Tullio Aurelio
Die letzte Beichte von
Maria Magdalena
Der Teufel erzählt von Jesus
tullio aurelio
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© dieser Ausgabe: Tullio Aurelio 2016
ISBN 978-3-7380-9932-4
www.tullioaurelio.com
Umschlaggestaltung: Tullio Aurelio unter Verwendung von einem Bildmotiv aus der Internet-Plattform Pixabay. Das Bild ist laut Angabe von Pixabay frei.
Inhalt
Personen
1
Der Teufel im Beichtstuhl 1
2
Maria Magdalena lernt den Teufel kennen 2
3
Satan und Jesus 3
4
Jagd auf den Teufel
5
Die Jüngerin, die Jesus liebte
6
Jesus, mein Bräutigam!
7
Der Weg nach Ephesus
8
Noch ist keiner von den Toten auferstanden
9
Was der Teufel an Jesus mochte
10
Warum hast du mich verlassen!
11
Das Grab
Fantasie und Wirklichkeit
Hier sind wir: die Visionärin Maria Magdalena, der viel gepriesene Heiler Jesus von Nazareth und meine Bescheidenheit.
Jesus kommt in diesem Buch selbst nicht zu Wort, er ist der nicht handelnde und nicht sprechende Protagonist und hat eine in jeder Hinsicht passive Rolle. Und da es nicht vorgesehen ist, dass er das Wort ergreift und er vielleicht es auch nicht mehr kann, wissen wir nicht, was er tatsächlich über das Ganze denken würde, wenn er denken könnte oder dürfte.
Dennoch spielt er hier eine große Rolle, und über ihn wird sehr viel und lange erzählt und debattiert. Manchmal bekommt man dabei den Endruck, dass sein Charakter, seine Persönlichkeit eine Sache der Interpretation sei. Je nachdem, was man über ihn glaubt oder ob man ihn mit nüchternem Denken betrachtet, verändern sich sein Charakter und seine Persönlichkeit.
Am meisten erzähle ich von ihm. Man nennt mich Luzifer oder Satan. Und das ist längst nicht für alle dasselbe. Auch über mich erzählt man sich allerlei. Ich muss mich den Gerüchten über mich beugen und so handeln, wie mich die anderen haben wollen. In dieser Geschichte werde ich zeitweilig auch von einem Beichtvater vertreten. Oder ich schlüpfe in seine Sutane, um mit Maria Magdalena zu sprechen, je nachdem, wie man es sieht.
Jesus und meine Bescheidenheit dürften den meisten sehr wohl bekannt sein. Viele denken sogar, eine genaue Vorstellung von uns zu haben. Man sollte also meinen, wir seien unverwechselbare Persönlichkeiten. Sollte man meinen! Dem ist aber nicht so. Ich zum Beispiel soll der Inbegriff des Teuflischen sein, werde mit Dämonen, mit Satan, mit Luzifer, mit der Schlange, dem Drachen und vielen andern Urtypen identifiziert. Man setzt auf mich eine Maske, und ich werde ein anderer. Es ist nicht mal sicher, ob ich außerhalb dieser Interpretationen überhaupt existiere.
Jesus hat wohl existiert, das muss man ihm lassen. Aber auch über ihn ranken sich unterschiedliche Meinungen und Interpretationen. Ist er nur der Sohn der Myriam und des Josefs gewesen oder ist er der ewige Sohn Gottes? Zwischen diesen zwei auseinanderdriftenden Meinungen gibt es noch mehr Ausmalungen seiner Person. Er soll sogar auferstanden sein. Gerade das wollen wir hier irgendwann klären.
Maria Magdalena ist meine Gesprächspartnerin. Mal hört sie sich meine in die Länge gezogenen Monologe an, mal versucht sie selbst, einen eigenen Diskurs zu Ende zu bringen. Manchmal gelingt es uns sogar, einen echten Dialog zu führen, bei dem beide Fragen stellen und Antworten geben.
Maria Magdalena ist den meisten Menschen gar nicht bekannt, das wird sich aber im Laufe dieser Geschichte hoffentlich ändern. Sie darf bitte nicht mit Maria von Magdala verwechselt werden, obwohl sie es gerne hätte und es selber am allerliebsten tut. In dieser Erzählung wird es manchmal schwer, die zwei auseinanderzuhalten, gerade weil Maria Magdalena felsenfest davon überzeugt ist, dass sie die wiedergeborene Maria von Magdala ist, die zu den mythischen Gestalten des Christentums gezählt wird, im Johannesevangelium als Zeugin der Auferstehung geschildert wird, von der man aber nicht mal weiß, ob sie wirklich existiert hat.
Für diesen Text möchte ich euch einen Lesetipp geben, damit ihr nicht verwirrt werdet. Es gibt im Laufe dieser Erzählung regelrechte Rückblenden. Maria Magdalena redet so, als ob sie Maria von Magdala wäre, als ob die Erlebnisse der Palästinenserin ihre eigenen wären. Da könntet ihr den Eindruck bekommen, ich unterhalte mich mit der Palästinenserin Maria von Magdala. Lasst euch da nicht irritieren: Ich unterhalte mich immer und ausschließlich mit Maria Magdalena. Um beide Marias besser unterscheiden zu können, achtet darauf: Meine Gesprächspartnerin wird immer als Maria Magdalena angesprochen, Maria aus der Zeit Jesu hingegen wird Maria von Magdala genannt.
Maria Magdalena hat im sechzehnten Jahrhundert gelebt und trägt diesen Namen, seitdem sie mit sechzehn Jahren Karmelitin wurde. Davor hieß sie Caterina. Sie wollte für ihren Jesus keusch und jungfräulich bleiben und sich nur mit ihm vermählen. Wie bereits gesagt, sie war felsenfest davon überzeugt, dass sie schon zur Zeit Jesu als Maria von Magdala gelebt hatte und dessen Freundin und Geliebte gewesen war. Maria von Magdala ist also der Spiegel, in dem sich Maria Magdalena ihr ganzes Leben lang und am liebsten anschaute.
Sie übernimmt in dieser Erzählung eine andere, aktive Rolle: Maria Magdalena wird zur Symbolgestalt aller Menschen, die ihren Wunsch teilen, die Liebe Gottes in ihrer Seele, oder sogar am eigenen Leib zu spüren. Wer von euch hegt nicht den Wunsch, von Gott geliebt zu werden? Ob Gott sie erhören wird? Maria Magdalenas Geschichte lässt große Zweifel aufkommen.
Das Gesicht, das sie auf dem Umschlag des Buches zeigt, ist das Abbild des Zweifels, den ich in ihrem Herzen gesät habe. Gleichzeitig zeigt es das Gesicht eines jeden Menschen, der wie sie nach Gott sucht und am Ende vor einem einzigen Fragezeichen steht.
Es ist Zeit, dass wir mit unserer Geschichte beginnen. Ab nun spreche ich mit euch Lesern nicht mehr direkt, sondern tauche in die Tiefe der Erzählebene ein und rede dort nur mit denen, die sich auf der gleichen Ebene bewegen.
Eine neue Begegnung mit mir wünsche ich übrigens außerhalb dieser Erzählung keinem. Wenigstens nicht, wenn die Gerüchte über mich stimmen.
1
Der Teufel im Beichtstuhl
„Pater, ich möchte beichten“, sagte Maria Magdalena. „Soll ich mich hinknien oder darf ich mich hinsetzen?“
„Es kommt darauf an, was du beichten willst“, sagte der Teufel, der den falschen Ruf hatte, der Widersacher zu sein. Lieber zog er alles in Zweifel und beantwortete eine Frage jesuitisch mit einer anderen Frage. Die Stimme verriet ihn: ein wenig verraucht klang sie. Er versuchte dies zu vertuschen, aber Maria Magdalena meinte, den Urheber dieses Klangs sehr gut zu kennen und ließ sich nicht täuschen. Sie war nämlich überzeugt, die wiedergeborene Maria von Magdala, die Freundin Jesu, zu sein.
„Im Übrigen weiß ich gar nicht, ob du katholisch bist, liebe Maria Magdalena“, setzte der Teufel spöttisch hinzu. „Kennen wir uns nicht bereits?“ Damit versuchte Satan sie ein wenig aus der Reserve zu locken.
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