„Ja, schon, aber mal im Ernst, warum sollte Marie so ein Bohei um die ganze Sache machen, diesen Brief schreiben, die Karte dazu legen, das geheimnisvolle Zeichen, das Schwert! Überleg doch mal! Dort ist etwas versteckt, und ich denke, es ist wertvoll!“
„Also ich weiß nicht. In dem Hauptgebäude des Burggeländes ist, soweit ich weiß, ein Museum. Es gibt Führungen für Schulklassen, und auch sonst sind ständig Besucher dort. Wenn da was versteckt ist, wäre das doch längst gefunden worden.“
„Nicht, wenn man dafür das Schwert braucht.“, sagte Caro.
Falk seufzte.
„Na gut, dann erklär mir mal, wie ein Schwert ein Schlüssel sein soll für irgendwas?“
„Das Zeichen,“, meinte Caro. „Nicht Argots ‚A’, sondern das andere, das, was wir nicht zuordnen können. Ich denke, man braucht das Zeichen, um den Schatz zu finden. Wahrscheinlich ist es die Markierung für das Versteck.“
„Und was soll sie da versteckt haben?“
„Keine Ahnung.“, sagte Caro ungeduldig. „Das ist doch grade das aufregende! Es könnte alles Mögliche sein. Ich könnte mir auch vorstellen, dass nicht Marie selber es war, die dort etwas versteckt hat, sondern dass sie lediglich davon wusste, und diesen Mark nun darauf hinweisen wollte. Sie war die letzte Nachkommin der Erbauer dieser Burg! Das Schwert ist ganz schön alt, höchstwahrscheinlich aus dem Hochmittelalter. Vielleicht stammt der Schatz ja auch noch von damals.“
Caro begriff nicht, warum Falk so missmutig aussah. Das war doch eine Chance, wie sie sich einem nur einmal im Leben bot!
„Es könnten wertvolle Handschriften sein, Bücher waren damals ein Vermögen wert. Oder Schmuck. Oder Münzen... So wie der Mahlschatz von Tautenburg, ich weiß nicht, ob du davon gehört hast, vor ein paar Jahren wurde dort in einer alten Scheune eine Blechdose mit Goldmünzen gefunden. Ein sogenannter Mahlschatz, weil die Goldmünzen als Kette aufgefädelt waren, die als bäuerlicher Brautschmuck, also zur Vermählung, verwendet wurde. Die älteste Münze stammte aus dem Jahr 1415, es war damit der älteste...“
Falk unterbrach sie:
„Mal angenommen, du hast Recht. Da ist tatsächlich etwas versteckt. Vielleicht ist es sogar wertvoll. Nennen wir es von mir aus sogar Schatz. Aber du kannst mir nicht erzählen, dass derjenige, der einen solchen Schatz findet, diesen auch behalten darf. Dieser Mahlschatz, der verstaubt doch bestimmt auch in einem Museum, und hat dem Finder keinen Cent eingebracht.“
„Die Münzen sind tatsächlich in einem Museum ausgestellt, im Museum für Thüringer Volkskunde in Erfurt. Wir haben mal eine Exkursion dorthin unternommen, im ersten Semester. Ich glaube, der Schatz wurde von einem Bauarbeiter entdeckt, als die alte Scheune in Tautenburg abgerissen wurde. Und um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, ob der Finder des Schatzes etwas dafür bekommen hat. Aber auf jeden Fall ist ein Museum ja wohl der richtige Ort, wenn es sich um eine Kostbarkeit aus dem Mittelalter handelt.“
„Für dich vielleicht.“, sagte Falk. „Du willst wahrscheinlich, wenn wir da auf der Burg tatsächlich was finden sollten, irgendeine wissenschaftliche Abhandlung schreiben und jede Menge Ruhm und Ehre bei deinen Historikerheinis einheimsen. Was weiß ich, vielleicht willst du auch nur deinem tollen Tobi endlich beweisen, dass du auch was drauf hast. Ist ja alles schön und gut, das verstehe ich vollkommen. Aber mir bringt das rein gar nichts.“
Caro dachte, dass er sie ziemlich gut durchschaute, dafür, dass sie sich noch nicht sehr lange kannten. Aber was der konnte, konnte sie auch.
„Und du würdest den Schatz wahrscheinlich auf Ebay verhökern!“, schoss sie ins Blaue.
„Warum denn nicht? Ich bekomme ja auch mein Geld nicht von meinem Papa in den Hintern geschoben.“
Caro wollte etwas erwidern, aber ihr fiel nichts ein. Er hatte ja Recht. Falk hatte unterdessen begonnen, sich ein Brot mit Butter zu beschmieren. Beide hatten bisher noch keinen Bissen gegessen. Dann sah er abrupt auf, legte das Messer weg und stand auf.
„Wir sollten mal herausfinden, was eigentlich passiert, wenn man heutzutage einen Schatz findet. Komm mit, wir schauen im Netz.“
*
In dem Zimmer unterm Dach setzte Falk sich vor seinen Schreibtisch und schaltete den Rechner ein. Caro, die keinen zweiten Stuhl im Zimmer entdecken konnte, stellte sich hinter ihn und wartete, dass er ihr seinen Platz anbieten würde. Als dies nicht geschah, hockte sie sich auf die Bettkante.
„Machst du das nicht auch beruflich, irgendwas mit Computern?“, erkundigte sie sich pflichtbewusst.
Falk nickte lustlos, und Caro war froh, dass er nicht näher darauf einging. Stattdessen gab er ein paar Begriffe in die Suchmaschine ein. Schon kurz darauf hatten sie herausgefunden, dass Hunderte Hobbyarchäologen seit Ende des Zweiten Weltkrieges nach dem Bernsteinzimmer suchten und momentan eine heiße Spur irgendwo in die Nähe von Wuppertal führte, dass die Stasi jahrelang die DDR umgegraben hatte auf der Suche nach ein paar Goldbarren, die in den Wirren des Krieges aus der Reichsbank abhandengekommen waren, und dass Historiker davon ausgingen, dass noch etwa anderthalb Millionen Kilo Gold, Silber und Edelsteine in Deutschland versteckt seien.
Diese Information machte beide endgültig munter, mehr, als es die Kanne Kaffee, die sie schon getrunken hatten, bisher vermocht hatte. Längst war Caro wieder aufgestanden und hatte sich neben Falk gebannt über den Computerbildschirm gebeugt, seine intensive Bierfahne einatmend. Sie klickten sich durch zahlreiche Internetseiten, auf denen Ausrüstung für Schatzsucher angeboten wurde, darunter Spaten, Metallsonden, die bis zu 1000 Euro kosteten, und Schlapphüte. Endlich dann stießen sie auf einen Hinweis auf das Bürgerliche Gesetzbuch, Paragraf 984, in dem geregelt war, dass ein Schatz nach seiner Entdeckung zur Hälfte dem Finder, und zur Hälfte dem ursprünglichen Eigentümer gehörte.
„Das klingt doch schon mal nicht so schlecht.“, äußerte Falk sich optimistisch. „Die letzte Nachfahrin der Leuchtenburger ist tot, das heißt, was auch immer wir auf der Leuchtenburg finden, würde dann wohl zur Hälfte uns und zur Hälfte dem jetzigen Eigentümer der Burg, also dem Land Thüringen gehören.“
Caro hatte Bedenken.
„Ich fürchte, da gibt es noch weitere Regelungen in den einzelnen Bundesländern. Das hatten wir irgendwann mal im Studium. Geh mal bitte auf die Seite vom Thüringer Landesamt für Denkmalpflege.“
Sie fanden dort zunächst nur die Kontaktdaten einer Reihe von Ansprechpartnern in den Unteren Denkmalschutzbehörden der Kommunen, wo aber heute, am Samstag, natürlich niemand abnehmen würde, stießen dann aber auf einen Link zum Thüringer Gesetz zur Pflege und zum Schutz der Kulturdenkmale, und dort wurden sie dann endlich fündig, bezeichnenderweise unter einem Paragraph mit der Überschrift „Schatzregal“.
„Beweglichen Kulturdenkmäler,“, las Falk vor, „die herrenlos oder so lange verborgen gewesen sind, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum den Landes.“ Er sah auf. „Und der Finder bekommt gar nichts, oder wie?“
„Scheint fast so.“, sagte Caro unglücklich. „Ich hab's befürchtet. Und schau mal in den nächsten Paragraph, da steht auch, dass man eine behördliche Genehmigung benötigt, um überhaupt Nachforschungen anstellen zu dürfen.“
Sie setzte sich zurück aufs Bett. Falk fasste zusammen:
„Erstens dürfen wir gar nicht erst nach dem Schatz auf der Leuchtenburg suchen, bevor wir nicht eine Genehmigung erhalten, und selbst wenn wir eine hätten und etwas finden würden, würde der Schatz dem Land Thüringen gehören.“
Caro sagte:
„Für jedes Museum wäre das natürlich spitzenmäßig, und auch für die Wissenschaft. Aber nicht...“
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