1 ...6 7 8 10 11 12 ...20 „Das wissen Sie doch noch gar nicht. Und wenn, sind Sie doch nicht schlimmer dran, als wenn Sie´s gar nicht versucht hätten. Los, ich verspreche, ich lache nicht. Oder nur ganz leise.“
Er grinste schief. „Was machen Sie an Weihnachten?“
„ Keine Überstunden!“, entgegnete ich scharf.
„Nein, natürlich nicht – obwohl, in gewissem Sinne. Himmel, so habe ich seit dem Abitur nicht mehr gestottert! Ich meine – haben Sie über die Feiertage schon etwas vor? Ach, was frage ich, natürlich haben Sie schon was vor, entschuldigen Sie bitte.“
„Wie es der Zufall will, habe ich noch nichts vor. Meine liebe Familie fährt zum Skifahren und hat vergessen, mich rechtzeitig zu informieren, so dass ich keinen Urlaub habe. Und für zwei Tage fahre ich da nicht runter, das lohnt sich nicht.“
„Verständlich. Nun...“
„Darf ich raten? Sie fahren weg, mit Frau und Kinderchen, und brauchen jemanden, der das Haus hütet?“
„Nein, Unsinn. Das könnte ja wohl die Putzfrau machen. Und Frau und Kinderchen habe ich nicht, aber damit kommen wir dem Problem schon näher. Ich muss über die Feiertage zu meinen Eltern.“ Er seufzte.
„Und das ist so furchtbar?“
„Ziemlich. Sie haben sich in den Kopf gesetzt, dass ich heiraten soll. Warum ich, weiß ich auch nicht, ich habe noch zwei Brüder, die könnten doch auch dran glauben, aber nein, sie haben sich auf mich eingeschossen.“
Ich sah ihn ratlos an. Was sollte ich dabei tun? Wozu breitete er sein Privatleben vor mir aus? Als Papst ?
„Und inwiefern kann ich Ihnen dabei helfen?“
„Kommen Sie mit und spielen Sie meine Freundin.“
Ich hielt mich im letzten Moment an der Schreibtischkante fest. „Was?“
Er seufzte wieder. „Meine Eltern haben da schon ein, zwei Kandidatinnen im Auge, und immer wenn ich sage, die sind nicht mein Geschmack, kommt dieses Totschlagargument Du hast ja auch keine andere! “
„Und ich soll jetzt die andere spielen? Aber wie lange soll das denn funktionieren? Ich meine, wir können natürlich einen prachtvollen Krach mit Schlussmachen und allen Schikanen inszenieren, aber dann geht der ganze Ärger doch bloß von vorne los! Das hilft doch auf Dauer nichts!“
„Doch. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, aber meine Eltern – wenn sie Sie sehen -“
„Ich soll sie erschrecken?“
„Nicht direkt. Ihnen nur zeigen, dass mein Geschmack so ganz, ganz anders ist als diese beiden tadellosen jungen Damen, die sie da für mich ausgegraben haben.“
„Ah ja – weil ich keine tadellose junge Dame bin...“
„Bitte, seien Sie jetzt nicht beleidigt, ich meine das gar nicht negativ. Aber Sie sind frech und schlagfertig, und sie sehen originell aus.“
„Und das soll Ihre Eltern die Gardinen hochtreiben?“
„So etwa. Sie sollen denken Wenn die sein Geschmack ist, können wir mit unseren Vorschlägen einpacken .“
„Eher schmeißen die mich raus.“
„Das können sie nicht, dann gehe ich auch. Ich suche schon lange nach einem geeigneten Vorwand für eine längere Funkstille.“
„Geheimnummer?“
„Bitte?“
„Würde eine Geheimnummer nicht den gleichen Zweck erfüllen?“
„Nein, das wäre feige.“
„Ja, vielleicht“, stimmte ich nachdenklich zu.
„Würden Sie mitmachen?“
„Ich weiß nicht. Kann ich ein bisschen darüber nachdenken?“
„Aber natürlich. Würden Sie mich anrufen, wenn Sie sich entschieden haben?“ Ich erhob mich. „Klar. Spätestens am Montag. Ich bin nicht sicher, ob dieser Plan etwas taugt - Entschuldigung, aber ich glaube wirklich nicht, dass das funktioniert.“
„Das weiß ich auch nicht – wenn Sie eine bessere Idee haben? Moment – Sie haben ja gar nicht meine Nummer!“
Ich sah ihn erstaunt an. „Wieso? Die steht doch sicher im internen Verzeichnis, oder? Oder stellt ihre Sekretärin nichts durch?“
„Ich dachte an meine Privatnummer.“ Er kritzelte etwas auf eine Karte und reichte sie mir dann. Hui, seine Privatnummer und seine Handynummer - wie huldvoll! „Möchten Sie meine Nummer auch? Karten hab ich leider keine..."
„Meine sind auch bloß selbst gebastelt. Ja, das wäre wohl ganz praktisch.“
Ich diktierte ihm meine Nummern und gab dann ungern auch noch meine unschicke Adresse an. Er verzog keine Miene, offenbar wusste er gar nicht, wo die Essener Straße war. Andererseits wollte er seine Eltern schließlich mit mir erschrecken, also war es wohl zweckdienlich, wenn ich im Slum lebte.
„Und bitte, bewahren Sie innerhalb der Firma Stillschweigen.“
Ich sah ihn beleidigt an. „Versteht sich. Dass man zum Leute erschrecken engagiert wird, ist ohnehin nichts, was man so begeistert herumerzählt.“ Er errötete leicht. „Ich wollte Sie wirklich nicht beleidigen – so war das nicht gemeint, wirklich nicht!“
Ich winkte ab. „Brechen Sie sich nichts ab – Entschuldigung. Ich komme damit schon zurecht. Nur glaube ich eben nicht, dass der Plan funktioniert.“
„Warten wir´s ab. Ich danke Ihnen auf jeden Fall für Ihre Geduld.“
„Keine Ursache.“
Endlich war ich draußen und auch an dem Drachen vorbei, der mich verächtlich musterte – hatte die etwa gelauscht?
Immer noch leicht benommen kehrte ich in unser Büro zurück und setzte mich, innerlich den Kopf schüttelnd. Dietlinde brachte mir die Hälfte der Trauben und flüsterte: „Was wollte er denn noch?“
„Hab ich auch nicht kapiert. Aber ich soll Stillschweigen bewahren.“
„Hat es was mit unserer Abteilung zu tun?“
„Eigentlich nicht. Mach dir keine Sorgen, aber frag mich bitte nicht.“
Damit war sie logischerweise nicht zufrieden, aber ich durfte ja nicht mehr sagen! „Eigentlich sieht er ziemlich gut aus, findest du nicht?“, wisperte sie weiter.
„Geht so. Er ist eben schick angezogen, das macht viel aus“, antwortete ich desinteressiert. Sollte ich dann neben ihm in zerrissenen Jeans auftreten, um den Kontrast richtig herauszuarbeiten?
„Mir gefällt er. Und er ist auch richtig nett mit unserem Vorschlag umgegangen, oder findest du nicht?“
„Nein, stimmt schon. Schau, wenn er ein guter Chef ist, muss er ja wohl erkennen, dass unsere Beschwerde dringend nötig war. Ich meine, wenn er nicht einmal erkennt, wie viel Arbeitszeit da verschwendet wird, dann kann er ja gar nichts! Was macht er dann auf diesem Posten?“
„Das Übliche. Unfähige Chefs gibt´s doch genug!“ Sie wies mit dem Kopf auf Gundler in seinem Kabuff, der gerade ein Verdauungsschläfchen einzulegen schien. Jetzt schreckte er aber hoch und kam herausgetrippelt. „Frau Schäfer, wenn Sie nichts zu tun haben, dann -“
„Doch, doch“, versicherte Dietlinde hastig und eilte an ihre neue Post zurück.
Ich öffnete alles, was mir der Bote auf den Schreibtisch gelegt hatte, während Dr. Praetorius mir diesen aberwitzig dämlichen Plan unterbreitet hatte, und sortierte etwas unkonzentriert. Für uns – für uns – für nebenan – Kfz – ein Brandschaden, das gehörte zu den Gebäudeversicherungen im vierten Stock, es stand sogar auf dem Umschlag, konnte der Bote nicht lesen? – für uns – für Gundler – für uns – aus. Ich leitete die Irrläufer weiter und ging an die Arbeit.
Bei Freunden mit dem Absatz im bodenlangen Tischtuch hängen geblieben und den ganzen Tisch ruckartig abgedeckt? Die wollten wohl ein neues Service? Fotos, Erklärungen aller Beteiligten, sogar die Rechnung des Service und der Gläser – natürlich, die allerteuersten waren es gewesen! – lagen bei und die Versicherung, man habe Scherben aufgehoben, so weit keine Essensreste daran klebten. Immerhin behaupteten sie nicht, das Silber sei auch zu Bruch gegangen. Insgesamt knapp unter 500 €, die wussten wohl schon, wo wir die Grenze zogen. Na gut, ziemlich überzeugend dargestellt! Ich schrieb eine kurze Begründung, füllte einen Scheck aus und brachte das ganze Gundler, der den Scheck unterschreiben musste.
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