Hans von Trotha
Ein Schloss, eine Fassade und ein Traum von Preußen
Nachrichten von der Website Nachrichten von der Website »Berlin, 8. März 2020. Am Mittwoch Vormittag brach gegen 10:00 Uhr im Schlüterhof des wiederaufgebauten Berliner Schlosses ein Feuer aus. Dichte schwarze Rauchwolken zogen durch Berlin Mitte. Auf der Baustelle des Humboldt-Forums war ein Kocher für Gussasphalt in Brand geraten. Das Feuer breitete sich aus und griff auf einen zweiten Kocher über. Durch die Hitzeentwicklung explodierte auch eine Gasflasche. Als Folge des Brandes sind am Portal I des Gebäudes deutliche Rußspuren zu sehen. Nach Aussage der Berliner Feuerwehr wurde ein Arbeiter mit Verdacht auf Rauchvergiftung behandelt. Weitere Personen kamen nicht zu Schaden. Im Einsatz waren rund 80 Kräfte. Die Bauarbeiten werden planmäßig fortgesetzt.« »Auf die Kuppel des weitgehend fertiggestellten Berliner Schlosses ist am Freitag, den 29. Mai 2020 mit hohem technischen Aufwand das Kreuz aufgesetzt worden. Somit entspricht die rekonstruierte Schlosskuppel dem Erscheinungsbild von 1853 bis zur Sprengung durch die DDR im Jahr 1950. Das 17,4 Tonnen schwere Ensemble aus Balustrade mit acht Engeln sowie Dach aus Palmwedeln mit Reichsapfel und dem Kreuz erhöht das nun nahezu fertiggestellte Bauwerk auf 68 Meter. Das heikle Unterfangen zog sich bis in die Abendstunden und wurde von hunderten, teilweise applaudierenden Schaulustigen begleitet.« Zwei Meldungen, an die sich die eine oder der andere vielleicht erinnern wird, von denen uns die eine im Folgenden nicht, die andere sehr wohl noch beschäftigen wird. Was sie von anderen Meldungen rund um Deutschlands vielfach so genannte größte Kulturbaustelle unterscheidet, ist ihre Quelle. Sie sind unter den Überschriften Brand im Berliner Schloss/Humboldtforum und Wiederaufrichtung des Kuppelkreuzes auf dem Berliner Schloss online abrufbar (Stand Februar 2021), und zwar auf der Website Preussen. de – Die offizielle Seite des Hauses Hohenzollern und dort unter der Rubrik Neuigkeiten. Aktuelle Ereignisse um das Haus Hohenzollern . Dessen Vorstand, Prinz Georg Friedrich von Hohenzollern, Urenkel Kaiser Wilhelms II., hat den Bau des Humboldt Forums mit einer vorgeblendeten Nachschöpfung der historischen Barockfassade des Berliner Schlosses und der Mitte des 19. Jahrhunderts hinzugefügten Kuppel schon zu einem früheren Zeitpunkt als »lohnende Investition« bezeichnet. »Über die Entscheidung, die historische Mitte Berlins in dieser Form aufzuwerten, freue ich mich sehr«, sagte der Prinz 2007 der Leipziger Volkszeitung . Bei dieser Gelegenheit gab er übrigens auch zu Protokoll, dass er ein politisches Mandat »derzeit nicht« anstrebe. ( Berliner Morgenpost , 24.7.2007)
Vorspiel auf dem Theater
Ceci n’est pas un château?
Bauten und Botschaften
Nation und Nationalismus
Kontrafaktische Architektur
Wenn Residenzen reden könnten
Resonanzraum Stadt
Feuilleton
Berlin – Wachstum und Abriss
Sehnsucht, Unlust, Camouflage
Rückkehr nach Preußen
Noch ein Palast
Ein Wettbewerb und seine Verlierer
Gewölbte Hohlräume
Pomp and Circumstance
Restaurative Romantik
Ein Kreuz ist ein Kreuz ist ein Kreuz
Volk und Wissenschaft
»Fight the Building«
Nachweise
Zitierte Literatur
Nachrichten von der Website
»Berlin, 8. März 2020. Am Mittwoch Vormittag brach gegen 10:00 Uhr im Schlüterhof des wiederaufgebauten Berliner Schlosses ein Feuer aus. Dichte schwarze Rauchwolken zogen durch Berlin Mitte. Auf der Baustelle des Humboldt-Forums war ein Kocher für Gussasphalt in Brand geraten. Das Feuer breitete sich aus und griff auf einen zweiten Kocher über. Durch die Hitzeentwicklung explodierte auch eine Gasflasche. Als Folge des Brandes sind am Portal I des Gebäudes deutliche Rußspuren zu sehen. Nach Aussage der Berliner Feuerwehr wurde ein Arbeiter mit Verdacht auf Rauchvergiftung behandelt. Weitere Personen kamen nicht zu Schaden. Im Einsatz waren rund 80 Kräfte. Die Bauarbeiten werden planmäßig fortgesetzt.«
»Auf die Kuppel des weitgehend fertiggestellten Berliner Schlosses ist am Freitag, den 29. Mai 2020 mit hohem technischen Aufwand das Kreuz aufgesetzt worden. Somit entspricht die rekonstruierte Schlosskuppel dem Erscheinungsbild von 1853 bis zur Sprengung durch die DDR im Jahr 1950. Das 17,4 Tonnen schwere Ensemble aus Balustrade mit acht Engeln sowie Dach aus Palmwedeln mit Reichsapfel und dem Kreuz erhöht das nun nahezu fertiggestellte Bauwerk auf 68 Meter. Das heikle Unterfangen zog sich bis in die Abendstunden und wurde von hunderten, teilweise applaudierenden Schaulustigen begleitet.«
Zwei Meldungen, an die sich die eine oder der andere vielleicht erinnern wird, von denen uns die eine im Folgenden nicht, die andere sehr wohl noch beschäftigen wird. Was sie von anderen Meldungen rund um Deutschlands vielfach so genannte größte Kulturbaustelle unterscheidet, ist ihre Quelle. Sie sind unter den Überschriften Brand im Berliner Schloss/Humboldtforum und Wiederaufrichtung des Kuppelkreuzes auf dem Berliner Schloss online abrufbar (Stand Februar 2021), und zwar auf der Website Preussen. de – Die offizielle Seite des Hauses Hohenzollern und dort unter der Rubrik Neuigkeiten. Aktuelle Ereignisse um das Haus Hohenzollern . Dessen Vorstand, Prinz Georg Friedrich von Hohenzollern, Urenkel Kaiser Wilhelms II., hat den Bau des Humboldt Forums mit einer vorgeblendeten Nachschöpfung der historischen Barockfassade des Berliner Schlosses und der Mitte des 19. Jahrhunderts hinzugefügten Kuppel schon zu einem früheren Zeitpunkt als »lohnende Investition« bezeichnet. »Über die Entscheidung, die historische Mitte Berlins in dieser Form aufzuwerten, freue ich mich sehr«, sagte der Prinz 2007 der Leipziger Volkszeitung . Bei dieser Gelegenheit gab er übrigens auch zu Protokoll, dass er ein politisches Mandat »derzeit nicht« anstrebe. ( Berliner Morgenpost , 24.7.2007)
Wäre jemand nach hundertjährigem Dornröschenschlaf zu jenem Zeitpunkt wieder aufgewacht, zu dem dieser Essay erscheint, sie oder er hätte wahrscheinlich nicht schlecht gestaunt über die sogenannte Berliner Republik des Jahres 2021: Das Schloss und der Prozess. Als habe Franz Kafka Pate gestanden, erhitzten, neben anderen, zwei Debatten die Gemüter, in denen es am Ende, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise und aus jeweils ganz anders gelagerten Gründen, aber dann eben doch um die Hohenzollern ging, die ehemalige deutsche Herrscherdynastie.
Da ist die mit enormem Aufwand nachgeschaffene Fassade einer Hohenzollern-Residenz als städtebauliche Kernaussage des wichtigsten Kulturprojekts der demokratischen Bundesrepublik; da ist ein Historikerinnen- und Historikerstreit, in dem die Vorzüge des deutschen Kaiserreichs gegen die Warnungen vor einer heiklen Diskursverschiebung ins Feld geführt werden, die nationalistischen Tendenzen in die Hände spielen würde; und da ist ein über lange Zeit diskret bis geheim behandelter drohender Rechtsstreit: die Republik gegen die ehemalige Herrscherdynastie, beziehungsweise umgekehrt – oder, wie es Jan Böhmermann in einer legendär gewordenen Folge seiner Sendung Neo Magazin Royale im Jahr 2020 formuliert hat:
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