Das war ja gar nicht so lange! Aber verlockend klang es wirklich nicht.
Praetorius musste mein Gesicht richtig gedeutet haben, denn er lachte etwas kläglich auf. „Sie haben keine rechte Lust, stimmt´s? Ihnen fällt bloß kein guter Grund ein, abzusagen. Sie haben ja Recht, schöne Weihnachten werden das nicht unbedingt. Ich habe wohl gehofft, dass Sie an diesem Maskenspiel ein bisschen Spaß haben würden.“
„Hätte ich wohl auch. Aber was, wenn uns jemand sieht? Wenn sich das in der Firma herumspricht?“
„Dass wir gemeinsam meine Eltern hereingelegt haben? Wäre das so schlimm?“
„Das auch, weil es dann Ihre Eltern erfahren können, und dann stünden Sie doch wieder genau da, wo Sie jetzt stehen. Nein, ich habe etwas Naheliegenderes gemeint – wenn jemand in der Firma herumtratscht, wir hätten was miteinander? Das schadet Ihrem Ruf genauso wie meinem.“ Und Dietlinde wäre stinksauer auf mich, aber das konnte ich schlecht laut sagen.
„Da haben Sie nicht Unrecht. Es wäre nicht wirklich schlimm, ich meine, wir tun nichts Verbotenes, aber sehr stilsicher ließe es uns nicht wirken.“ Ich warf ihm einen nachsichtigen Blick zu – er stand ja reichlich auf der Leitung.
„Wenn es mal um Ihre Beförderung geht und Sie haben Konkurrenz, wen nehmen die Oberen dann wohl? Den, der die Finger nicht von den Sachbearbeiterinnen lassen kann, oder den anderen? Und ich kann mir jede Zukunft in der Firma abschminken, man würde ja doch nur sagen, ich hätte mich nach oben gevögelt.“
Praetorius verschluckte sich an seinem Wasser und hustete mit hochrotem Gesicht. Ich klopfte hilfsbereit auf seinen Tweedrücken. „Geht´s wieder? Was war denn?“
„Äh – nichts. Nur schade, Ihre Wortwahl hätte unser Weihnachtsfest doch sehr
belebt.“
„Weil ich gevögelt gesagt habe? Ich bitte Sie – da fallen Ihre Eltern in Ohnmacht?“
„Und wie! Und Tante Amalie kräht vor Begeisterung – oder kippt tot vom Stuhl, das kann man nie so genau sagen.“
„Und warum hätte ? Noch hab ich nicht nein gesagt.“
„Sie werden aber. Glauben Sie, ich merke nicht, wie Sie sich eine Rückzugsposition aufbauen?“
„Das sollte ich wohl“, seufzte ich, „aber auch wenn ich mich damit total in die Scheiße reite – ich kann einem guten Joke nicht widerstehen. Ich mach´s. Und Sie sind für alles verantwortlich, was daraus an Katastrophen entsteht!“
„Selbstverständlich.“
„Und das möchte ich bitte schriftlich!“
„Warum das denn?“
„Weil es garantiert einen Riesenärger gibt, und Sie mir dann die Schuld in die Schuhe schieben wollen. Ich hab früher genug Blödsinn angestellt, ich kenne das. Hinterher hatte ich immer den Dreck im Schachterl. Das möchte ich dieses Mal bitte vermeiden.“
„Gut, ich gebe es Ihnen schriftlich. Morgen. Und Sie machen wirklich mit?“
„Ja, ich mache mit. Ich hab sonst nichts vor.“
„Ihre Familie fährt Skilaufen, das haben Sie erzählt – und Ihr Freund? Hat der auch keine Zeit?“
„Ich hab im Moment keinen. Was ist mit Ihnen?“
„Mit mir?“
„Na, nahe liegend wäre doch, dass Sie Ihre reale Freundin mitnehmen – ist die genau, was Ihre Mutter sich wünscht? Oder noch furchtbarer als ich? Oder keine Freundin, sondern ein Freund?“ Er verschluckte sich schon wieder.
„Mit Ihnen essen zu gehen, ist ja lebensgefährlich“, japste er dann, „was meinen Sie denn damit? Glauben Sie, ich bin schwul?“
Ich zuckte die Achseln. „Keine Ahnung, das kann mir ja auch egal sein, nicht? Nur brauche ich die Fakten, und dazu gehört auch, warum Sie eine Leihfreundin brauchen.“
„Also, zu Ihrer Information“, begann er dann, und in seiner Stimme lag ein scharfer Unterton, „ich hin eindeutig hetero, aber ich habe zur Zeit keine Freundin. Die Gründe tun hier wohl nichts zur Sache.“
„Ist ja gut, regen Sie sich bloß nicht künstlich auf. Ich will doch nicht wissen, warum Sie keine Freundin haben, ich wollte auch nichts über Ihre sexuellen Vorlieben wissen – aber wenn plötzlich eine reale Freundin in Rothenwald aufgetaucht wäre, hätten wir ja doch etwas herumgestottert. Da sie nicht existiert, ist das Problem damit abgehakt. Zufrieden?“
„Zufrieden. Sie handhaben das Ganze recht geschäftlich.“
„Wie denn sonst?“, fragte ich erstaunt, „Sie sind doch der Chef, oder? Also ist es geschäftlich, auch wenn es sich in der Firma nicht herumsprechen sollte.“
„Heißt das, Sie betrachten die Angelegenheit als Überstunden?“
Ich grinste. „Klar. Als unbezahlte, keine Angst. Ich denke ja, dass ich Kost und Logis kriege, oder? Natürlich, wenn Ihre Mutter mich noch vor der Bescherung vor die Tür setzt, erwarte ich ein Zugticket von Ihnen. Zweiter Klasse genügt aber.“
„Nehmen Sie denn gar nichts ernst?“
„Ich hab´s durchaus ernst gemeint“, versicherte ich ihm und schob meinen halb leeren Teller beiseite. „Und wenn Sie mit Frau Schäfer abends was unternehmen, ist das dann auch geschäftlich?“
„Frau Schäfer ist eine Kollegin. Und eine Freundin. Natürlich ist das etwas anderes. Was wollen Sie denn eigentlich hören?“
„Weiß ich auch nicht so genau“, murmelte er. „Das jedenfalls nicht.“
„Tut mir Leid. Aber wenn Sie dachten, ich mache das aus einem fehlgeleiteten Helfersyndrom heraus oder so – sorry. Das ist aber doch auch reichlich irrelevant. Erzählen Sie mir lieber was über den Dresscode.“
„Dresscode?“
„Na, wie soll ich mich herrichten? Ich kann schon eine gewisse Bandbreite anbieten.“
„Was würden Sie vorschlagen?“
„Ich kenne doch Ihre Eltern nicht! Ganz durchschlagend wäre sicher ein Jogginganzug à la Erkan&Stefan, dazu Kaugummiblasen und dicke Turnschuhe. Ich kann aber auch die Kleinbürgertochter geben, die die feine Dame markiert. Leicht overdressed, Polyester statt Seide, Farben, die einen Hauch zu grell sind. Öko kann ich noch bieten, wenn ich diese Birkenstockdinger nicht weggeschmissen habe... Oder die klassenbewusste Proletarierin, Marke Parteivorstand der PDS . Was hätten Sie gerne?“
Er lächelte versonnen. „Können Sie sächseln?“
„Nein, so weit reicht es wieder nicht. Also, was soll es sein?“
„Nichts davon. Seien Sie ganz normal, ziehen Sie an, was Sie auch sonst an Weihnachten angezogen hätten.“
„Heißt das, das ist schon schlimm genug?“
„Unsinn. Aber wenn Sie im Jogginganzug auftreten – so sehr mich das reizen würde – wird meine Mutter nur misstrauisch. Ich will ja nicht zeigen, dass ich keinen Geschmack habe, sondern dass ich normale Frauen mag."
Ich schrieb das auf. „... normale Frau. Soll ich von Haushalt und Kinderchen träumen oder die Karrierefrau mimen?“
„Wie Sie wollen.“
„Dann werde ich nach Häuslichkeit lechzen. Mit meinem Job wirkt Karrieregeilheit auch ein bisschen albern.“
„Und, lechzen Sie in Wirklichkeit auch?“
„Ach wo. Ich weiß gar nicht, was ich will. Aber ich krieg das schon überzeugend hin, keine Sorge.“
„Ich mache mir keine Sorgen. Was wünschen Sie sich zu Weihnachten?“
„Bitte?“
„Na, wir brauchen doch Geschenke, oder?“
„Unsinn. Die haben wir uns natürlich schon am Morgen überreicht. Das werde ich mädchenhaft kichernd berichten. Was könnten Sie mir geschenkt haben – Moment... ist Ihre Mutter prüde?“
„Ziemlich.“
„Dann Wäsche, würde ich vorschlagen. Und was haben Sie gekriegt?“
Er dachte nach. Ziemlich lange, dann gab er auf.
„Keine Ahnung. Helfen Sie mir!“
„Mein Gott, was hat Ihnen Ihre letzte Freundin denn zu Weihnachten geschenkt?“
„Sich selbst, auf einem Silbertablett.“ Er errötete leicht.
„Nicht übel, aber das können wir nicht nehmen, dann kippt ihre Mutter aus den Latschen. Außerdem bin ich nicht der Typ, das kauft keiner. Was kriegen Sie sonst so?“
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