde mit den Lobdeburgern dahinter steckt oder nicht: hier geht es um irgendwas, und diese Sache ist zu groß für uns!“
Er war aufgestanden und hatte begonnen, auf und ab zu gehen. Caro folgte ihm mit ihren Blicken.
„...den ganzen Mist in die Saale schmeißen...“, murmelte er gerade, doch es klang halbherzig, als würde er es nur noch aus alter Gewohnheit sagen. Herausfordernd blickte Caro ihn an.
„Falk, ich hab ja auch Schiss, keine Frage…“
Sie ließ den Satz unvollendet und wendete sie sich den vorbeitreibenden Wolken zu.
„Wer hat denn gesagt, dass ich Schiss habe.“, hörte sie Falk sagen.
Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie er einen Ball aus einer Ecke der Terrasse klaubte und ihn geistesabwesend mit den Füßen jonglierte. Auf der Straße hörte sie ein Auto vorbeifahren. Dann war es wieder still, bis auf das Rauschen in den Blättern des Apfelbaumes, Vogelgezwitscher und das gleichmäßige Klatschen des Balls auf Falks nackten Füßen.
„Schiss hab ich ja gar nicht….“, brummelte er. „Aber keine Zeit für diesen Unsinn.“
Mit dem Ball unter dem Arm trat er zu ihr an den Tisch.
„Und dir scheint die Sache doch auch über den Kopf zu wachsen. Was ist eigentlich mit diesem Interview? Mit Meister Argot? War das nicht heute Nachmittag? Das hast du wohl vergessen, oder was! Du brauchst wirklich einen Produktionsleiter!“
Caro schreckte in die Höhe.
„Wieso? Wie spät ist es?“
„Gleich zwei.“, sagte Falk, nach einem Blick auf sein Handy.
„Locker zu schaffen, der Termin ist erst um vier. Und außerdem,“, sie begann, die Teller und Tassen zusammen zu räumen „kann dir das doch egal sein. Du schmeißt den Beutel in die Saale und brauchst dich um mein Interview mit Argot überhaupt nicht mehr zu kümmern. Und ich konzentriere mich wieder aufs Thema meiner Sendung.“
Sie trug das Geschirr in die Küche und spülte es flüchtig im Waschbecken ab. Als sie wieder heraustrat, stand Falk immer noch genauso da wie eben.
„Bist du im Stehen eingeschlafen?“
„Wenn wir nur herausfinden könnten, wer dieser Mark ist. Dann wär mir schon viel wohler.“, sagte er, und sah dabei unschlüssig hoch, in den Wald unterhalb des Fuchsturms.
„Meister Argot,“, überlegte er dann, „der könnte doch theoretisch nicht nur Marie kennen, sondern vielleicht sogar wissen, wer mit ‚Mark’ gemeint ist, oder?“
„Wenn seine Familie tatsächlich immer noch den Kontakt zu den Leuchtenburgern gehalten hat, wie vor Jahrhunderten, dann vielleicht. Dann hat er Marie wahrscheinlich gekannt und weiß vielleicht auch, wen sie gemeint haben könnte.“, antwortete Caro vorsichtig.
Falk seufzte tief, dann grinste er.
„Na gut, Fräulein Schubert. Dann versuch es. Mach dieses Interview. Ich bin ja selber gespannt, was dabei herauskommt! Auch was diese Fehde angeht. Natürlich ohne...“
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