Auch die nächsten Geschenke beinhalteten nicht die erhofften Sachen. Nacheinander packte er Brettspiele, Hörspielkassetten, Bastelsachen und Legobausteine aus.
»Da ist ja gar nichts von meinen aufgeschriebenen Wünschen dabei!« , beschwerte er sich, als er sich bis zum vorletzten Geschenk durchgerungen hatte. »Ich habe Dir doch gleich gesagt, dass das Christkind ohne meine Zetteln nicht weiß, was ich will!« , wandte er sich enttäuscht an seine Mutter.
»Jetzt pack halt erst einmal Dein letztes Geschenk noch aus, bevor Du Dich beschwerst!« , ermahnte ihn der Vater.
Ganz skeptisch musterte der Junge das letzte noch verbliebene ungeöffnete Paket. »Was könnte da nur drinnen sein?« , überlegte er sich. »Es ist ziemlich groß - vielleicht ein Computer? Aber nicht so schwer - also ist es wahrscheinlich doch keiner!«
Ganz vorsichtig öffnete er das Geschenk.
»Ein neuer Schulranzen - ach so! Na ja, dann fällt mir wenigstens nichts mehr raus!« , rief er ganz geknickt. «Was soll ich denn jetzt bloß meinen Freunden erzählen, was ich alles vom Christkind bekommen habe? Die lachen mich ja aus, wenn ich die Wahrheit sage!«
Auf diese Bemerkung hin konnten seine Eltern nur ganz ungläubig den Kopf schütteln. »Sei froh, dass Dir das Christkind überhaupt etwas gebracht hat« , konterte die Mutter.
Ganz gedankenverloren und enttäuscht öffnete Maxl seinen neuen Schulranzen und schaute sich das Innenleben an.
Neue Hefte, ein Lineal und ein Federmäppchen zog er heraus - sogar ein Turnbeutel im gleichen Muster wie die Schultasche und eine Trinkflasche in passender Farbe waren dabei. Plötzlich erstarrte der Junge. Es lag noch etwas in der Tasche - etwas, mit dem er nun wirklich nicht gerechnet hatte.
Voller Erstaunen zog er vier zusammengeheftete Seiten und einen Brief aus der Tasche heraus.
»Das ist ja mein verloren gegangener Wunschzettel« , rief er mit weit aufgerissenen Augen, als er einen Blick darauf geworfen hatte. »Wo kommt denn der auf einmal her? Dann hat sich den also doch das Christkind geholt - genauso wie in meinem Traum! Aber warum hat es mir dann keinen einzigen Wunsch erfüllt? Und ein Brief ist auch noch mit dabei!«
Mit zitternden Händen öffnete er das Schreiben, auf der mit großen goldenen Buchstaben ein kurzer Text geschrieben stand und begann laut zu lesen.
»Lieber Maxl,
findest Du nicht, dass Du es dieses Jahr mit Deinen Wünschen ein wenig übertrieben hast?
Vier volle Seiten sind einfach zu viel. Ein Wunschzettel sollte dazu dienen, mir Deine besonderen Wünsche mitzuteilen und nicht, das gesamte Sortiment der Multimediabranche aufzuzählen. Auch sind die Sachen, welche Du aufgeschrieben hast, nicht unbedingt für einen Jungen in Deinem Alter geeignet.
Die Geschenke, die Du heute von mir erhalten hast, passen viel besser zu Dir und sind außerdem zweckmäßiger.
Schau sie Dir in Ruhe an und versuche ihren Sinn zu verstehen, dann hast Du damit viel mehr Freude, als mit irgendeinem Hightech-Produkt aus Deiner Wunschliste.
Ich hoffe, dass Du Dich in Zukunft in mehr Zurückhaltung und Besinnung übst!
Dein Christkind«
»Jetzt bin ich aber baff« , murmelte Maxl kleinlaut und schaute ganz verdutzt zu seinen Eltern. »Ein Brief vom Christkind persönlich - und das an mich! Jetzt muss ich direkt noch einmal schauen, ob das auch wirklich stimmt, was es mir geschrieben hat. Ich fang mal mit dem Abenteuerbuch an!«
Kaum begann er mit dem Lesen der Inhaltsangabe des Buches fiel ihm seine Kinnlade auch schon herunter. »Ich glaub es nicht. Das ist ja die Geschichte zum neuesten Kinofilm, von dem mein Spezl, der Gustl, so geschwärmt hat, weil der so furchtbar spannend sein soll!«
Auch die Legosteine fanden bei näherer Betrachtung sofort seine Aufmerksamkeit. »Wow« , staunte er, «Mama, Papa schaut her, der Baukasten ist ja mit einem kleinen programmierbaren Minicomputer ausgerüstet. Da kann man ja alles zusammenbauen, was einem gerade so einfällt!«
Schlagartig war der Junge von seinen Geschenken begeistert und fand großen Gefallen daran, was er auch mit Kommentaren zu jedem Teil unterstrich.
Später am Abend saß die Familie um den Weihnachtstisch und hatte Spaß daran, eines der neuen Spiele, die das Christkind gebracht hatte, auszuprobieren. Am meisten aber freute sich der Junge, da er jetzt ganz genau wusste, dass diese Geschenke viel, viel besser waren, als alles andere, was auf seinem Wunschzettel gestanden hatte.
Schmunzelnd dachte er an die Worte, die er erst vor ein paar Stunden in der Kirche vom Pfarrer gehört hatte, dass Weihnachten eigentlich ein Fest der Liebe und der Besinnung war. Es kommt auf die innere Zufriedenheit an - nicht auf die Geschenke, so hatte er gesagt.
» Und «, so dachte er bei sich, « recht hat der Herr Hochwürden gehabt. So glücklich wie in diesem Moment war ich noch nie! «
Ganz zufrieden strahlte in diesem Augenblick ein kleines Engerl, welches auf dem Fensterbrett vor der Stube saß und hereinschaute. Es zwinkerte vergnügt über die Freude, die dieser Junge an diesem Weihnachtsabend ausstrahlte und war sich ganz sicher, dass diese Nacht den Maxl zur Besinnung gebracht und ihn von seinem Konsumrausch befreit hatte!
Der etwas andere Weihnachtsurlaub
»Ui, ist das aber ein großes Schiff« , rief Franzl ganz aufgeregt, als er mit seiner zwei Jahre jüngeren Schwester und seinen Eltern über die Traverse an Bord eines Ozeanriesen marschierte.
»Und alles ist so schön weihnachtlich geschmückt!« , schwärmte Susi ganz verträumt.
Es war vier Tage vor Weihnachten - die Landschaft rings um den Hamburger Hafen war in tiefes Weiß gehüllt und die deutlich unter dem Gefrierpunkt liegende Temperatur ließ sehr zu wünschen übrig.
Aus diesem Grund hatte sich Familie Mosler in den Kopf gesetzt, Weihnachten und Silvester dieses Jahr anders als sonst zu feiern. Sie freuten sich bereits darauf, nach einer dreitägigen Atlantik-Kreuzfahrt, eine Woche in der Karibiksonne zu verbringen, bevor es mit dem Flugzeug wieder zurück nach Hause in die Kälte gehen würde.
Nachdem Franzl mit seinen 12 Jahren sowieso nicht mehr an den Weihnachtsmann glauben wollte und auch seiner kleinen Schwester ständig einzureden versuchte, dass es sich dabei nur um ein Märchen handelte, kam es den Eltern sehr gelegen, die diesjährigen Weihnachtsvorbereitungen samt Bescherung ausfallen zu lassen.
Kurz vor der Abreise kamen Franzl dennoch Zweifel. Wenn er sich irrte und es den Weihnachtsmann doch geben sollte? Was würde passieren, wenn er am Heiligen Abend bei ihnen zu Hause vorbeikommen und sie nicht antreffen würde? Nachdem sie wegen der Reise keinen Christbaum im Wohnzimmer aufgestellt hatten, wüsste er dann nicht einmal, wohin er die ganzen Geschenke legen sollte. Um diesem Vorzubeugen, brachte der Junge vorsichtshalber einen großen Zettel, mit den genauen Anweisungen, die Geschenke auf ihren Betten zu platzieren, mit Klebeband an der Eingangstüre an. So, dachte er sich, wird er vom Weihnachtsmann auch wirklich gesehen. Bescherung konnten sie ja im neuen Jahr, wenn sie wieder zurück waren, immer noch nachholen.
Das gesamte Schiff war weihnachtlich dekoriert und im Speisesaal stand ein großer bunt geschmückter Christbaum. Überall auf und unter Deck ertönten dezent Weihnachtslieder aus den Deckenlautsprechern.
Nachdem sich die Moslers in ihrer Kabine einquartiert und mit dem Auspacken der Koffer begonnen hatten, machten sich die Kinder ganz neugierig auf Entdeckungstour.
Als sie an der Brücke vorbei spazierten, ertönte das Nebelhorn und der Ozeanriese stach in See. Ganz aufgeregt beobachteten die beiden, wie sich das Schiff immer weiter vom Hafen entfernte und Kurs aufs offene Meer nahm, wobei die Schneeflocken mit zunehmender Fahrt allmählich dichter wurden.
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