1 ...8 9 10 12 13 14 ...20 „Der Sonnenschein da an der Wand ist mein Kollege Alex Bather“, sagte Krüger. „Wir arbeiten zusammen an diesem Fall.“
Der grinsende Mann nahm eine Hand aus der Hosentasche, winkte kurz und ließ sie dann wieder verschwinden. „Na, Schätzchen, ’ne lange Nacht gehabt?“
Das reichte.
„Was fällt Ihnen ein?“, brauste sie auf. „Wenn Sie mich noch einmal Schätzchen nennen, können Sie was erleben! Ich beschwer mich, echt! Und es geht Sie gar nichts an, wie ich meine Nächte verbringe!“
Die Männer sahen sich an. Nun grinsten beide, Krüger allerdings nur für eine Schrecksekunde. Ernst blickte er ihr wieder ins Gesicht, direkt in die Augen, ohne zu blinzeln. Sie bekam eine Gänsehaut und rieb sich ärgerlich die Unterarme.
„Ich fürchte, genau das geht uns etwas an. Das ist sogar der einzige Grund für Ihre Anwesenheit heute. Nämlich zu klären, wo Sie zur Tatzeit waren.“
„Das habe ich Ihnen doch schon gesagt! Ich war zu Hause. Allein. Aber ich habe die … diese Frau … nicht umgebracht.“
Krüger nickte. „Zur Kenntnis genommen.“ Er lehnte sich zurück. „Erzählen Sie uns etwas über sich. Sie sind sehr temperamentvoll, stimmt’s?“
„Er meint, ob Sie leicht erregbar sind“, mischte sich sein Kollege ein.
Sie wusste genau, dass die Bemerkung absichtlich zweideutig formuliert worden war, und kochte innerlich. Aber sie versuchte, sich zu beherrschen. Die beiden wollten sie aus der Reserve locken. Das war vermutlich dieses Guter-Bulle-Böser-Bulle-Spiel, von dem sie in den Krimis immer sprachen. Misstrauisch musterte sie die Polizisten. Nun grinsten beide. Das sah eher nach Alberner-Bulle-Noch-Albernerer-Bulle aus, und davon hatte sie noch nie etwas gehört. Ob das eine geheime Polizeitaktik war? Sie beschloss, sich nicht weiter provozieren zu lassen.
„Ich habe das schon verstanden. Und ich rege mich nur auf, wenn man mich ärgert.“
„Hat Frau“, Krüger sah auf ein Blatt Papier, „Waszciewski Sie geärgert?“
„Nein. Sie ist eine sehr ungeduldige, launische Kundin gewesen. Das ist alles.“
„Haben Sie eine intime Beziehung?“
„Ich mit dieser Frau?“, fragte sie verwirrt. Der Mann an der Wand gab ein unterdrücktes prustendes Geräusch von sich.
„Nein“, grinste Krüger, „mit einem Mann. Oder einer Frau, was auch immer. Sie sind ledig, gut. Aber haben Sie einen festen Freund oder sonst jemanden, der Ihnen ähnlich nahesteht?“
„Warum? Sind Sie einsam?“
„Uh“, machte der Mann an der Wand. Sie ignorierte ihn. Krüger schien dasselbe mit ihrer Frage zu machen. Ihr Herz schlug wie wild. Ob man ihr diesen Ton durchgehen lassen würde? Aber sie hatte nicht die Absicht, sich von den beiden hier verarschen zu lassen. Sie reckte ihr Näschen etwas höher in die Luft.
„Nein, ich habe zurzeit keinen festen Freund. Ich hatte einen, aber wir haben vor drei Wochen Schluss gemacht. Brauchen Sie noch mehr Details?“
„Namen und Adresse, bitte.“ Krüger schob ihr einen Notizblock mit Kugelschreiber herüber. Als sie sich wieder zurücklehnte, fuhr er fort: „Wo waren Sie in der Nacht von gestern auf heute?“
„Mit einer Freundin unterwegs.“
Er deutete erneut auf den Block, und sie gehorchte.
„Und wie lief der Abend ab?“
„Wir haben etwas getrunken. So gegen Mitternacht bin ich nach Hause und dann habe ich geschlafen. Allein. Ohne Zeugen. Obwohl ich es mittlerweile doch wohl besser wissen müsste.“ Sie konnte sich einen patzigen Ton nicht verkneifen.
Die beiden Männer sahen sich an. Krüger beugte sich vor. Plötzlich lag Spannung in der Luft. Sie rutschte in ihrem Stuhl ein Stück zurück.
„Wie meinen Sie das? Dass Sie es besser wissen müssten? Woher hätten Sie wissen können, dass Sie wieder ein Alibi brauchen würden?“
Beunruhigt stellte sie fest, dass ein seltsamer Glanz in den Augen des Polizisten lag. Beinahe fürchtete sie, er käme mit einem Satz über seinen Schreibtisch gesprungen und risse sie Boden. „Wieso? Hallo, das war Sarkasmus! Wieso sollte ich wieder ein Alibi brauchen?“ Sie sah von einem zum anderen und langsam dämmerte es ihr. „Wollen Sie etwa sagen, dass wieder … dass Sie mir wieder etwas anhängen wollen? Etwas anderes?“
„Nein, nichts wirklich anderes. Im Grunde genau dasselbe wie vorher: Mord.“
Plötzlich fühlte sie sich schrecklich schwach und hilflos. Das Ganze war ein Alptraum. Vielleicht lag sie noch in ihrem Bett und träumte das alles? Sie krallte ihre Hände um die Armlehnen ihres Stuhls.
„Ich habe aber nichts getan. Ehrlich nicht. Ich habe weder diese Frau Waschineski umgebracht, noch sonst irgendjemanden. Sie können mir doch nicht einfach zwei Morde anhängen!“
„Drei.“
„Drei Morde?“
„Ja. Einmal an Frau … der Mord von gestern, und heute Nacht sind wieder zwei Menschen getötet worden. Und es gibt einen offensichtlichen Zusammenhang.“
„Einen Zusammenhang mit mir?“
„Das versuchen wir gerade herauszufinden. Ach ja, bevor ich‘s vergesse: Nennen Sie mich hoffnungslos romantisch, aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir eine Locke Ihres Haares überlassen könnten.“
Sein Mund verzog sich zu einem vermutlich entschuldigend gemeinten Lächeln, aber seine Augen blieben ernst. Und glänzten immer noch. Sie kam sich vor wie ein Kaninchen vor dem Wolf.
Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte. Er nahm ab, ohne den Blick von ihr zu wenden.
„Ja, was denn? … Ja, der bin ich … Kein Scheiß? Wo?“ Er schrieb etwas auf einen Notizblock. „Geben Sie mir fünfzehn Minuten. Bis gleich.“ Er legte auf und sah Dini an.
Sie lehnte sich nach vorne und nahm eine Schere von seinem Schreibtisch.
„He, sachte!“, rief Bather und stieß sich von der Wand ab. Krüger machte eine beruhigende Handbewegung in seine Richtung. Dini begriff.
„Oh, ach so, aber ich sollte doch eine Locke abschneiden …“
Krüger lächelte sie an. Diesmal schien es wirklich ehrlich zu sein. „Schon gut, das hat noch Zeit. Legen Sie sie wieder hin – aber ganz langsam! Nur ein Scherz. Danke. Was machen Sie heute noch?“
„Heute? Jetzt? Ich wollte zur Arbeit, und dann … ich weiß nicht. Auf jeden Fall etwas mit vielen Zeugen, denke ich.“
Er stand auf, zog das Sakko von der Rückenlehne seines Stuhles und schlüpfte mit einer geschmeidigen Bewegung hinein. „Wie lange sind Sie auf der Arbeit?“
Dini hatte ihm zugesehen und verspürte den Drang, ihm zu sagen, dass sein Kragen hinten hochstand. „Bis zwanzig Uhr.“
„Gut. Ich werde mich vielleicht im Laufe des Tages noch einmal mit Ihnen in Verbindung setzen. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich bin sicher, es wird sich alles aufklären.“ Er kam um den Schreibtisch herum und reichte ihr die Hand. Sie stand ebenfalls auf. Er hatte einen festen und überdies trockenen Händedruck, was bei dem warmen Wetter etwas Seltenes war. Beinahe hätte sie ihm selbst den Kragen gerichtet. Was war bloß los, mit ihr und überhaupt?
„Ja dann … bis später“, murmelte sie und versuchte, ebenfalls zu lächeln. Er hielt ihr die Tür auf, als sie das Büro verließ.
Alex schlenderte zu ihm, streckte seinen Kopf auf den Flur hinaus und blickte Dinis Jeans nach, bis sie um die Ecke des Ganges verschwunden war.
„Bist du sicher, dass wir sie einfach so gehen lassen sollten? Für die Zeit nach Mitternacht hat sie kein Alibi, und die Morde geschahen erst später.“
Krüger boxte seinen Kollegen an den Oberarm. „Gute Nachrichten. Es hat wieder einen Mord gegeben.“
„Deine Definition von gut ist ein wenig seltsam, meinst du nicht?“
„Kommt drauf an. Der Mord geschah vor wenigen Minuten, wieder im Park. Das heißt, Dini kann’s nicht gewesen sein. Sie war die ganze Zeit hier.“
„Du scheinst dich ja richtig zu freuen. Aber denk mal nach. So ’n heißer Feger wie die hat wohl kaum Probleme, einen beliebigen Typen für die Drecksarbeit um den Finger zu wickeln. Die Sache stinkt doch. Wieso passiert ein weiterer Mord genau dann, wenn sie gerade mit uns zusammensitzt?“
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