Tiny von Wedel - Für immer bis zum nächsten Mal

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Valerie Blankenstern – «Cashmere-Nomade, und herzvoller Egoist mit Katastrophen-Gen» – sitzt nach ihrer dritten Ehe schon einige Zeit in ihrer «selbst verschuldeten Unabhängigkeit» in ihrem Londoner Hauptquartier und nimmt aus der Notwendigkeit der monetären Lebenssituation einen Buchauftrag über Au Pairs an. Dem Thema auf der Welt von dem sie – bisher kinder- und familienlos – so viel Ahnung hat wie nur noch vergleichsweise von der «Teilchenphysik und dem Münzwesen zu Zeiten des trojanischen Krieges». Zwecks dringend notwendiger Material-Evaluierung zu dem Thema führt sie der Weg – heraus aus ihrem chaotisch-selbstfokussierten und unkonventionell-traditionellen Leben – nach Hamburg zu Magnus und Alice Schwanenburg, ihren Freunden mit fünf Kindern und Au Pairs Erfahrungen im Wandel der Jahrhunderte. Hauptsächlich dreht sich bei Valerie jedoch alles um die zentrale Frage in ihrem Leben: «Freiheit wofür und Abhängigkeit wovon» und vice versa, sowie um ihre sonstigen ebenso selten stringent zu Ende gedachten Lebenskonzepte.
Ihre Buchprojektreise führt sie vorbei an bizarren Nachbarn, alten Lebensfreunden, ehemaligen Schwiegermüttern und profunden Lebenserkenntnissen zum «Apollo von nebenan»: Richard Fox.
Das es hierbei, wie im wirklichen Leben, nicht immer ganz einfach ist den Überblick zu behalten und den Weg nicht aus den Augen zu verlieren – von dem sie noch nicht einmal weiß, wohin er eigentlich führt – merkt sie dann auch spätestens, als die Londoner Wohnungstür hinter ihr ins Schloss fällt. Und Valeries Hauptanliegen «bei allen Dingen immer die Option zu haben», lässt sich dann auch nicht immer ganz einhundertprozentig durchtragen.

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Für immer bis zum nächsten Mal

Tiny von Wedel

Impressum

Für immer bis zum nächsten Mal

Text Copyright: © 2012 Tiny von Wedel

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-8442-4457-1

Für Puttchen I, Georg & Conny

"Denn all solche Beschäftigungen erfordern die Hilfe

der Götter oder man muss Glück dabei haben."

(Marc Aurel)

Alle Inhalte dieses Buches - Personen, Handlungen, Nebenhandlungsstränge, Orte und Bedeutungsebenen, Gerüche, Geräusche und Farben und sogar Karin Maltings Haarfarbe - sind tatsächlich und aus rechtlichen Gründen natürlich frei erfunden.

1. Kapitel

1

Es war gerade neun Uhr morgens, die Sonne nahm langsam Fahrt auf und schien für Londoner Verhältnisse geradezu blendend, das hieß das Tageslicht reichte schwach aus, um das Nomaden-Sammelsurium des Zimmers zu erhellen. Zwei Stadtfüchse durchstreiften die Straße nach Fuchstauglichem, und die Vögel sangen ein Lied. Valerie Blankenstern war gerade aufgestanden und bereits hellwach nach dem eben erhaltenen frühmorgendlichen Anruf. Sie war nicht gerade auf dem Höhepunkt ihrer guten Laune. Frühes aufstehen machte Spaß, wenn man es sich für besondere Gelegenheiten aufhob und diese war keine davon. Der Anruf war von Adrian Blankenstern, ihrem momentanen Namensgeber und letzten ihrer Ehemänner gewesen. Sie ging möglicherweise manchmal mit Jahreszahlen und einigen unbedeutenden Tatsachen recht „ökonomisch“ um. Einen überaus ökonomischen Umgang mit der Wahrheit musste sie allerdings an diesem Morgen bei ihrem ehemaligen Ehemann feststellen und sie kam dann auch nicht umhin, ihm hierzu ein zwei, wie sie fand, passende Worte zu sagen. Die Geschichte war klassisch in ihren Grundzügen. Es ging natürlich, wie meistens bei Ex-Ehemännern entweder um Geld oder um andere Frauen, oder – wie in diesem Fall – um „eine“ andere Frau. Oder eine andere „gute Freundin“ wie hier und immer wieder gerne behauptet wurde. Auf jeden Fall um seinen und damit auch um ihren guten Namen.

Adrian Blankenstern und Valerie waren zwar seit über drei Jahren geschieden, es konnten auch schon fünf sein, das gab ihrem Ex-Ehemann aber noch sehr lange nicht das Recht zur freien Partnerwahl über jedwede Geschmacksgrenzen hinaus. Und genau dabei ging es bei diesem neuerlichen Stein des Anstoßes, dieser Boccia-Kugel der Geschmacklosigkeit, und um Adrians Überschreitung der Grenze in das Land der lächerlichen Figur. Sicherlich hatte er schon auf schlechterem Papier geschrieben aber dies war nun kaum noch als eine Unterlage zu bezeichnen. Amelie „The Mattress“ war bestenfalls eine Laune der Natur an einem ziemlich schlechten Tag. Und es wären ihr sicherlich noch einige weitere relevante Argumente für die Unmöglichkeit einer solchen Konstellation eingefallen, hätte Adrian – der eigentlich nur kurz nach der neuen Telefonnummer eines gemeinsamen Freundes fragen wollte – nicht angekündigt, dass er das Gespräch lieber beenden wollte und jetzt auflegen würde. Und das tat er dann auch.

Manchmal stellt man aus der Entfernung die Nähe fest aber meistens ist es leider umgekehrt. Und dann hieß es eben wieder „Leinen los“. Adrian war der vorerst letzte ihrer drei Ehemänner. Und Valerie konnte sich schwer von einmal geliebtem Besitz und noch schwerer von einmal geliebten Männern trennen, was für sie eigentlich auf das Gleiche hinauslief. Das hieß, verlassen konnte sie sie schon, nur ganz trennen konnte sie sich einfach nicht von ihnen. Was Valerie einmal gut und wertvoll erschien, büßte auch nach Jahren kaum etwas an Attraktivität ein, nur die Faszination nahm vorher leider immer unproportional ab. Aber für das was einem gehörte, dafür hatte man nun einmal auch eine Verantwortung – ein Begriff, zu dem Valerie ansonsten in allen anderen Lebensbereichen einen eher vagen Bezug hatte – und der würde sie sich nicht entziehen. Nicht in diesem Fall. In guten wie in schlechten Zeiten hieß es. Und dies waren eindeutig Tage des Sturms. Scheidung hin, Scheidung her. Eine Ehe ist schließlich nicht zu Ende, nur weil man geschieden ist.

Ähnlich wie Heinrich der VIII. war Valerie nun einmal ungern unverheiratet. Sie war einfach gerne verheiratet. Und am liebsten für immer. Bis zum nächsten Mal. Jedes Mal. Und ohne Kinder konnte man eben immer einfach wieder gehen. Außer der Ehe, und den jeweiligen Ehemännern liebte Valerie noch ihre Freiheit. Die Abhängigkeit liebte sie nicht so sehr. Und es bestand durchaus eine gewisse Schwierigkeit, diese Voraussetzungen unter ein gemeinsames Dach zu bekommen. Sprichwörtlich. Daher probte sie jetzt schon seit einiger Zeit das Lebenskonzept der "selbst verschuldeten Unabhängigkeit" und kam in der letzten Zeit immer häufiger zu der zentralen eigentlichen Grundfrage: Freiheit wofür und Abhängigkeit wovon? Und vice versa.

Sie musste schon bald feststellen, dass die eine Sache, die noch unangenehmer war als die Abhängigkeit von einem Ehemann, die Abhängigkeit von volatilen Märkten und die damit verbundene Eigenverantwortlichkeit in den finanziellen Dingen des Lebens war. Eigenverantwortlichkeit war eine gute Sache. Wenn sie optional betrieben wurde. Die Banken sahen das generell leider aus einem etwas anderen Blickwinkel. Die Schwierigkeit und Notwendigkeit von Geldgeschäften hatte sich Valerie dann auch nicht ganz so freudlos gedacht und die Überbrückungszeit von ihrer dritten zu ihrer vierten Ehe auch nicht ganz so lang. Und so machte sie sich über viele der elementaren Dinge im Leben immer gerne erst Gedanken, wenn das Wasser schon kurz unter dem Sicherungskasten stand. Und da, so hatte sie die nette Dame ihrer Bank Adam & Co gestern verstanden, sei ungefähr der Wasserstand auf dem Konto ihres Namens angekommen. Oder wie ein anderer enger Freund versuchte es ihr deutlich zu machen "Valerie, mein stilles Lieb, dein finanzielles Gerüst kann mit der Depression in den 1920er Jahren mithalten."

Eine unorthodox-traditionelle Erziehung und ein darauf folgendes ebenso unkonventionell-konservatives Leben hatten bei Valerie eine recht eigene Sichtweise der Dinge an den Tag treten lassen, die dann für ihre Umwelt auch nicht immer ganz mit den Geschehnis-Abläufen in Einklang zu bringen war. Und so war auch ihr Freiheits-Konzept nicht immer ganz stringent und zu Ende gedacht. Sie hatte auf jeden Fall bei allem gerne die Option.

Und so viele Möglichkeiten der Weltordnung konnte es ja schließlich auch nicht geben. Valerie kam auf drei. Entweder alles ist Schicksal und das Lebens-Los eines jeden steckte schon gleich von Anfang an in seiner Tasche. Dann brandet einfach alles in den unterschiedlichen Zustands-Wellen des Glücks und der weniger glücklichen Zeiten an das Lebensufer, und man kann sich ganz entspannt mit einem Eis auf die Treppe setzen. Und wenn man da lange genug saß, dann würde naturgemäß auch irgendwann wieder einmal etwas Gutes vorbei kommen. Auch da gab es natürlich Ausnahmen, aber so dunklen Gedanken sollte man sich gar nicht hingeben.

Dann gibt es zum anderen natürlich noch die „Selfmade-Theorie“, bei der ein zielstrebiger Lebens-Aktionismus einen zu jedem Ziel bringt. Man ist was man tut, „wir sind, was wir denken, was wir sind“ und so weiter. Das Glück ist kein Zufall, und der Zufall ist der einzige, der ab und zu in dieses absolute Lebens-Selbstbestimmungs-Programm pfuschen kann. Ohne dieses Modell würde es auf jeden Fall eine große Selbsthilfe-Industrie nicht geben, und es wären der Menschheit unter anderem so entscheidende Werke wie: „Die 10001 Wege zum Erfolg“, „Glück ist machbar“, „Du kannst. Wir können. Ihr könnt“ und dergleichen mehr, vorenthalten geblieben. Die Zutaten in beiden Lagern sind letztendlich ziemlich die gleichen. Bei den Schicksals-Anhängern heißt es lediglich "Glück" und "Pech", und bei den Lebens-Aktionisten und "Do-it-yourself-Jüngern“ hat alles generell den Namen "Zufall", in welche Richtung auch immer. Romantik versus Aufklärung.

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