Maus sah auf. „Sag ihm, hier auf den Schreibtisch.“
„Da drüben auf den Schreibtisch“, gab die Lady weiter und der Roboter tat, wie ihm geheißen war. Oder er versuchte es zumindest, denn als er das Glas vom Tablett nehmen wollte, ging es zu Bruch.
„Halleluja!“ rief die Menschine.
„Sein Schöpfer hat ihm nie das Fluchen beigebracht“, meinte Lady Maus säuerlich, „aber zum Glück ist er ganz gut im Putzen – und das wird er jetzt auch machen, verstanden?“
„Ja. Lady Maus“, kam es kleinlaut zurück und die Mannschine ging hinaus, um ihr Putzzeug zu holen – ein Gang, den sie nur zu gut kannte.
„Ich… schreib dann mal meinen Bericht und dann sehen wir weiter“, sagte Captain Lee schnell und die beiden verschwanden, bevor jemand auf die Idee kam, sie zu zwingen, den Roboter, der auf ihrem Schiff bereits ein paar kleinere Schäden angerichtet hatte, wieder mitzunehmen.
„Angus?“
Captain Lee sah auf. Er befand sich im Konferenzraum der Föhr und blickte aus dem Fenster, während er versuchte, eine Lösung für sein Problem zu finden.
„Schon weitergekommen?“ wollte sein erster Offizier wissen.
„Kann man nicht sagen“, gestand der Kapitän.
„Das ist schlecht, Pispers sagt, wenn wir zum Rendezvous mit der Seepferdchen nicht zu spät kommen wollen, müssen wir uns bald auf den Weg machen.“
„Er soll schon mal anfangen, den Kurs zu berechnen“, seufzte Lee. Dann deutete er auf einen Block, der auf dem Tisch lag. „Die Mannschine bleibt bei ihrer Aussage. Und es gibt zu wenig Präzedenzfälle, auf die ich mich berufen könnte.“
„Zu wenig?“
„Keinen, um genau zu sein.“ Lee zuckte die Schultern. „Außerdem bin ich kein Jurist und nein, ich bin nicht sonderlich froh, dass das hier draußen auch in unseren Aufgabenbereich fällt, nur weil es in Rio de la Plata keinen einzigen Anwalt zu geben scheint.“
„Klingt das nicht traumhaft“, seufzte Pinogretto verträumt. „Wie auf diesem einen Planeten, wo sie gar nichts haben, was Streitereien auslösen könnte. Keine Religion, kein Geld, keinen Liebeskummer…“
„Ich hab davon gehört. Klingt angenehm.“
„Und Venedig da unten scheint auf dem Weg dahin zu sein, genau so eine Gesellschaft zu werden.“
„Mit einer Ausnahme.“
„Dem Mord?“ fragte die Frau.
„Ganz genau. Sowas versaut einem wirklich die Statistik. Falls es denn überhaupt ein Mord war“, fügte der Kapitän hinzu. „Immerhin könnte es ja auch so etwas wie eine technische Fehlfunktion gewesen sein, dass die Maschine gar nicht schießen wollte, es aber aus irgendeinem technischen Grund dazu gekommen ist.“
„Möglich.“
„Und da wäre dann wahrscheinlich der Schöpfer der Mannschine zur Verantwortung zu ziehen, weil ein technischer Fehler möglicherweise auf seine Kappe geht.“
„Aber da er das Opfer ist…“
„…können wir ihn schwerlich dafür zur Verantwortung ziehen. Und, was weit unangenehmer ist, leider auch nicht seine Expertise einholen.“
„Was machen wir also?“
„Ich habe mal nachgeschlagen, was man bei Fällen tut, wo in Fabriken Maschinen für Todesfälle verantwortlich sind, aber auch da kommen wir wieder zurück auf den Schöpfer und menschliches Versagen.“
„Das hilft also nicht weiter.“
„Kann man nicht sagen, nein. Und es gibt mir auch keine Hilfestellung in Bezug darauf, was mit einer solchen Maschine zu tun ist.“
„Die werden die wohl repariert haben.“
„Was hier auch keine Option ist, da wir nicht wissen, was mit der Maschine nicht stimmt.“
„Außer, dass sie ungeschickt ist.“
„Genau.“ Lee lehnte sich in seinem Sessel zurück und blickte seufzend aus dem Fenster.
„Ich glaube, du brauchst eine Ablenkung“, entscheid sein erster Offizier und gab etwas in ein kleines Schaltpult ein.
„Bist du jetzt auch noch Schiffsdoktor?“
„Nein, aber ich habe trotzdem eine schöne Therapie für dich.“
Über dem Tisch erschien ein Hologramm.
„Das ist… schön“, gab Lee überrascht zu.
„Nicht wahr?“
„Ja.“
Das Bild wechselte und ein anderes Motiv erschien, ein Sonnenuntergang. Dann kam ein blauer See. Ein Himmel, durch den sich rote Wolken zogen. Eine beeindruckende Felsformation.
„Sehr schön“, meinte der Captain anerkennend. „Wo hast du die her?“
„Aus dem Archiv.“ Sie lächelte keck. „Die stammen alle von unserem Holographen. Ich wollte mal sehen, was der so macht.“
„Ich bin beeindruckt.“
„Das war ich auch.“
Es kamen Ansichten von Planeten. Gebäude. Himmel. Plätze.
„Uh, das da kenn ich“, sagte Lee und deutete auf die große Statue in der Mitte des Hologramms. „Das ist auf Rom, vor dem Kaiserpalast. Die Statue des ersten Kaisers.“
„Wofür hat der ne Statue bekommen?“
„Weil er der erste Kaiser war. Aber…“
„Was?“
„Irgendwas stimmt an dem Bild nicht.“
Pinogretto ließ das Hologramm weiterhin über dem Tisch schweben.
„Was soll daran nicht stimmen?“
Der Captain kratzte sich das Kinn. Irgendwas kam ihm merkwürdig vor. Es war herrlicher Sonnenschein, aber…
„Keine Menschen!“ stellte er fest. „Sieht aus, als wäre das ein toller Tag, aber da sind keine Menschen.“
„Vielleicht erfreut sich der Kaiser eben keiner großen Beliebtheit.“
„Das tut er nicht, niemand interessiert sich für den Kaiser.“
„Ist ja auch keine Machtposition.“
„Eben. Aber auf dem Kaiserplatz gibt es eine phantastische Würstchenbude, die beste auf den drei Zentralplaneten, und deshalb ist der Platz auch immer gerappelt voll.“
„Ah!“ Pinogretto ging ein Licht auf. Sie spulte ein paar Bilder weiter. „Du meinst, wie so was hier.“
Vor ihnen entstand der große Raumhafen von Washington, ein Ort, der rund um die Uhr von Menschen bevölkert war, und das nicht wegen seiner einmaligen Architektur. Und doch, auf dem Hologramm war keine einzige Person zu sehen.
Lee starrte mit offenem Mund darauf. „Ja“, meinte er fast sprachlos, „genau so was.“
Seine erste Offizierin lächelte wissend. „Siehst du, das war den Holographen und ihren Vorfahren den Phonographen…“
„Photographen“, korrigierte ihr Captain.
„…schon immer ein Dorn im Auge, was auch immer diese altmodische Bezeichnung bedeuten soll. Es hat sie jedenfalls gestört. Besonders bei Sachen, die man Touristenattraktionen nannte. Die ziehen, ihrem Namen entsprechend, nämlich Horden von Touristen an, aber wenn man sie photographieren will, will man die ja nicht alle mit auf dem Bild haben, oder?“
„Nein, will man nicht.“
„Also hat man etwas erfunden. Etwas, das all die kleinen Menschen schon beim Machen der Aufnahme herausfiltert. Und schon entstehen die schönsten Bilder, ohne dass einem hunderte von Leuten vor der Linse stehen.“
„Aha.“
„Das hat, glaube ich, damit angefangen, dass die Leute gerne aus Fahrzeugen heraus Bilder gemacht haben. Aber Fahrzeuge haben Scheiben und Scheiben spiegeln, also waren viele dieser Bilder nicht so toll, weil man außer dem Zielobjekt eben auch Teile vom Inneren des Busses mit auf dem Bild hatte. Also hat jemand etwas erfunden, das den Spiegeleffekt automatisch beseitigt und schon hatte man bessere Bilder.“
„Klingt nach einer guten Idee. Wie die Sache mit der Uhr bei Filmen.“
„Das was bei was?“ fragte Pinogretto verwirrt.
„Der Uhr bei Filmen. Hin und wieder sieht man in alten Filmen ja auch eine Uhr, oder?“
„Ja… möglich.“
„Und früher hat diese Uhr immer nur die Zeit angezeigt, mit der man sie für den Film aufgenommen hat.“
„Ist das nicht furchtbar verwirrend? Wenn man den Film sieht und da ist es 12 Uhr, aber in Wirklichkeit ist es erst sieben Uhr?“
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