1 ...7 8 9 11 12 13 ...37 Mal sehen, wie Jiang darauf reagieren würde.
Aber das musste warten, bis wir in einer ruhigeren Umgebung waren. Ich hatte nicht vor in Anwesenheit von Droin, Anaya und Phyria darüber zu reden. Während ich darüber nachdachte, fielen mir allmählich die Augen zu.
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1 - 5 Knochenthron -
Ich kniete mit gesenktem Kopf auf einem weiten Platz. Links und rechts und hinter mir spürte ich hunderte weiterer Gestalten, doch keine von ihnen spielte für mich eine Rolle, denn vor mir ruhte ein gewaltiges Biest auf einem Thron aus Knochen. Ich konnte nur die Füße und die Beine bis zu den Knien sehen. Gerne hätte ich meinen Kopf gehoben, aber ich wusste, das hätte meinen Tod bedeutet. Statt Füßen, hatte die Kreatur schwärzliche Hufe, aus denen kleine Dornen in unterschiedliche Richtungen wuchsen. Die Dornen setzten sich auch auf der Vorder- und der Außenseite der Beine fort. Jedes Bein war so dick wie mein Oberkörper und hatte die Farbe sonnengebleichter Knochen.
Es roch von überall her nach Blut und Verwesung mit einem leicht unterschwelligen Geruch nach Schwefel.
Du wirst die Vorhut anführen, donnerte da das Wesen mit einer entsetzlich rauen, fast heiseren Stimme. Dabei wusch ein süßlicher Gestank nach Fleisch über mich hinweg, von dem ich mich fast übergeben musste Jedes Wort erschütterte mich bis in das Mark. Ich konnte mir meine eigene Reaktion nicht erklären. Es war so, als würden die Worte tief in meinem Inneren eine Seite von mir zum Erklingen bringen, die ich nicht kannte, mir aber gleichzeitig vertraut war.
„Enttäusche mich nicht. Benachrichtige unsere ‚Verbündeten.“
Bei dem letzten Wort hörte ich die Bestie verächtlich Lachen.
Und jetzt geht aus MEINEN AUGEN!!!
Ein kleiner Sturmwind fegte Staub und Dreck heran und ich musste meine Kapuze tiefer in mein Gesicht ziehen, um mich davor zu schützen.
Als ich wieder nach oben sah, war der Thron leer.
Langsam richtete ich mich wieder auf. Dabei rutschte die Kapuze wieder von meinem Kopf und ich drehte mich langsam zu den anderen Gestalten hinter mir um. Es waren nicht Hunderte, es waren Tausende.
Keine davon war ein Mensch.
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1 - 6 Durchbruch -
„Hey? Schläfst Du?“, rüttelte Droin mich unsanft wach. „Das gibt’s doch nicht. Wie kannst Du hier denn schlafen?“, fragte er mich ungläubig.
„Hast Du wenigstens was Schönes geträumt?“, fragte Phyria neugierig.
„Er träumt nie schöne Dinge“, antwortete Anaya, bevor ich selbst etwas dazu sagen konnte.
„Ich bin schon froh, wenn ich nichts träume, an das ich mich am anderen Tag erinnern kann“, fügte ich hinzu: „Wenn das was ich gerade geträumt habe, ein Vorgeschmack ist, dann werden wir noch mehr Dämonen zu Gesicht bekommen. Viel mehr.“
„Gut. Ich habe noch eine Rechnung offen“, erwiderte Phyria.
Sie hatte miterlebt, wie Dämonen und Soldaten aus Morak über ihre Abtei hergefallen waren. Dabei war die Abtei zerstört und die meisten ihrer Ordensbrüder und -schwestern getötet worden.
„Falls sich die Gelegenheit ergibt. Aber wir sind nicht deshalb hier. Es wird schwer genug sein, die Reihen der Angreifer zu durchbrechen, da müssen wir uns nicht noch zusätzlich Ärger suchen“, erinnerte Droin sie ruhig.
„Den müssen wir gar nicht suchen. Wir haben Drakk. Da wird der Ärger uns finden“, witzelte Anaya aus sicherer Entfernung.
„Sehr lustig“, antwortete ich, obwohl ich das nicht wirklich so empfand: „Dann würde ich mal sagen, wir gehen uns den Ärger suchen.“
Damit deutete ich auf die anrückenden Wachen und Offiziere unter Major Atross. Die Sonne war untergegangen.
„Sieht so aus als wäre es an uns, aufzubrechen.“
Droin setzte seinen Helm wieder auf.
„Zeit für meinen Auftritt. Wir müssen uns in Bewegung setzen, sobald der Nebel sich bildet. Er wird nicht lange halten und außerdem wird er sehr kalt werden.“
„Gut. Wir sind soweit.“
Mit den Händen schob Anaya den Schnee zur Seite, bis sie an das darunterliegende Gras und die Erde gelangte. Sie hockte sich hin, ehe sie eines ihrer scharfen Knochenmesser zog und sich damit selbst einen Schnitt in den linken Unterarm zufügte. Das Blut ließ sie frei auf die Erde tropfen. Dabei malte sie mit einem kleinen Stöckchen Symbole auf den Boden, in die das Blut floss. Ein feiner, blutroter Nebel begann aus dem Boden aufzusteigen. Erst nur dort, wo sie die Runen mit ihrem Blut gestärkt hatte, dann auch um sie herum. Gleichzeitig kam eine kalte Brise auf, die den entstehenden Nebel von Anaya weg und auf die Soldaten aus Morak zu wehte. Anfangs war er noch rötlich, aber je mehr er sich ausbreitete, je heller wurde seine Farbe.
In wenigen Augenblicken hatte sich eine Nebelbank von einer Seillänge Tiefe gebildet. Sie rollte wie eine Meereswoge von den Linien Kalteons auf die Befestigungen von Moraks Armee zu. Ich blieb neben Anaya stehen, während Droin und Phyria sich langsam vorwärts auf den Weg machten.
Hinter uns hörte und sah ich, wie sich die Soldaten von Kalteon zu zwei Keilformationen aufreihten, die genau in unsere Richtung zeigten. Major Atross löste sich daraus und trat zu uns.
„Ihr wollt die Reihen des Gegners im Schutz des Nebels durchbrechen?“, fragte er uns: „Wir werden euch dabei ein Wenig Gesellschaft leisten.“
„Ihr haltet euch für fähig, euch leise an die Reihen von Morak heranzuschleichen? Mit zweihundert Mann?“, gab ich abfällig zurück: „Ich glaube, ihr überschätzt eure Fähigkeiten. Stattdessen gefährdet ihr unsere Aussicht auf Erfolg.“
„Das ist mir völlig gleichgültig. Der Nebel ist eine gute Gelegenheit. Wir sind ihnen zahlenmäßig überlegen. Wenn es mir gelingt, ihren Ring zu durchbrechen, kann ich mein Kommando hier in Richtung Arinna verlegen. Durch euch wissen wir, dass es keinen Sinn hat, den Haufen Steine hier weiter zu bewachen.“
„Euer Krieg interessiert mich nicht, aber wenn ihr für mich zur Bedrohung werdet, muss ich darauf reagieren“ Ich sah, wie sich die buschigen Augenbrauen des Soldaten zusammenzogen, und wusste, dass ihn meine Einwände kalt ließen. „Lasst uns zumindest ein paar Augenblicke Vorsprung. Danach werden eure Soldaten Mühe haben, mit uns Schritt zu halten.“
„Ihr habt Zeit, bis unsere Vorbereitungen abgeschlossen sind. Ich schlage vor, ihr nutzt sie.“
Damit wandte er sich um und marschierte zu seinen Soldaten zurück.
Während unserer kurzen Unterhaltung hatte sich die Nebelbank fast verdoppelt. Droin und Phyria waren bereits über die Mauer geklettert, die von Kalteons Armee verteidigt wurde. Der Nebel hüllte sie beinahe vollständig ein und verdeckte außerdem die Linien der feindlichen Armee.
Beinahe Zeit, sich auf den Weg zu machen.
Anaya war noch immer dabei, den Nebel dichter zu gestalten. Ein steter Strom von rötlichem Dampf stieg aus dem Boden auf, über dem Anaya hockte und immer und immer wieder mit dem Stock die Runen nachzeichnete.
Vorsichtig legte ich ihr eine Hand auf den Rücken: „Zeit aufzubrechen. Wir bekommen Gesellschaft“
Anaya hob ihren Kopf, aber statt ihrer normalen Augen sah ich nur milchiges Weiß. Es dauerte einen Moment, ehe sich ihr Blick klärte.
„Was ist los? Ich war noch nicht fertig.“
„Ich fürchte, dass ist denen egal“, erwiderte ich und deutete mit dem Daumen über meine Schulter.
„Was? Die wollten doch nicht etwa den Nebel für einen Angriff nutzen? Glauben die ihre Gegner sind taub?“
„Anscheinend hat ihrem Kommandanten noch niemand erklärt, dass man auch blind schießen kann.“
„Lass mich raten: ihnen ist egal, in welche Schwierigkeiten uns das bringt.“
„Exakt.“
„Dann sollten wir uns besser beeilen.“
Sagte ich doch gerade.“
Anaya schlang einen Streifen sauberes Leinen über die Schnittwunde. Sie hielt mir den Arm hin und ich knotete die Enden fest zusammen.
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