Johanna Danneberg
Argots Schwert
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Inhaltsverzeichnis
Titel Johanna Danneberg Argots Schwert Dieses ebook wurde erstellt bei
Tag 1, Donnerstag
Tag 2, Freitag
Tag 3, Samstagmorgen
Tag 4, Sonntag
Tag 5 - 6, Montag bis Dienstag
Tag 7, Mittwoch
Tag 7 - 8, Mittwoch bis Donnerstag
Tag 9, Freitag
Tag 10, Samstag
Tag 10, Samstagnachmittag
Tag 11, Sonntagvormittag
Tag 11, Sonntagnachmittag
Tag 11, Sonntagabend
Tag 12 - 13, Montag bis Dienstag
Tag 16, Freitag
Tag 17, Samstag
Tag 20 - 21, Dienstag bis Mittwoch
Tag 22 - 23, Donnerstag bis Freitag
Tag 24, Samstag
Tag 25, Sonntag
Tag 26, Montag
Tag 27, Dienstag
Tag 30, Freitag I
Tag 30, Freitag II
Tag 31, Samstag
Tag 31-32, Samstag bis Sonntag
Tag 33, Sonntag
Tag 38, Freitag
Tag 38, Freitagabend I
Tag 38, Freitagabend II
Tag 38, Freitagabend und -nacht
Tag 38, Freitagnacht
Tag 46, Samstag
Impressum neobooks
Der Heimweg zog sich in die Länge wie geschmolzener Käse. Es war kühl, aber nicht so kalt, als dass Falk in seinem T-Shirt gefroren hätte, als er an einem Septemberabend, gegen zweiundzwanzig Uhr, auf einer schmalen Straße mitten durch den Wald trottete. Im Unterholz zirpten Grillen, ab und zu huschte eine Maus vorbei, und feuchte kühle Schwaden stiegen auf und waberten über die Straße vor ihm. Falk trank einen Schluck aus seiner Bierdose, während er darauf achtete, sich ein paar Meter vor den beiden anderen zu halten.
Die beiden anderen, das waren sein Kumpel und Mitbewohner Robert, sowie ein Mädel, deren Namen Falk beständig vergaß. Ohne, dass es ihn sonderlich interessierte, rätselte er vor sich hin: Tanja? Wendi? Dann fiel es ihm wieder ein: Fanni! Gerade beschwerte sie sich, warum keiner ein Taxi gerufen hätte. Als er sich umdrehte sah er, dass sie die Haare zurückwarf wie ein bockiges Pferd. Beschwichtigend hörte er Robs zu seiner Begleiterin sagen:
„Es ist nicht mehr weit. Falk kennt den Weg mit geschlossenen Augen. Stimmt’s Alter?“
„Noch etwa zwei bis zehn Kilometer.“, schätzte Falk. „Wir müssen quasi nur noch um diese Kurve da vorne, dann sind wir schon fast da.“
„Zwei bis zehn?“, quietschte Fanni. „Was denn nun? Und was für eine Kurve? Ich seh da vorne keine Kurve. Ich seh nämlich gar nichts! Es ist stockfinster, wir sind mitten im gottverdammten Dschungel, und um uns herum ist ein Haufen Viehzeug im Gebüsch, ich schwöre es!“
Womit sie vermutlich nicht Unrecht hatte, dachte Falk. In quengeligem Tonfall verkündete Fanni nun:
„Ich muss mal.“
Falk wechselte einen Blick mit Robs. Als dieser vorhin bei Konrad aufgetaucht war, die durchaus attraktive Mitstudentin mit den glänzenden hellbraunen Haaren im Schlepptau, hatte sie auf Falk zunächst noch einen ganz sympathischen Eindruck gemacht. Sie studierte irgendwas auf Lehramt; auf jeden Fall hatte sie so getan als ob sie sich ziemlich gut mit Fußball auskennen würde. Als Falk ihr daraufhin erzählt hatte, dass er zusammen mit ein paar Kumpels schon seit geraumer Zeit – mit eher mäßigem Fortschritt – ein kleines Fußballturnier plante, hatte sie in Aussicht gestellt, beim sportwissenschaftlichen Institut anzufragen, ob auf deren Gelände eine solche Veranstaltung stattfinden könne. Im Laufe des Abends hatte sich Fanni dann aber als arrogante Nervensäge entpuppt, die mit Sicherheit niemanden wegen des Fußballplatzes fragen würde. Falk war das Gefühl nicht losgeworden, dass sie in erster Linie Robs abschleppen wollte, wie eine Trophäe. Und Robs ging voll darauf ein, dachte Falk, während er beobachtete wie sein Freund nun Wache hielt neben irgendeinem Gebüsch, in welches Fanni verschwunden war.
Falk drehte sich um und ging langsam weiter. Er schüttelte vorsichtig seine Bierdose. Viel war nicht mehr drin. Gedämpft konnte er den Verkehr auf der Schnellstraße hören, die unterhalb des Hausbergs stadtauswärts führte. Der steile Bergkamm lag wie ein Sattel über dem östlichen Ausläufer von Jena. Vom Stadtzentrum aus führte ein Netz von Straßen zu den Wohnvierteln an den Hängen hinauf. In einem der großzügigen Stadthäuser im Hausbergviertel, mit den großen terrassenartigen Gartengrundstücken, wohnte Konrad Seiler noch bei seinen Eltern. Er hatte an diesem Donnerstagabend vor der Garage „den Grill angeschmissen“, was bei Konrad regelmäßig in ein mittelschweres Besäufnis ausartete.
Falk war froh, heute vergleichsweise zeitig den Absprung geschafft zu haben, auch wenn er nun, da Robs und Fanni sich ihm angeschlossen hatten, deutlich langsamer voran kam als geplant. Immerhin hatte er sich in weiser Voraussicht mit einem Bier versorgt. Er blieb stehen um auf die anderen zu warten, und wünschte, er hätte mehr Dosen mitgenommen.
Langsam sehnte er sich wirklich nach seinem Bett. Falk wohnte zusammen mit Robs in einer kleinen Dachwohnung, die sich, von Konrad aus gesehen, auf der anderen Seite des Bergs befand. Die kürzeste Verbindung war daher die schmale gewundene Straße, die sich durch den Wald fast bis zur Kuppe des Hausbergs hinaufschlängelte und auf der anderen Seite wieder hinunter. Und auf dieser Straße stand Falk nun, während es immer später wurde, und das Weckerklingeln am nächsten Morgen näher rückte. Das Hausbergviertel hatten sie schon lange hinter sich zurückgelassen. Straßenlaternen gab es hier oben nicht, was ihm auf dem Hinweg vor einigen Stunden, als die warme Spätsommersonne noch geschienen hatte, gar nicht weiter aufgefallen war. Inzwischen hatte es sich nicht nur merklich abgekühlt, sondern mit der Nacht waren auch Wolken aufgezogen, die den Mond verdeckten. Fanni und Robs schlossen zu Falk auf.
„Mir ist voll kalt.“, jammerte Fanni.
„Ich könnte auch nen Schluck gebrauchen.“, sagte Robs.
„Alle.“, bedauerte Falk, die Dose austrinkend.
*
Da sie bereits seit geraumer Zeit wieder bergab unterwegs waren, wusste Falk, dass sie den Wald bald hinter sich lassen und das Wohnviertel diesseits des Hausbergs erreichen würden. In einigen hundert Metern Entfernung konnte er bereits die gelblichen Lichtkegel der Straßenlaternen erkennen, die einen Parkplatz mit einer Bushaltestelle beleuchteten.
Dann riss plötzlich die Wolkendecke auf. Dahinter kam der fast volle Mond zum Vorschein und tauchte die Straße vor ihnen für einen Moment in farbloses Licht. Zu ihrer Rechten verlief ein Drahtzaun, und das Mondlicht ließ den dichten verfilzten Wald dahinter umso schwärzer erscheinen. Ein paar Meter weiter vorne führten zwei krumme Treppenstufen zu einem Tor im Zaun. Es stand einen Spalt breit offen. Ein schmaler Pfad führte in das Gestrüpp dahinter und verlor sich in der Dunkelheit. Zwischen den Bäumen beleuchtete der Mond die Umrisse eines Hauses. Sie hielten an. Fanni sagte:
„Sieht aus wie ein Geisterhaus. Total verfallen.“
„Da wohnt schon seit Ewigkeiten niemand mehr.“, sagte Robs. „Falk, weißt du noch, wie wir mal reingeguckt haben?“
„Ihr wart doch da nicht wirklich drin?! Ihr seid ja bescheuert! Komm schon Robert, lass uns gehen.“
„Es war eigentlich vollkommen leer, bis auf einen alten Kachelofen.“, meinte Falk.
Er ließ die Bierdose in seinen geräumigen Wanderrucksack fallen und probierte, das Tor weiter aufzudrücken. Quietschend gab es nach.
„Hör auf!“, rief Fanni und kicherte nervös.
„Ich schau mal nach, ob jemand da ist.“, sagte Falk, öffnete das Tor und betrat das Grundstück. Als er sich umdrehte, bemerkte er, wie Fanni Robs einen scharfen Blick zuwarf. Sie zischte:
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