Francois sah in durchdringend an, konnte aber in der versteinerten Mine von Richard nichts erkennen. Er dachte an das letzte Gespräch das er mit Richard hatte. In dem er ihn auf geheimnisvoller Weise von einem Fundstück berichtet hatte, das auf keinen Fall in falsche Hände geraten sollte. Aus dem sich aber auch ungeahnte Möglichkeiten ergeben würden. Francois hatte natürlich tausend Fragen zu den Hintergründen, aber Richard blockte alle kategorisch ab. Er versprach Francois aber den Durchbruch seines Lebens, wenn er mitspielte.
Francois hatte viel darüber gegrübelt. „Ich finde, dass mittlerweile ziemlich viel auf dem Spiel für mich steht. Wenn das hier rauskommt, bin ich meinen Job los. Und vielleicht noch mehr.“
„Keine Sorge, wir sind doch Partner.“ erwiderte Richard. Er sah ihn freundlich an. „Ich habe mittlerweile darüber ein wenig in Erfahrung bringen können.“
Er machte eine wohl dosierte Pause. Francois wurde langsam nervös.
Richard sagte mit leise, fast beschwörerischer Stimme: „es ist nicht nur ungewöhnlich schwer, wie du ja schon mitbekommen hast. Aber es besitzt offenbar auch ganz einmalige Eigenschaften.“
Als er Francois hochgezogenen Augenbrauen bemerkte, fuhr er fort: „So unglaublich das klingt, aber man kann damit unvorstellbare Entfernungen überwinden und in andere Welten reisen. Nochmal: Ich weiß, das klingt absurd und nach Science-Fiction.“
„Wenn du jemanden verarschen willst, such dir jemand anders! Ich kenne das Ding, und ich hab gesehen, was dann passiert. Das ist für mich nichts Neues“, unterbrach ihn Francois und wollte schon aufstehen. Das ging für seine Verhältnisse nun doch zu weit. Aber der ernste Gesichtsausdruck seines Gegenübers ließ ihn zögern und wieder auf den Stuhl zurück sinken.
Richard ging nicht auf seinen Ausbruch ein und fuhr statt dessen fort: „Ja, setz dich wieder hin. Pass auf, es gibt mehrere Leute, die das am eigenen Leib erlebt haben und unversehrt wieder zurück gekommen sind. Ein kleiner Junge aus der Gegend hier. Er will sogar ein fremdartiges Lebewesen gesehen haben. Und seine Mutter mit so einem Journalisten. Alle drei sind zurückgekehrt, wurden aber zu strenger Geheimhaltung verpflichtet. Selbst welche von der Armee sind mit schwerer Ausrüstung durch das, ich nenne es mal Portal, gegangen. Von denen ist aber keiner wiedergekommen. Vielleicht haben sie mit ihrer Erscheinung den dortigen Bewohnern so viel Angst eingejagt, dass sie sie vorsorglich umgebracht haben. Wir müssen versuchen, diese Vorgänge zu verstehen und zu kontrollieren. Dann eröffnen sich uns ungeahnte Möglichkeiten!“
Francois schüttelte den Kopf. Er sah Richard in die Augen. „Deine Horrorgeschichten kenne ich, und ich weiß auch, was daran wahr ist. Aber zu deinem Vorhaben kann ich nur eines sagen: Du spinnst.“
„Jetzt hör aber auf. Ich verbitte mir das!“, sagte Richard in einem scharfen Tonfall. „Du hast keine Ahnung, um was es hier geht. Das wäre eine wissenschaftliche Sensation, sogar nach den Maßstäben des CERN!“
Francois wurde nun doch langsam klar, dass sein Gegenüber es wirklich ernst meinte. Und gerade vor ein paar Tagen hatte ihn Richard unmissverständlich aufgefordert, die Existenz und alle Informationen zu dem Stein geheim zu halten und keinem Menschen etwas davon zu erzählen. Er sollte auch Dr. Bartels, der die Untersuchungen leitete, zu strengster Vertraulichkeit verpflichten, koste es, was es wolle.
„Nun sag mir endlich, wie du an dieses magische Relikt gekommen bist.“ forderte er.
Richard zögerte einen Moment. „Ein Schulfreund von mir ist bei der Armee. War bei der Armee“, korrigierte er sich. „Er hat sich des Steines bemächtigt. Das Wie tut hier nichts zur Sache. Er hat ihn mir gezeigt und alles, was er darüber wusste, erzählt. Ich sollte ihm helfen, Kapital daraus zu schlagen. Leider hatte er darauf einen schweren Autounfall. Ich allein konnte aber auch wenig mit dem Stein anfangen, und deshalb habe ich mich an dich gewendet. Ohne eure Gerätschaften komme ich nicht weiter.“
Francois dachte daran, wie er vor ein paar Tagen Dr. Bartels zu sich gerufen hatte und ihm hinter verschlossenen Türen sehr deutlich klar gemacht hatte, um was es hier ging. Es war sicherlich ein glücklicher Umstand, dass er sich ausgerechnet jetzt an die Laborantin rangemacht hatte. Francois war abgebrüht genug, um sich diesen Umstand ohne zu zögern zu Nutze zu machen. Er brauchte die Experten des CERN und Laborleute, die die Arbeit machten. „Ich bin mir bewusst, was du von mir erwartest“, begann er. „Aber vergiss nicht, dass wir das gemeinsam durchziehen. Du kannst ohne meine Hilfe nicht weiterkommen. Was immer dabei herausspringt, ich will dabei sein.“
Richard ignorierte die letzte Bemerkung. Für ihn war längst klar, dass er Delandre nur so lange bei Laune halten musste, wie er auf ihn und seine Beziehungen zum CERN angewiesen war. Aber das brauchte dieser Idiot ja nicht zu wissen. „Ich verlasse mich auf dich. Oder höre ich da raus, dass was schiefgelaufen ist?“
„Nein, nein, alles wie abgesprochen“, antwortete Francois hastig. „Bartels hält dicht. Der will keine Scheidung riskieren. Jetzt, wo er auf dem Weg ganz nach oben ist.“
„Gut. Ich dachte schon, ... Aber lassen wir das. Wenn wir wissen, was es ist und wie es herzustellen ist, lassen wir es patentieren. Dann gehört alles uns. Und um Bartels werde ich mich kümmern. Er hat ja schließlich einen riskanten Job, bei dem es leicht zu einem Unfall kommen kann.“
Bei dem letzten Satz zuckte Delandre innerlich zusammen. Er hätte nie gedacht, dass Richard so weit gehen würde. Seine Gedanken wirbelten. Er malte sich aus, was wohl alles passieren könnte. Was Richard vorhaben könnte. Solange alles lief, kein Problem. Wer aber garantierte ihm, dass dann nicht auch er zufällig einen „Unfall“ haben könnte? Er schob den Gedanken beiseite. Es gab kein Zurück mehr. Er steckte ganz tief mittendrin. Wenn er etwas erreichen wollte, dann ging das nicht ohne Risiko. Und hier ging es nicht nur um „etwas“, sondern um weitaus mehr.
Die Ylim-Yr waren seit dem frühen Morgen in der Luft. Die Abstände zwischen den Pausen wurden nun immer kürzer. Zu groß war die Erschöpfung bei allen. Die Landschaft hatte sich im Verlauf der letzten Stunden wieder verändert. Anstelle der kargen Steppe mit nur wenigen markanten Punkten, an denen sie sich orientieren konnten, tauchte nun wieder üppigere Vegetation auf. Büschelartige Moose bildeten große Teppiche, in denen hin und wieder größere Farne und Sträucher wuchsen. Die Blüten verströmten einen leichten, nicht unangenehmen Duft, der die Stimmung der Gruppe spürbar verbesserte. Nach und nach waren auch die ersten trichterförmigen Ramsfarne zu sehen, aber auch höheren Pflanzen und Bäume in mannigfaltigen Formen, von denen sie keine einzige kannten. Bei manchen Exemplaren waren sie sich nicht einmal sicher, ob es Pflanzen oder Tiere waren, da sie sich leicht bewegten, vergleichbar mit der Anemonen der irdischen Unterwasserriffe.
Aber vorrangig war allein der Gedanke, dass es bei einem solch üppigen Bewuchs irgendwo Wasser geben musste. Nur hatte keiner von ihnen bislang einen Fluss oder ein stehendes Gewässer gesehen. Offenbar versorgten sich die Pflanzen hier aus dem Grundwasser.
Da sie nicht in großer Höhe flogen, bekamen sie auch die vielfältigen Geräusche zu hören, die große und kleine Tiere von sich gaben. Sie sahen eine Herde Salrons, große Pflanzenfresser, die sich trotz ihres Gewichtes springend fortbewegten. Sie waren an sich harmlos, nur wer ihnen im Weg stand, wurde gnadenlos umgerannt, da sie sehr schlecht sehen konnten. Dazwischen wuselten viele kleinere Tier umher, und die Luft um die Salrons herum wimmelte von moskitoartigen Insekten, die ihren großen Opfern manchmal so zusetzten, dass sie unvermittelt ein paar große Sprünge zur Seite machten und sich alles um sie herum erschrocken in Sicherheit brachte. Außer diesen Blutsaugern gab es kaum andere Spezies an Insekten, und es gab sie nur in der Nähe von großen Tieren.
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