So wie Phyria das gesagt hatte, meinte sie jedes Wort ernst. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass dabei ihre Hände kurz aufflammten und kleine Flammenzungen, die über ihren Körper tanzten, die sie besonders überzeugend machten.
Und ihr von Flammen beleuchteter Gesichtsausdruck wirkte auch nicht gerade beruhigend.
Ihre Stimme war voll von Hass und Trauer: „Gib mir einen Grund und ich verwandle Dich in eine lebendige Fackel.“
Während sie sprach, war sie aufgestanden und ganz dicht an die Gefangene herangetreten.
„Lass es gut sein Phyria“, ging Anaya dazwischen: „Wir nehmen sie mit. Fliehen kann sie mit den Verletzungen ohnehin nicht.“
„Und wenn, finden wir sie dem Geruch nach, so lange sie Deine Salbe auf den Wunden hat“, fügte Droin trocken hinzu.
Leider hatte er Recht. Das Zeug roch wirklich immer wie Schweinepisse.
„Können wir jetzt?“, wollte Jiang ungeduldig wissen. Kein Wort mehr davon, die Gefangene zurückzulassen.
„Lasst mich vorgehen.“
Phyria marschierte an uns vorbei, ohne sich zu vergewissert, ob wir ihr folgten.
„Das hier kann nur auf eine Art entstanden sein“, erklärte sie während sie in Richtung Zentrum der Fläche marschierte, dorthin, wo der Boden orange leuchtete.
„Drachenfeuer.“
„Hordennarsalhakg“, fügte Jiang sofort hinzu.
„Aber warum?“, wollte Droin wissen, der zusammen mit Anaya die Gefangene flankierte.
Ich hätte jetzt etwas dazu sagen können, verspürte aber keinerlei Drang dazu.
„Weil er weiß, was sich in Attravals Grab verbirgt?“, vermutete Anaya.
„Oder es macht ihm einfach Spaß“, entgegnete Droin. „Mein Volk kennt Drachen schon lange. Sie sind aggressiv, handeln willkürlich, schätzen das Leben niederer Kreaturen wie uns als unbedeutend ein und verfolgen immer ihre eigenen Ziele.“
Oder man ging einen Handel mit ihnen ein. So langsam begann ich mich zu fragen, ob die Idee wirklich so gut gewesen war. Immerhin war der Weg zum Eingang des Grabes frei.
Kaum hatte ich den Gedanken formuliert, hob Phyria die Hand: „Nicht weitergehen. Hier ist die Erde unter der Oberfläche noch flüssig. Wenn ihr einbrecht, verbrennt ihr in wenigen Lidschlägen zu Asche.“
Spürbar wärmer war es bereits zuvor schon geworden, aber das war alles. Von der Gefahr, von der sie sprach, war nichts zu sehen. Aber ich hatte keinen Grund, an ihrer Aussage zu zweifeln.
„Und was machen wir jetzt?“, wollte ich von ihr wissen.
„Ihr geht genau hinter mir her, in einer Reihe. Und haltet Abstand zu mir. Droin, Du nimmst meine Kleidung“, fügte sie hinzu, während sie schon dabei war, sich auszuziehen.
Natürlich nutzte ich die Gelegenheit, sie eingehend zu betrachten. Sie war einigermaßen hübsch, aber nach meinen Maßstäben nicht anziehend. Ihr fehlte die Exotik oder Sinnlichkeit, die mir wichtig waren. Nicht, dass ich mich dagegen gewehrt hätte, mit ihr zu schlafen, aber bei der Auswahl wäre sie nicht die erste gewesen.
Sie drückte Droin ihre Kleidung einschließlich der Schuhe in die Arme und marschierte dann los. Schon nach wenigen Schritten begann sie zu leuchten. Erst die Füße, dann die Beine, schließlich Oberkörper, Arme und der Kopf. Dann explodierte sie förmlich in Flammen. Es wurde taghell und unglaublich warm. Ich lockerte sofort meine Winterkleidung. Einen Schritt weiter legte ich einen kurzen Halt ein, um den Mantel ganz abzulegen und ihn mir unter den Arm zu klemmen.
Aus den Flammen bildete sich unterdessen eine Feuersäule um Phyria herum. Wie eine gewaltige Fackel wuchs das Feuer empor. Zu Beginn waren sie orange, doch je weiter sie ging, verfärbten sie sich bläulich, schließlich wurden sie weiß und so grell, dass ich sie nicht mehr ansehen konnte, ohne zu riskieren, blind zu werden.
Als ich den Blick abwandte, fiel mir auf, dass wir uns auf einem schmalen, schwarzen Pfad bewegten wo links und rechts flüssiges Gestein in unterschiedlichen Orangetönen blubberte und zischte. Es stank nach faulen Eiern. Die Hitze, die davon ausging, war unbeschreiblich. Meine Rüstung wurde glühend heiß. Und noch immer waren wir nicht in der Mitte. Was vor uns lag, konnte ich nicht mehr erkennen, weil das Licht, dass von Phyria ausging alles überstrahlte.
„Beeilt euch!“, brüllte sie: „Ich kann es nicht mehr lange halten.“
Das Fauchen der Flammen mischte sich in ihre Stimme.
„An mir vorbei die Treppe runter. Schnell!“
Überrascht nahm ich zur Kenntnis, dass vor ihr eine Treppe in die Tiefe führte.
Einer nach dem Anderen rannten wir an ihr vorbei, über Treppenstufen, die zur Hälfte geschmolzen waren. Weiter unten war die Treppe lediglich stark verwittert. Der Zugang war wohl früher mit einer Steinplatte verschlossen gewesen, von der jedoch ebenfalls nur noch geschmolzene Reste übrig waren.
Um die Treppe hinunter zu gelangen, mussten wir alle an Phyria vorbei, die oben am Rand stand und nach Norden starrte, wo ich eine große Einheit feindlicher Soldaten entdeckte, die sich uns näherten.
Pfeile sausten auf uns zu, fingen aber in der Luft Feuer und verbrannten, noch ehe sie uns erreichten.
„Hau ab!“, schnaubte Phyria.
Sie strahlte die Hitze einer Schmiedeesse ab und ich spürte, wie sich meine Haare unter der Hitze kräuselten.
Ich hastete mühsam die glatte Stiege hinunter in das weitaus kühlere Innere eines Kellerraums. Gerade berührte ich mit dem Fuß den Boden, als oben ein Aufschrei ertönte und aus dem Fauche des Feuers wurde ein lautes Rauschen, das sich rasch entfernte. Kurz wurden der Raum und alles darin in ein blaues Leuchten getaucht, dann verblasste es wieder. Dafür konnte ich entfernt Entsetzensschreie hören, die in vielstimmige Schmerzlaute übergingen und dann mit einem Mal abrupt verstummten.
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1 - 10 Willkommensgrüße -
Phyria wankte langsam zu uns hinunter. Droin kam ihr entgegen und führte sie bis zu dem Haufen ihrer Kleidung.
Ihr ganzer Körper war schweißgebadet. Während sie sich langsam wieder anzog, blickte ich mich um. Der Raum war rechteckig, maß eine Seillänge und war eine halbe Seillänge breit. Der Fuß der Treppe lag mitten im Raum, ihm gegenüber war einmal ein doppelflügeliges Portal gewesen. Die Reste der Tür hingen noch in den Angeln. Links und rechts davon standen noch die Beine zweier Naurimstatuen. Die Trümmer der Körper waren nirgendwo zu sehen. Dahinter verschwand eine Treppe nach unten in der Dunkelheit.
Blutlachen bedeckten die Türschwelle und Spritzer davon reichten bis hoch zum Torsturz.
„Ab hier werde ich vorgehen“, brach Droin als erster die Stille.
Er marschierte langsam zur Tür, ließ aber Phyria dabei nicht aus den Augen.
Ich grinste innerlich, weil es mir bei nackten Frauen immer ähnlich erging. Ich blieb aber lieber bei Anaya und Jiang.
Wir waren alle Droin gefolgt, da die Hitze von oben noch immer gewaltig war. Ich fühlte mich in meiner Rüstung wie ein Huhn in einem Suppentopf. Schweiß lief mir aus allen Poren am Körper hinunter.
„Hier nicht auf die ersten zwei Stufen treten“, bemerkte Droin.
Er ging voran, danach folgte Anaya mit ihrem Bogen, dann Jiang und die Gefangene, der Jiang die Hände wieder auf den Rücken gefesselt hatte. Hinter ihr folgte Phyria und ich bildete das Schlusslicht. Je weiter wir die Treppe nach unten kamen, je kühler wurde es. Der Gang war zwei Schritt breit, drei Schritte hoch und direkt aus dem nackten Gestein geschlagen.
Die Wände, Decken und Stufen waren glatt wie ein Spiegel.
„Vorsicht“, hörte ich Droin von vorne: „die Treppe führt durch eine hohe Halle und hat hier keine Geländer.“
Als ich an der Stelle angekommen war, fiel mir als erstes auf, dass die Wände plötzlich endeten, während die Decke nach oben in der Dunkelheit verschwand. Die Treppe hingegen durchquerte die gewaltige Halle scheinbar in der Luft schwebend. Neugierig beugte ich mich über den Rand und konnte eine Reihe Pfeiler sehen, auf denen die Treppe ruhte.
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