Hans Leip
Die Groggespräche des Admirals von und zu Rabums
Saga
Ahoi! — sagte der Admiral und so war es auch! Hoch ging die See am Stammtisch zur duftenden Kompaßrose. Der Grog schülpte in den Gläsern und kein Auge blieb wie es war. Hans Leip, durch das unvergeßliche Lied von Lili Marleen bekanntgeworden, greift sich hier als Admiral Rah ums in seinen neptunischen Rauschebart wie in eine Reff talje bei Windstärke 12 und spinnt sein Garn von dunnemals, daß es durch Mark und Pfennig dringt. Ein Seemannsgarn, das eigentlich schon verboten klingt, erzählt von Haifischen, Wasserhosen, schönen Türkinnen und den Inseln der Roaring For ties.
„Ahoi!“ rief der Admiral. Und so war es auch. Er griff in seinen Raschelbart wie Wotan in die Wetterwolke, und kein Wort gab das andere außer dem seinen um den Stammtisch zur Duftenden Kompaßrose.
„Haifische?“ sprach er, und sein Auge sprühte Gischt und Gloria: „Haifische zählen zu meinen Lieblingen, und wären sie Hunde, so sollte eins ihrer Exemplare hier unterm Tisch zu unseren Füßen liegen gleich dem Löwen Heinrichs des Leuartigen.
Wir passierten dunnemals bei klarer Sicht zufällig die Stelle im Sargassomeer, wo der Sage nach auf angeblich 98 Faden Tiefe die Korvette des Korsaren Baron Calmons namens Le Rouge Diable liegen sollte, obwohl die Seekarten in dieser Gegend mehrere tausend Faden verzeichnen. Das Wort verzeichnen ist mir gelegentlich bei Seekarten höchst bezeichnend vorgekommen, ähnlich, wie wenn bei Wahlergebnissen in Ländern der Unkultur die Stimmenzahl verzeichnet wird. Nun, unsere Lotung ergab genau 98 Faden.
Nachdem wir mittels Bathometer und Radar die genaueste Lage des Wracks und mit dem Uranotaster auch die Strahlungswerte etwaiger Edelmetalle, gemünzt und in Barren, sowie Juwelen in erstaunlicher Menge festgestellt, kratzte mich die Neigung, die versunkenen Schätze zu heben, daran sich schon manche Generation vergebens die Zähne ausgebrochen hatte. Mein Bordtaucher zeigte Bedenken. Kein Wunder; denn allzu üble Gerüchte gingen von diesem Objekte aus, dem bislang noch kein Lebender entronnen war.
O Schlund, o Abgrund, vollgeweint mit Grausen ... wie schon der schaumgekrönte Pindar geahnt.
So entschloß ich mich, meiner versammelten Mannschaft ein bedenken- und furchtloses Vorbild zu bieten, und schlüpfte selber in den Gummianzug, was alles aufs modernste und schlauchlos eingerichtet war. Ohne mit dem Helm zu zucken, ließ ich mich vom Fallreep ins Ungewisse hinab.
Bald erkannte ich im diffusen Licht dort unten besagte Korvette. Sie schien gut erhalten und ruhte auf einem Riff, das auf den ersten Blick aus Korallen zu bestehen aussah, aber, wie ich bald merken sollte, sich aus einem Gebirge mammutähnlicher Gerippe zusammensetzte, die hier in Vorzeiten oder wann ihr Ende gefunden haben mochten. Doch nicht darauf stand mein Begehr. Das Wrack lag so friedlich da wie ein Obermaat auf dem Urlaubssofa, wenn auch aus den gut erhaltenen Stückpforten neben den Kanonenrohren die grünlich glitschigen Arme ungeheurer Riesenkraken herauslungerten. Und wenn mich letzteres auch an ein Freudenhaus zu Casablanca voll winkender Damen erinnerte, so drang ich dennoch über die Heckgalerie ins Innere. So fürch- und bitterlich es war, ich fand den Zugang zur Schatzkammer mit den Überresten meiner Vorgänger gepflastert, wand mich hindurch und stand bald vor der gewaltigen eisenbeschlagenen Truhe. Mit meinem Tauchermesser überzeugte ich mich rasch von dem befriedigenden Inhalt und schleifte das Monstrum von Safe aus der gespenstischen Versammlung der weniger glücklich Gewesenen in Eile hinaus auf die Galerie. Schon hatte ich den prächtigen, viele Tonnen schweren Fund angeleint und wollte gerade ein erleichterte Hiev op! meinen Gefährten zufunken, die hoch oben in blauer Luft beklommen warteten, da erstarb mir der Laut im Mikrophon, so blitzschnell hatte sich ein Dutzend riesenschlangendicker Polypenarme um meine Statur geschlungen.
Meine Rippen krachten. Die Sauerstoff-Flaschen, die Luftventile zerbrachen. Dennoch gelang mir, mit wuchtigen Hieben meines Messers die gefährliche Umklammer- und Behinderung zu lösen. Aber durch den wilden Kampf kam die Leine unklar, die mich wie auch die Schatztruhe mit der Oberwelt verband, sie verwickelte sich um eins der geschnitzten Puttenbäckchen, die das Heck so reich im Stile einer aufs Malerische bedachteren Zeit verzierten. Und durch die so hervorgerufenen Kräfteparallelogramme kam das so ge- als zufällig geschichtete Mammutknochenriff ins Wanken und mit ihm das stolze Wrack Le Rouge Diable und rutschte lautlos und unaufhaltsam einige tausend Meter tiefer, mich nebst der Schatztruhe mit sich reißend. Und indes droben auf meinem Schiffe die Trossenwinde, an der ich hing, donnernd aus den Laschen sprang und über Seite mir nachrauschte und ich, um so viel tiefer drunten, in völliger Dunkelheit eben das Bewußtsein verlieren wollte, erkannte ich mich schwach von einem Schwarm enormer Blauhaie umringt, die vorerst nach den Doublonen schnappten, die glitzernd aus der vom Wasserdruck zerberstenden Schatzkiste strömten. Instinktiv und mit letzt-schwindender Willensbezeugung griff ich nach den Bauchflossen des größten dieser mörderischen Kammzähner.
Der Hai mochte von solch ungewohnter Berührung so erschrocken sein, daß er, der herabziehenden Kraft meines Gewichtes entgegen und sich dessen zu entledigen trachtend, wie irrsinnig nach oben türmte.
Somit kam ich schneller, als gesund ist, an die Oberfläche zurück. Für tot wurde ich von meinen Kameraden aufgefischt. Und hätten diese in meiner verkrampften Rechten nicht eine Haifischflosse und in der Linken ein Goldstück mit der Prägung Louis’ des Sonnigen gefunden, sie hätten irrtüm- und begreiflicherweise das bestandene Abenteuer schier für menschenunmöglich halten müssen.
Wochenlang noch aber ging ich wie schlafwandelnd umher, und mein Blut schäumte noch Jahre danach bei der leisesten Ansprache, der Eigenart des zu raschen Aufstiegs gemäß, wie eine Flasche besten Schümms. Sie werden, meine Herren, nach diesem verstehen, weshalb ich seither lieber Grog trinke.
N.d.P., meine Bewährten — na, denn Prost!“
Der atlantische Weihnachtsbaum
„Ahoi!“ rief der Admiral. Und so war es auch. Er griff in seinen Bart wie in eine Luvbrasse bei Windstärke sieben und begann: „Dunnemals auf meinem Schulschiff Pomeranzia schien es fast, als sollten wir keinen Christbaum haben. Es waren jene Tage, von denen meine Erinnerung mit dem weisheitgetränkten Laotse spricht:
Wie das Meer walle ich ziellos umher ...
Wir lagen ohne den kleinsten Waggon Brise mitten im Atlantik in den gefürchteten Roßbreiten. Das Barometer fiel wie eine Jungfrau im Mai. Der atmosphärische Druck wurde so stark, daß meine eigene Größe um reichlich drei Zentimeter abnähme, mein Bauch aber um nahezu sieben Komma neun. Ich wurde schlank wie ein nasser Kadett.
Bei der Mannschaft, die dem Druck von oben natürlich weniger elastisch nachzugeben verstand, führte das Naturereignis zu den sonderbarsten Verrenkungen, so daß beim Antritt nichts mehr stimmte und kein Ausrichten mehr möglich war. Kurz und krumm, ich fluchte mir die Gurgel aus der Kehle, und da ich die Kerls nicht allesamt in den Bunker sperren konnte, verbot ich jede Feststimmung.
Aber was taten die Leute?
Durch den ungeheuren Luftdruck, der selbstredend auch aufs Wasser drückte, waren die Tiefseefische, die bekanntlich leuchten, gezwungen, aus der ihnen unerträglich werdenden Tiefe in die Höhe zu steigen, die den ihnen zuträglichen Druck aufwies, und das war, potz Pütz und Pumpernickel, eben unter der Oberfläche. Man hätte mit dem Flibustier d’Annunzio sagen mögen:
Leuchtbojen sind die Glockenquallen im Tanggewirre der Sirenen ...
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