Und auch im Bereich der Roboter, also Maschinen, die zwar die körperliche Gestalt von Menschen nachempfanden, aber durch ihre metallene Erscheinung eindeutig keine waren, hatte es nur wenig Nachfrage gegeben und so blieben die Roboter, die es gab, einer kleinen Zahl von Exzentrikern vorbehalten, wie zum Beispiel Hyronimus Maus, der gerade in diesem Moment das Zimmer betrat.
„Ich meinte, dass ein Roboter einen Menschen umbringen kann“, murmelte Lee, doch der eintretende Maus winkte direkt ab.
„Sowas dürfen Sie nicht sagen!“ widersprach er.
„Sie meinen, es ist völlig unmöglich?“
„Ich meine das Wort ‚Roboter’“, korrigierte der Mann.
„Bitte?“
„Das Wort ‚Roboter’ wird hier ungern gehört. Der Schöpfer dieses wunderbaren Gerätes hat von ihm gerne als ‚Mannschine’ gesprochen, eine menschliche Maschine.“
„Vielleicht können wir den dann mal fragen, ob er es für möglich hält, ob eine seiner Mannschinen einen Menschen umbringen könnte.“
„Ich fürchte, das wird schwierig sein.“
„Warum?“
„Weil er dort auf dem Fußboden liegt.“
Maus deutete auf die Leiche.
„Sie meinen…“
„ Er war der Schöpfer dieser wundervollen Mannschine“, bestätigte der Mann, der einen geheimnisvollen Bademantel oder etwas ähnliches trug.
„Oh“, warf der Captain ein. „Ich schätze, das wird eine Befragung schwierig machen.“
„Ach, er war nie besonders hilfreich“, winkte Maus ab. „Außer seiner Schöpfung hat er nicht viel zustande gebracht. Obwohl er einen Plan gehabt hat, was er als nächstes tun wollte.“
„Und das wäre?“
„Eine Zeitmaschine bauen.“
„Um… seinen eigenen Tod zu verhindern?“
„Nein, dafür hätte er ja erstmal wissen müssen, dass er sterben würde.“ Maus verdrehte die Augen. „Nein, er wollte in die Vergangenheit reisen, weit, weit zurück in die Zeit der Erde und dort wollte er…“
„Die Vernichtung der Erde verhindern?“
„Ach, Blödsinn, er wollte die Person ausfindig machen, die seinerzeit den Begriff Roboter erfunden hat und wollte sie dazu zwingen, ihn durch Mannschine zu ersetzen. Damit wäre sein Begriff dann der Standardbegriff für derlei Metallmänner geworden.“
„ Dafür wollte er eine Zeitmaschine erfinden?“ meinte der Commander fassungslos.
„Ein bisschen übers Ziel hinaus, oder?“ lachte Maus.
„Allerdings.“ Captain Lee sah sich um. Seine Leute hatten den Raum bereits mit Sensoren untersucht. Nur vier Menschen waren hier ein und aus gegangen, der Tote eingeschlossen. Bislang deutete alles auf die Mannschine hin, was aber auch damit zusammen hing, dass keiner der Menschen das Verbrechen zugeben wollte.
Der Tathergang war offenbar folgender: Es gab eine Waffe im Haus. Man hatte diese Waffe auf das Opfer gerichtet und abgedrückt. Zum Tatzeitpunkt war offenbar nur die Mannschine im Haus gewesen, aber das konnte ja durchaus gelogen sein. Worauf Lee hoffte, und wovon er wusste, dass es das nicht geben würde, weil es das in den Filmen auch nie gab, war ein Zeuge, der die Tat beobachtet hatte.
„Gibt es zufällig jemanden, der die Tat gesehen hat?“ fragte er trotzdem.
„Aber natürlich!“ rief Maus.
„Wer?“
„Die Mannschine.“
Und damit ihr Tatverdächtiger Nummer 1.
„Sie nicht?“
„Leider nein“, schüttelte der Mann den Kopf. „Ich meine, wenn ich es gewusst hätte, natürlich wär ich dann hier geblieben.“
„Um es zu verhindern?“
„Um es aufzunehmen.“
„Aufzunehmen?“
„Im Bild festzuhalten. Wann hat man schon mal die Gelegenheit zu so was? Oh, es wäre phantastisch gewesen. Also, außer für den armen Chun. Aber für uns andere, wäre das nicht großartig gewesen? Es hätte mir Preise einbringen können!“
„Was machen Sie noch mal?“
„Ich bin Holograph.“
Pinogretto kicherte.
„ Holo graph!“ zischte Lee.
„Ach so.“
„Ich mache Bilder. In zwei bis fünf Dimensionen“, lächelte er, „je nachdem. Mal bewegt, mal nicht, mal zweidimensional, mal holographisch, mal alles zusammen oder nichts davon. Sollten Sie nicht auf einer Hochzeit machen, da sind die Vermählten hinterher ganz böse mit Ihnen!“ riet er freudig.
„Sie haben also keine Bilder vom Tathergang gemacht?“
„Leider nicht“, seufzte Maus und sein Bedauern wirkte echt.
„Sie wissen also nicht, was hier passiert ist?“
„Ist das denn nicht offensichtlich?“ wollte der Künstler wissen.
„Jemand hat Ihren Bekannten ermordet.“
„ Etwas hat meinen Bekannten ermordet!“
„Sie meinen…“
„Die Mannschine, ja, ach, eine wunderbare Erfindung – aber tollpatschig. Und gefährlich!“ setzte er mit erhobenem Zeigefinger nach. „Wir alle kennen die Geschichten.“
„Welche?“ kicherte Pinogretto, die noch immer mit dem Begriff Holograph haderte.
„Na die von der Maschine, die sich gegen ihren Schöpfer auflehnt.“
„Ach die“, nickte sie. „Ist das nicht ein Klassiker?“
„Es ist der Klassiker in diesem Bereich der veralteten Zukunftsliteratur“, stellte Maus klar. „Ein Mensch erschafft eine Maschine. Die Maschine ist intelligent. Sie entwickelt ein Bewusstsein. Sie tötet ihren Schöpfer.“ Er zuckte die Schultern. „Ehrlich gesagt wundert mich nur eins.“
„Und das wäre?“
„Dass es nicht schon viel früher geschehen ist!“
Nachdem Hyronimus Maus in den Garten entfleucht war, einen wehenden Bademantel hinter sich her flatternd, beschäftigten sich die beiden Offiziere wieder mit der Leiche.
„Er wurde also erschossen?“ begann die Commanderin.
„Richtig“, nickte ihr Kapitän und sah sich um. Auf einer Couch lag eine Waffe, die Tatwaffe, wie ihm seine Techniker versichert hatten. Irgendjemand – oder irgendetwas – hatte sie auf das Opfer gerichtet und abgedrückt. Es konnte der Roboter oder vielmehr die Mannschine gewesen sein, aber…
„Gibt es da nicht Regeln“, wiederholte Lee seinen Gedanken von vorher. „Regeln, die es einem Roboter oder wie auch immer man das nennen will, verbieten, einen Menschen umzubringen?“
„Die gibt es in den Büchern“, bestätigte Pinogretto, „aber es gibt zu wenige Roboter im Imperium und die, die es gibt, sind alle handgefertigt.“
„Soll heißen: Es gibt also keinerlei Regeln.“
„Ganz genau. Wenn jemand seinen Robbi zu einer wandelnden Mordmaschine machen möchte, dann kann er das tun. Ist natürlich nicht gern gesehen, aber da Roboter halt keiner Massenfertigung entspringen, gibt es keine einheitlichen Programme oder Parameter.“
„Das ist sehr ärgerlich.“
„Allerdings.“
„Und noch ärgerlicher ist, dass wir die einzige Person, die uns mehr über diese Mannschine sagen könnte, nicht dazu befragen können.“
„Glaubst du, es ist was dran?“
„Woran?“
„Dass sich die Maschine gegen ihren Schöpfer aufgelehnt hat?“
Der Captain zuckte die Schultern. „Möglich. Möglich ist aber auch, dass das Gewehr da auf der Couch gelegen hat, und dann ist ein Vögelchen hereingeflattert, hat sich auf den Abzug gesetzt und das Opfer stand zufällig gerade am falschen Platz.“
„Ja“, stimmte der Commander zu, „mit der Einschränkung, dass es hier keine Vögel gibt.“
„Sonst irgendwelche Haustiere?“
Pinogretto sah auf ihren Block.
„Nicht, soviel wir wissen.“
„Und so viel wissen wir ja leider nicht.“
Captain Lee seufzte.
„Und was jetzt?“
„Sehen wir uns den Verdächtigen an.“
Die Mannschine hörte auf den Namen „Menschi“. Sie war etwa so groß wie ein mittelgroßer Mensch, bestand komplett aus Metall und hatte ein gütig wirkendes Gesicht. Es war ein Metallgesicht, das nur in seinen Grundbestandteilen einem menschlichen Gesicht nachempfunden war, fast so, als wäre es eine grobe Zeichnung eines menschlichen Gesichts. Und doch konnte man alles Wesentliche erkennen. Auch die Körperhaltung der Maschine verriet etwas. Sie schien bedrückt zu sein…
Читать дальше