1 ...7 8 9 11 12 13 ...20 Wieder was weg!
Ich stellte mir vor, ich würde bei den erhabenen Eltern Praetorius so etwas bieten – den Tisch umwerfen oder so. Toller Abend: Würden sie mich einfach vor die Tür setzen oder den Chef-Sohn gleich enterben? Und wie sollte er nach einem solchen Auftritt begründen, warum ich ihm gefiel? Alles Blödsinn – oder sollte ich die scharfzüngige Intellektuelle spielen? Wie hatte er sich meine Rolle denn vorgestellt? Und was war nach Weihnachten? Wir konnten den Quatsch ja nicht weiter laufen lassen, irgendwann gelangte das doch in die Firma, und wie standen wir dann da? Er als jemand, der die Mäuse aus der Sachbearbeiterebene vernascht: na gut, vielleicht war ihm das egal oder er war so blöd, dass er sich darauf noch etwas einbildete.
Aber ich wollte nicht als Idiotin dastehen, und das würde ich – entweder als eine, die glaubt, sie könnte sich nach oben schlafen (wohin denn? Er würde mir garantiert keinen besseren Job verschaffen!) oder, noch schlimmer, als eine, die bescheuert genug ist, sich in einen Vorgesetzten zu vergaffen. Nein, da blieb mir ja nur noch die Kündigung, und die Schmach würde mir wahrscheinlich auch noch an den neuen Arbeitsplatz folgen.
Mein Job war ohnehin schon nichts Besonderes, aber als Chefmatratze musste ich nicht auch noch verschrien werden.
Vielleicht war das Ganze bloß eine besonders ausgefallene Anmache? Ach, Quatsch – dann würde er sich doch eine aussuchen, die ihm gefiel, und nicht
eine, deren feuerroter Strubbelkopf seinen Zweck erfüllte !
Ich schreckte hoch und machte mich an den nächsten Vorgang, aber sehr konzentriert war ich bis Arbeitsschluss nicht. Ich vergaß sogar, die Trauben zu essen, obwohl mir die ganze Zeit der Magen knurrte, und musste sie um fünf schließlich mühsam in die zerrissene Tüte zurückstopfen, um sie mit nach Hause zu nehmen. Völlig desorganisiert! Reichte denn ein alberner Vorschlag, um mich so aus dem Konzept zu bringen? Ich nahm noch schnell ein Schnäpschen der Extraklasse für Opa mit – soweit war mein Hirn nun doch noch funktionsfähig – dann sank ich zu Hause aufs Sofa.
Dr. Praetorius hatte einen Knall. Und er war total naiv – ich hatte selbst Eltern, ich wusste, was man denen verkaufen konnte und was nicht. Und das würden sie nie glauben! Der Sohn ein feiner Herr, Chefetage und alles, was dazu gehört – und dann so was wie mich? Nie würden die das schlucken! Und hatte er nicht gesagt, er hatte noch zwei Brüder? Sogar wenn die Eltern schon völlig senil waren – die würden sich nichts vormachen lassen.
Praetorius war – naja, maximal vierzig. So sah er zwar nicht aus, aber vielleicht ließ man sich in Managementkreisen ja liften, um jung und dynamisch zu wirken. Wenn er der jüngste von den dreien war – die Mutter konnte gut achtzig sein, der Vater dann beliebig alt. Ja, vielleicht waren sie ja senil?
Blödsinn.
Dann könnte er ihnen doch vormachen, er sei längst verheiratet, ihr wart doch auf der Hochzeit, habt ihr das etwa vergessen?
Auf jeden Fall hatte er einen Knall! Und es war völlig zwecklos, über diesen Schwachsinn nachzudenken, ich würde nein sagen, war ja klar.
Was würde passieren, wenn ich mitmachte?
· In der Firma wäre ich als Idiotin abgestempelt.
· Seine Eltern würden mich sofort vor die Tür setzen.
· Sie würden ihn enterben und ich wäre Schuld – wer sonst?
· Sie würden sich totlachen und kein Wort glauben - und wir stünden beide als Trottel da.
· Wenn es klappte, wüssten wir hinterher nicht, wie wir da wieder rauskommen sollten.
Und gab es irgendeinen Vorteil? Sollte es wider alles Erwarten irgendwie doch funktionieren, schuldete Praetorius mir einen Gefallen. Na und? Erinnern konnte ich ihn schlecht daran, das grenzte ja an Erpressung. Und dann war ich meinen Job schneller los, als ich gucken konnte. Auf keinen Fall würde ich das tun, Praetorius hatte ganz echt einen Knall!
Wie viele Frauen hatte er wohl vor mir schon gefragt? Und warum hatten die abgelehnt? Er konnte es ja bei Dietlinde probieren, die war gerade im Begriff, sich in ihn zu vergaffen – die spielte bestimmt mit. Nein, die arme Dietlinde – die würde aus den Augen verlieren, dass alles nur Show war, wenn er dann sagte Vielen Dank, auf Wiedersehen , wäre sie völlig geknickt.
Nein, er brauchte schon eine, der er piepegal war. So gesehen war ich keine schlechte Wahl, das hatte er ganz gut erwischt. Ohne mich zu kennen, er wusste ja nur, dass ich schockierende Haare und ein freches Mundwerk hatte. Sachgründe, sozusagen.
Nein, die Idee war trotzdem total bescheuert. Ich würde ihm am Montag in der Firma absagen – diese Karte mit der Privatnummer würde ich keinesfalls missbrauchen, nachher dachte er noch, ich wollte mich anbiedern! War es nicht so was von egal, was er dachte? Auf eine eventuelle Beförderung hatte er doch wohl kaum Einfluss, das konnte höchstens Gundler machen – wohin überhaupt befördern? Unterhalb von Gundler arbeiteten zwölf gleichberechtigte Sklaven, da konnte ich doch sowieso nichts werden.
Also, wenn ich ohnehin nie auf eine Beförderung hoffen konnte, konnte es mir doppelt wurscht sein, was Dr. Praetorius von mir dachte, und wenn er mich für feige hielt – meinetwegen, man musste ja nicht jeden Blödsinn mitmachen! Klar würde ich absagen, ich war doch nicht blöde! Lieber verbrachte ich die Feiertage auf dem Sofa und trainierte mir den Plätzchenspeck später wieder ab. Und jetzt war Schluss damit! Lieber rief ich Hannah und Cora an, vielleicht hatten sie ja morgen Abend Zeit, mit auf ein Bier zu gehen.
Hannah hatte Zeit, Cora wusste es noch nicht. Wir verabredeten ins um sieben im Ratlos – wenn man später kam, fand man garantiert keinen Platz mehr – und Hannah wollte noch ihre Mitbewohnerin fragen. Schön, dann konnte ich gleich meine Weihnachtsgeschenke überreichen und Hannah in Verlegenheit bringen, wenn sie noch nichts für mich hatte. Ja, ich weiß, sehr christlich, sehr weihnachtlich – aber Leute ärgern ist nun mal das Allerschönste.
Apropos Leute ärgern – sollte ich den Machls einen Duftstecker schenken, einen von der Sorte Übertönt alle üblen Gerüche ? Wären sie dann hinreichend beleidigt?
Und vielleicht eine erfundene Mitteilung der Hausverwaltung ans Schwarze Brett hängen – nein, das war ein Kündigungsgrund, wenn es herauskam. Aber lustig wäre es schon, etwa ein Verbot von echten Kerzen an den Christbäumen... Das musste ich mir aber leider verkneifen. Doofen Eltern etwas vorzuspielen wäre vielleicht doch ganz lustig? Nein, das konnte sonst wohin führen, und am Ende war ich dann die Dumme. Lieber nicht!
Sollte ich ihm gleich absagen? Oder mir zuerst anhören, was Hannah, Cora und Anke dazu meinten? Und wenn die auch sagten, Lass den Blödsinn , dann absagen?
Wenn man über jemanden nachdenkt, sieht man ihn prompt dauernd – es sei denn, man will ihn auch sehen, dann ist natürlich keine Spur von ihm zu entdecken.
Am Freitag hatte Dr. Praetorius schon wieder eine Besprechung mit Gundler, der fast durchdrehte ob dieser Ehre und der Tatsache, dass sein Büro schon wieder aussah wie eine Müllkippe, und mittags aß er doch tatsächlich diesen fettig ausgebackenen Billigfisch mit Kartoffelsalat in dick Mayonnaise. Dietlinde und ich, hinter einer halbtoten Palme sichtgeschützt, beobachteten die Wirkung und pickten selbst zimperlich in unseren Salaten herum.
„Lebensmittelvergiftung?“, mutmaßte ich.
„Der arme Kerl“, empörte sich Dietlinde, „normale Übelkeit und ein langes Büroschläfchen genügen doch wohl.“
„Na gut. Aber der Kartoffelsalat hat irgendwie nach Salmonellen ausgeschaut, ich hab sie förmlich darin herumkrabbeln gesehen.“
„Salmonellen krabbeln nicht.“
„Nein?“
„Sie haben kleine Flügel und schweben über dem Salat“, erklärte sie mir todernst und prustete dann Wasser über den Tisch.
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