„Okay,“ bekommt der Auslieferungsstorch neue Order, „dann bring den hier nach Mainz in die Professor-Stoppkreutz-Str. 19, die haben wenigstens ein japanisches Au-pair-Mädchen.“
„Aber.....“
„Noch ein Wort, und Du fliegst nach Hamburg!“
„Wie war die Adresse?“
Wenn man so etwas tatsächlich für möglich hält, dann stellt sich die Frage nach dem praktischen Ablauf.
Der könnte sich wie folgt darstellen: Sofern die Stellenbeschreibung für Babylieferstörche korrekt ist, haben sie gesunde und glückliche Babys in einem Stoffbündel zu liefern und den Schornstein als Lieferanteneingang zu nutzen. Stoff, Baby und Storch haben bei der Zustellung sauber und adrett zu sein.
So ein Storch muss also, wenn er nach einigen Hundert Kilometern endlich am Empfangshaus angekommen ist, mit einem Akkuschrauber die Schornsteinabdeckklappe entfernen, anschließend, wie ein amerikanischer Kampfhubschrauber, senkrecht den Schornstein hinunterflattern und am unteren Ende, einem Elitesoldaten ähnlich, das Kamintürchen zum Heizungskeller eintreten. Das alles mit einem Baby im Schnabel und ohne schmutzig zu werden. Dann klappert er, es handelt sich ja um einen Klapperstorch, die Kellertreppe hinauf, verschafft sich durch die Katzenklappe Zugang zu den Wohnräumen. Nachdem er das Schlafzimmer gefunden hat, legt er das Baby ins Bett und beißt der zukünftigen Mutter ins Bein.
Die schreit daraufhin erschrocken auf, das Baby fängt an zu kreischen, der Hund kommt über den Flur angehechelt. Der Storch flattert panisch über den Hund hinweg die Treppe hinunter, erreicht mit einem Hechtsprung in letzter Sekunde vor dem zuschnappenden Hund die Katzenklappe. Polternd fällt er die Kellertreppe hinunter, rappelt sich auf, jagt in den Heizungskeller, hüpft in den Schornsteinschacht rastet das Kamintürchen von innen wieder ein und rotiert senkrecht dem Mondhimmel entgegen. Oben angekommen montiert er die Schornsteindeckelplatte wieder auf den Kamin, bevor er sich, nach Luft
japsend, erschöpft auf dem Dachfirst fallen lässt.
In der Zwischenzeit ist das ganze Haus in Aufruhr, sogar der zukünftige Papa hat sich aufgerappelt: „War was? Ich muss mal!“
Jede biologische Erklärung klingt einleuchtender als dieses Szenario. Tatsächlich sind es biologische Gründe, weshalb die meisten Zeugungen im Dezember erfolgen. Die Evolution, seit Jahrhunderten dafür zuständig, dass sich die Lebewesen der Erde immer wieder an die aktuellen Umweltbedingungen anpassen, hat dafür gesorgt, dass die Empfängnisbereitschaft der Frau im Dezember am höchsten ist. Zufällig produzieren die Männer im gleichen Monat nicht nur mehr Spermien, sondern auch noch besonders Gute.
Hinzu kommen vielerlei praktische Gründe, die eine Frau veranlassen, die Frühlingsgefühle auf den Dezember vorzuverlegen:
Kinder, die im September geboren werden, leiden weniger häufig unter Hausstauballergie und bekommen leichter eine Gymnasialempfehlung, da sie erst ein Jahr später eingeschult werden. Außerdem kann man es Frauen kaum verdenken, dass sie lieber eine gesundheitsbewusste, lernwillige, ehrliche und intelligente Jungfrau in die Welt setzen als einen egoistischen und streitlustigen Widder. Darüber hinaus kann man sich bei einer Zeugung im Dezember auf Kindergeburtstage im sommerlichen Garten freuen, die Umstandsmode ist preiswerter, Silvester kommt vor und Karneval nach der Schwangerschaftsübelkeit. Und dann das Fernsehprogramm. Man könnte meinen, die Sendungen werden vom Familienministerium mit der Absicht gesponsert, zeugungsfähige Paare ins Schlafzimmer zu treiben. Erstens kann man dort die Zeit erheblich angenehmer verbringen und zweitens wollten wir doch sowieso ein Kind. Sozusagen ein staatliches Kinderkonjunkturprogramm, dem man sich anschließen muss.
Nehmen sie nur die Sendung mit den Bauern, die mit 39 Jahren noch bei Mama im Doppelbett schlafen und noch nie eine Beziehung hatten. Da Oma mit 81 seit einem Jahr nicht mehr Moped fährt, bringt jetzt niemand mehr dem Jungen die Suppe an den Mähdrescher. Mamma hat natürlich Sorge, dass es dem kleinen Wonneproppen, der gerade einmal 124 Kilo auf die Waage bringt, bei der neuen Frau schlecht geht, und begleitet die Auswahl der Heiratskandidatinnen. Da sitzen dann Sohnemann, Mamma und 163 Fliegen in der Küche am Tisch und bestaunen Bilder von Frauen, die der Meinung sind, dass es Schnitzelbäume gibt, von denen man die Fleischscheiben paniert pflücken kann. Die Auserwählten lauern bei einem Fest in irgendeiner Scheune den Bauern auf, haken ihn unter und stöckeln von Hinnen nach Dannen um sich beim Umgraben eines Misthaufens unsterblich zu verlieben.
Da nicht jeder einen Trecker zu Hause hat, gibt es die Sendung auch in einer Variante ohne Bauer, dafür mit Campingzelt, Roller und Rudi Kanoni, der Stimmungskanone vom Nordfriedhof. Hier hat Mamma von vornherein das Zepter in der Hand, schließlich wird eine Schwiegertochter gesucht.
Das Einstein-Fernsehen mit besonders hohem IQ setzt sich fort mit Sendungen über Neureiche, die im Fernsehen öffentlich und nachhaltig demonstrieren, dass sie dümmer sind als der Hund, den sie auf dem Arm tragen. Ich entschuldige mich an dieser Stelle bei allen Hunden. Manche tragen allerdings keinen Hund auf dem Arm, sie sind auch von alleine dumm!
„Mamma, ich will nicht noch einen Ferrari zum Geburtstag, schenk mir lieber ein Haus in Davos!“
Wer nun glaubt, ein derart niedriges Niveau könne nicht noch unterboten werden, der wird eines Besseren belehrt, sobald er sich die Sendung anschaut, in der Frauen getauscht werden. Hier beweisen Frauen, dass sie Ihren Haushalt weder mit zwei Kindern noch mit keinem Kind geregelt bekommen. Die getauschte Frau ist froh, wenn sie endlich ihre Kinder zurückbekommt und der Ehemann ist verblüfft, dass er die Frau wieder zurücknehmen muss.
Also jede Menge Gründe, den ohnehin existierenden Kinderwunsch in Angriff zu nehmen und zu beweisen, dass es auch besser geht.
Auf die Frage, ob es ein Junge oder ein Mädchen werden soll, antworten fast alle zukünftigen Eltern: „Egal, Hauptsache gesund!“
Einige wenige erklärten auf Nachfrage, dass sie Anhänger der alternativen, modernen Kindererziehung seien und das Kind im späteren Leben selbst entscheiden dürfe, ob es Junge oder Mädchen sei.
Dennoch hoffen Männer in Wirklichkeit darauf, dass es ein Stammhalter wird und sie jemanden haben, dem sie eine Modelleisenbahn kaufen können, um dann selbst damit zu spielen. Frauen träumen so lange von Shoppingtouren mit der Tochter als bester Freundin, bis diese in die Pubertät kommt.
Die Wissenschaft behauptet hartnäckig, dass es einzig und allein vom Zufall abhängig ist, ob der Nachwuchs Junge oder Mädchen wird. Das ist so nicht ganz korrekt! Es hängt vom „X“ und vom „Y“ ab, zwei Buchstaben, denen im normalen Sprachgebrauch eher eine geringe Bedeutung zukommt. Bei der Zeugung sind sie jedoch als Chromosome entscheidend. Sollten Sie beide Buchstaben in Kombination als „XY“ antreffen, ist das kriminell und Gegenstand einer Fernsehsendung mit gleichem Titel.
Grundsätzlich ist es bei der Befruchtung dermaßen geregelt, dass nicht das schnellste Spermium gewinnt.
Eine gute Idee, sonst wäre die Welt womöglich bald nur noch von Männern bevölkert. Männliche Spermien sind schneller als Weibliche. Das befruchtende Spermium bestimmt das Geschlecht des Kindes. Dies geschieht über besagte Chromosomen. Eizellen tragen stets ein X-Chromosom während Spermien entweder mit einem X oder Y-Chromosom durch den Eileiter spazieren. Trifft nun ein X-Chromosom auf eine Eizelle, wird es ein Mädchen. Sollte das Y-Chromosom die Eizelle befruchten, wird es ein Junge.
X-Chromosome, also die Weiblichen, sind größer als die Y-Chromosome. Hintergrund ist, dass die Mädels wenigsten einmal in ihrem Leben größer sein sollen als die Jungens. Durch diese Größe sind sie jedoch auch langsamer. Daraus lassen sich zwei Dinge ableiten: Ginge es bei der Befruchtung nur um Geschwindigkeit, wären die männlichen Chromosome immer als Erste am Ziel. Sind sie ja auch, aber es geht eben nicht nur um Schnelligkeit. Folgenlos bleibt es aber dennoch nicht. Im Durchschnitt werden 6% mehr männliche Babys gezeugt als Weibliche. Aber auch das hat seinen Sinn, da Männer viel öfter in einen Krieg ziehen als Frauen, stellt sich das Gleichgewicht mehr oder weniger regelmäßig von alleine wieder her. Dass weibliche Spermien langsamer sind, ist ein Vorgriff auf das spätere Leben. Bei sportlichen Wettbewerben sind Frauen durchaus nicht langsam, aber auch nicht so schnell wie Männer. Dafür leben weibliche Spermien länger, auch das eine Parallele zum wirklichen Leben, in dem Frauen durchschnittlich ebenfalls älter werden als Männer. Es ist deutlich zu erkennen: Schon die Spermien wissen, wie es im richtigen Leben zugeht.
Читать дальше