Der Nachmittag ging so schnell vorbei, dass er es gerade einmal bis ins Zentrum oder was er dafür hielt, schaffte.
Er gönnte sich ein Bier auf einem großen Platz, der vollgestellt mit Tischen und Stühlen, wie ein einziges, riesiges Restaurant aussah.
Danach ein kleiner Rundgang und schon war Zeit fürs Abendessen. Ein verlockender Grillduft wies ihm den Weg. Ein großes Stück Rindfleisch und einen halben Rotwein später, machte er sich auf den Heimweg. In bester Laune. Schon lange hatte er sich nicht mehr so wohl gefühlt, dachte er immer wieder.
Eine Stunde später, langsam wurde es dunkel, erreichte er den Zeltplatz.
Gespannt schlenderte er auf den Platz zu, wo er sich heute blamiert hatte. Sie saß vor dem Eingang, auf einem winzigen Klappstuhl. Das ließen zumindest die drei Beinchen, die schräggestellt unter ihrem verlängerten Rücken bis zum Boden reichten, vermuten. Vor sich eine Art umgedrehte Vase, die ihr als Tischchen diente.
Sie räkelte sich genussvoll und sah ihn dermaßen spöttisch an, dass er im Grunde nur noch vorbeigehen wollte.
„Kaffee“, sagte sie nur. Dass es eine Frage sein sollte, erkannte Krüger einzig an ihrer Mimik.
„Aber gern“, gab er mechanisch zur Antwort. Ohne zu überlegen, schon fast gegen seinen Willen.
Jetzt lächelte sie ihn breit an. „Ich habe nur einen Stuhl. Gäste waren nicht vorgesehen.“
„Das macht doch nichts“, antwortete Krüger. „Ich kann auch im Stehen.“ Jetzt lachte sie laut auf. „Das kommt gar nicht in Frage. Sie setzen sich jetzt hier hin! Ich brauche eigentlich keinen Stuhl“, antwortete sie bestimmt.
Krüger zierte sich. „Das kann ich doch nicht annehmen?“ „Ich muss ja sowieso in die Küche. Setzen Sie sich einfach hin“, beharrte sie.
„Küche?“, fragte Krüger. „Wo ist denn hier eine Küche?“
„Die Küche ist da, wo ich koche“, antwortete sie ernsthaft.
Krüger gab sich geschlagen und setzte sich.
Fasziniert sah er zu, wie sie eine kleine Pfanne mit Wasser füllte und sie auf einer einfachen Dose wie auf einem Herd abstellte. Die Dose entpuppte sich schließlich als Gasbrenner.
„Erstaunlich“, sagte er. „Was es alles gibt?“
Krüger war an diese Camping Utensilien nicht gewöhnt.
„Wie meinen Sie das?“, fragte sie. Ihrerseits erstaunt. Sprach er womöglich davon, dass sie ihn einfach so eingeladen hatte.
„So einen kleinen Ofen habe ich noch nie gesehen“, antwortete er. „Das ist alles neu für mich.“
„Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“, fragte sie zurück. „Hier ist ein Campingplatz. Alle benutzen diese Gasbrenner.“
Krüger verstand nicht sofort, dass sie aneinander vorbei redeten. „Ich besitze keinen“, antwortete er nur.
„Und wie machen Sie Ihren Kaffee heiß?“, fragte sie spöttisch. „Reiben Sie an der Pfanne?“
„Auf dem Herd natürlich“, gab er verständnislos zurück. „Ach so, Sie haben einen Herd. Wahrscheinlich auch noch eine Abwaschmaschine“, spottete sie weiter. „Das weiß ich nicht. Da müsste ich zuerst nachsehen“, antwortete Krüger ernsthaft. Jetzt stemmte sie die Arme in die Hüften. „Sie kommen direkt vom Mond!“
Krüger wollte schon antworten: nein, aus Salzburg.
Sie ließ ihm die Zeit nicht, die er benötigte, um Luft zu holen, sondern fuhr gleich fort: „Sie wollen mir weismachen, dass Sie nicht wissen, ob Sie in Ihrem Wohnwagen eine Abwaschmaschine haben.“
„Ich wohne in einem Bungalow. Ich bin zum ersten Mal im Leben auf einem Campingplatz. Das ist wirklich alles absolut neu für mich“, gab er zurück.
„Ach so. Sie sind gar kein Camper. Jetzt verstehe ich. Ich habe wirklich gedacht, sie wollen mich ...“, lachte sie.
„Ich sehe gleich heute Abend nach“, versprach Krüger, immer noch ernsthaft.
„Sie wollen mich verspotten?“
„Aber nein. Wie kommen Sie auf so eine Idee?“
Zum Glück kochte das Wasser.
„Wie heißen Sie eigentlich?“, fragte sie zwischen dem Kaffeezubereiten.
„Max, Max Krüger. Und Sie?“
„Nadja“, antwortete sie beiläufig.
Ein Glück, dass sie nicht sehen konnte, wie Krüger erschrak. Das durfte doch nicht wahr sein. Schon wieder. Wollten sich alle Nadjas dieser Welt an ihm rächen?
Sie stellte die dampfende Pfanne auf die Vase.
„Wieso bist du so blass, Max?“, fragte sie erstaunt. „Hast du einen Geist gesehen?“ Wieder lachte sie laut. Er ist wirklich blass, dachte sie, während sie die Tassen holte. Vielmehr kreideweiß. Seltsamer Typ.
„Hast du vielleicht einen Schnaps?“, fragte er.
„Aber sicher, was denkst du denn?“, antwortete sie über die Schulter. Sie reichte ihm ein volles Glas, das er in beide Hände nehmen musste, so stark zitterte er.
„Bist du krank?“, fragte sie vorsichtig.
„Nein, nein“, antwortete er. Wie sollte er ihr erklären, was ihn erschreckt hatte. Ein großer Schluck ließ ihm noch etwas Zeit. Sag‘s ihr, hämmerte in seinem Kopf.
„Ich erkläre es dir. Du darfst aber nicht böse werden“, begann er. „Mit dir hat es wirklich nichts zu tun. Ich habe bis jetzt mit Frauen mit diesem Namen“, er konnte ihn nicht aussprechen, „nur veritable Katastrophen erlebt. Es tut mir leid. Ich bin völlig unmöglich, ich weiß.“
Sie lächelte trotzdem weiter. „Wenn es nur das ist, dann kann ich dich beruhigen. Ich heiße Elisabeth. Aber wenn ich jemanden nicht gut kenne, sage ich manchmal Nadja.“
Für Krüger ging für diesen Tag die Sonne zum zweiten Mal auf. „Elisabeth. Ein wunderbarer Name“, flüsterte er. „Findest du wirklich? Ich nicht.“
„Soll ich Sissi sagen?“, fragte er.
„Bitte nicht!“
Den Kaffee tranken sie schweigend. Beiden genügte es, den anderen nur anzusehen. Krüger saß auf dem Stuhl. Sie vor ihm, im Schneidersitz auf einer Decke, im Gras. Ihre Augen glänzten im Mondlicht.
„Gehen wir nachsehen?“, fragte Krüger endlich.
„Was nachsehen?“, gab sie zurück.
„Die Abwaschmaschine.“
Ohne zu zögern, ergriff sie seine ausgestreckten Hände, damit er sie hochziehen konnte.
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