Otto W. Bringer
Italien mit allen Sinnen …
Imprint
Italien mit allen Sinnen
Otto W. Bringer
Alle Rechte bei Schillinger Verlag Freiburg
1. Auflage 2013 • ISBN 978-3-89155-379-4
Titelgestaltung und Fotos vom Autor
Gesamtherstellung: Schillinger Verlag Freiburg
E-Book Konvertierung:
sabine abels www.e-book-erstellung.de
PADUA – wer glaubt wird selig?
VICENZA – Architektur mit Langzeitwirkung
LUCCA – Männerbeine und Sankt Michael
BONAVIGO – am liebsten Liliputfeigen
VENEDIG – Moostropfen pflücken unter Brücken
TORCELLO – der ‚Jüngste Tag’ für Angsthasen
AMALFI – Zitronen sind nicht sauer
Der Träumer von TRISSINO
NEAPEL – o mia bella Napoli
AMALFI – eine Nacht im Sarazenenturm
VENEDIG – Theater ausgebrannt, was nun?
LAGO BOLSENA – fremder Opa lädt uns ein
POSITANO – oder Portofino?
ARQUÀ PETRARCA – der verliebte Diakon
MONTEGROTTO – eine heiße Viertelstunde
RAVELLO – Klingsors Garten
SAN VIGILIO – Princess Diana am Gardasee
RAVENNA – Wiedersehen mit der Kaiserin
SIENA – siebzehn Pferde und ein gestreiftes Tier
BARI – achteckig und kreiselrund
FLORENZ – Baronessa in Villa, Bistecca in Olio
ASOLO – von Pfirsischbäumen ins Grappaglas
TIVOLI – wandern zwischen zwei Welten
PISA – schief schaufelt Geld in die Kasse
AREZZO – San Daniele kennengelernt
CHIOGGIA – es muschelt bis Freiburg
MANTUA – Mathilde hielt es mit dem Papst
VIETRI SUL MARE – Kachelhausbilder
MONTAGNANA – Labyrint und schlaue Tante
VILLA CAPODILISTA – optische Täuschung?
ATRANI – Muschelplätzchen
CASTELNUOVO – der Bauer und sein Sohn
HEIMWÄRTS – Bootsfahrt, Stau, verschneiter Pass
PALERMO – unentschieden
PADUA – wer glaubt wird selig?
Was Franz für Assisi, ist Anton für Padua. Zwölf Minuten mit der Bahn von Montegrotto. Und schon sind wir da, wo die Wallfahrer einfallen. Mit Bahn, Bussen und PKWs. Zu fast allen Jahreszeiten. Es scheint viel verloren zu gehen in der Welt. Geldbörsen, Autoschlüssel, Mützen, Schirme, Kinder und Ehepartner. Der heilige Franziskus soll es wiederbringen.
Padua ist eine der ältesten Städte Italiens. Uns ist diese schöne Stadt viele Besuche wert. In eleganten Geschäften entzückt uns ‚alta Moda’, neue italienische Designermode. Nicht nur eine Bluse stammt aus Padua. Rose stehen sie wie maßgeschneidert. Danach über den Prato della Valle zu schlendern, ist ein Genuss für die Augen. In weitem Bogen umschließen die Häuser eine grüne Mitte. Mit weißen Skulpturen auf runden Podesten. Marmorbrücken über ein fließendes Gewässer, in dem der Himmel sein Blau spiegelt. Mit vielfältig schönen Fassaden und immergrünen Bäumen um die Wette.
Sehe ich dann im Zentrum dieser Schönheit meine Rose, überwältigt mich ein Gefühl, für das nur das alte Wort glückselig zutrifft. Ja, immer dann, wenn sich Schönes mit Schönem vereint. Rose im marmorweißen Mantel. Schlank wie eine junge Zypresse. Im rotgoldenen Haar leuchtet die Sonne. Diese stolze Frau ist meine Frau. Nicht zu fassen. Ach Rose. Gehen wir weiter.
Richtig rustikal dagegen die bedeutenden Kirchen. Sehen aus, als wären sie gerade aus dem Backofen gekommen. Es gibt drei solch gewaltige Baukörper, die Kathedrale mit Baptisterium, Basilika Sant Antonius, Basilika Santa Justina. Sie lassen nur wenig Weiß zu. An Gesimsen und Umrandungen. Sind in der Tat mit Millionen Steinen aus gebackener Tonerde errichtet. Sparsam mit Marmorsahne verziert. Von unterschiedlich großen Kuppeln grün überwölbt. Größtes und grandiosestes Beispiel die Basilika San Antonio. Wallfahrtsort für Antoniusgläubige aus aller Welt.
Wir sehen Menschenmassen, die drängen. Wohin? An die Souvenirbuden. Schon mal gucken, was es alles gibt. Dann aber in die Basilika. An seinen Altar. Der besonders aufwendig geschmückt ist. Damit ihn niemand verwechselt mit einem anderen Heiligen.
Es gibt viele in dieser hohen Halle. Aber nur einen Mönch. Erkennbar an der Tonsur, Franziskus. „Schatz, hier ist Santa Rosa“, ruft Rose lauter als hier angebracht ist. Verständlich. Auch Santa Rosa von Lima hat einen eigenen Altar. Rose entdeckte ihn vor mir. So, als zögen Rosen Rose an. Ab da ist und bleibt die Heilige Namenspatronin meiner ungläubigen Frau.
Gedränge wie auf einem Flohmarkt. Jeder will eine Kerze anzünden. Noch so viele Kerzen können den Kampf mit der Dunkelheit des Raums nicht gewinnen. Bunte Mäntel haben kaum Chancen gegen all die dunklen um sie herum. Es ist, als ginge es zur Beerdigung. Dunkel ist heilig. Ich empfinde genau andersherum. Sollten mit hellen Kleidern zeigen, dass sie sich freuen, einen Antonius zu haben. Andere Christen haben keinen Wiederbringer. Vielleicht meinen sie auch, der Umweg über einen Heiligen ist Gotteslästerung.
Sogar ich betete dann und wann zum Heiligen Anton, damit er mir hilft, aus dem Blick Geratenes wiederzufinden. Es fand sich. Meistens. Nicht immer. Rose ist skeptisch bei solchen Ritualen. Sie durchforstet erst mal ihr Gedächtnis. „Wo ist es normalerweise? Gefallen? Verrutscht? Verschoben? Wo war ich zuletzt? Was hatte ich an? Und so weiter. Immer aber lasse ich mir Zeit. Irgendwann wird es schon wieder da sein.“
Rose überzeugte mich. Machte es ab da auch so. Kann aber nicht verhehlen, dass mir gelegentlich spontan über die Lippen rutscht: „Heiliger Antonius, hilf.“ Katholische Erziehung sitzt tief.
In den Buden vor der Kathedrale glitzert der Wunderglaube mit Lichterketten. Dicht an dicht Kerzen aller Längen und Dicken. Antoniusfiguren von handspannenklein bis lebensgroß. Gebetbücher. Rosenkränze mit erbsenkleinen und wallnussgroßen Rosenkugeln. Ansichtskarten. Antoniusbildchen. Leporellos der Stadt Padua. Pillendöschen. Pralinendosen. Schmuckkassetten. Auf allen der Heilige. Übersicht keine. Nur blind zugreifen hilft. Oder weitergehen. Mit schlechtem Gewissen.
Im Mittelalter glaubten die Menschen alles, was ihnen ewiges Heil versprach. In Worten und Bildern. Den Antoniuskult, wie wir ihn kennen, gab es noch nicht. Obwohl der Mönch schon 1227 als Bußprediger auftrat. Er interpretierte die Bibel als Aufforderung, für Sünden zu büßen.
Es gab einen ganzen Katalog von Bußen. Jeder nach seinen Möglichkeiten. Seine Botschaft war Richtschnur für jedermann. Ob er nun ein armer Teufel war, der mit zehn Vaterunser des Himmels ziemlich sicher sein konnte. Oder ein vermögender Mensch, der mit reichlich Spendengeld seine Seele retten wollte. Und überhaupt nicht sicher sein durfte. Von wegen: Eher kommt ein Kamel durch´s Nadelöhr als … ein Reicher in den Himmel. Trotzdem versuchten sie es immer wieder. Und glaubten, das Öhr einer Stopfnadel ist groß genug für sie. Diesmal weiß ich mehr. Erzähle Rose eine Geschichte.
„Am 6.Februar 1300 kaufte der Bankier Enrico Scrovegni aus Padua das verfallene römische Amphitheater, um auf den Trümmern einen Palast und eine Kapelle zu bauen. Die Kapelle sollte seinem Vater, dem Bankier Rinaldo Scrovegni gewidmet sein. Der war kein armer, sondern ein arger Teufel. Dante nannte ihn in seiner ‚Divina comedia’, Göttliche Komödie, mit Namen. Er beschrieb ihn als einen Typ von Wucherern, die wegen ihrer Geschäftsmethoden in der Hölle schmoren.“
Ich hatte viel gelesen, sogar behalten. Weiß, dass Rose die Hölle mehr interessiert als der Himmel. „Erzähle weiter“, fordert sie mich auf. „Sohn Enrico glaubte, mit dem Bau einer Kirche könnte er das Sündenregister seines Vaters löschen. Im Nachhinein Abbitte leisten, damit er doch noch in den Himmel kommt. Gewissermaßen das Sühneopfer des Sohnes für den Vater.“
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