Karolin Freund - Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fastnachtspiels

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Hans Sachs gilt als der produktivste deutschsprachige Dichter des 16. Jahrhunderts. In seinen 85 Fastnachtspielen integriert er das Selbstgespräch einer Bühnenfigur, den Theatermonolog, ca. 350 Mal. Diese literarische Technik fehlt im älteren Bestand der Nürnberger Fastnachtspielüberlieferung indes gänzlich. Der Band geht der Frage nach den literarhistorischen Voraussetzungen und der kulturhistorischen Bedeutung des Theatermonologs nach. Die Analyse ausgewählter Fastnachtspiele wird u.a. von Untersuchungen der Aufführungsbedingungen in Nürnberg und des Autorschaftskonzepts von Hans Sachs umrahmt.

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Karolin Freund

Der Theatermonolog in den Schauspielen von Hans Sachs und die Literarisierung des Fasnachtspiels

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

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Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung.

DOI 10.2357/9783772056659

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Lizenz Namensnennung - фото 1

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© 2018 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

ePub-ISBN 978-3-7720-0091-1

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Herbstsemester 2014/15 als Dissertationsschrift an der Universität Basel angenommen. Sie ist im Rahmen des SNF-Projektes „Der Theatermonolog und die Literarisierung des Fastnachtspiels bei Hans Sachs“ entstanden. Für die Drucklegung wurde sie gekürzt und geringfügig überarbeitet. Der Schweizerische Nationalfonds hat das Projekt und die Drucklegung finanziell gefördert.

Guter Gewohnheit folgend soll an dieser Stelle der Erstbetreuer die gebührende Anerkennung finden. Mein langjähriger Förderer und Doktorvater Gert Hübner wird die Arbeit indes nicht mehr in gebundener Form in den Händen halten können. Doch ohne seine ausdauernde Unterstützung wäre die Arbeit nicht zustande gekommen. Gert Hübner hat sowohl mein Studium als auch die Promotionsphase wie kein anderer geprägt. Er ließ keinen Zweifel daran, in welche Richtung das Projekt gehen sollte, gewährte mir jedoch die nötigen Freiheiten und – das scheint mir aus heutiger Sicht das Wichtigste – schenkte mir stets sein Vertrauen.

Das Korreferat hat umstandslos und ohne zu zögern Cora Dietl übernommen. Für das unkomplizierte und keinesfalls selbstverständliche Vorgehen möchte ich ihr herzlichst danken. Zu Dank verpflichtet bin ich auch den Herausgebern der Basler Studien zur deutschen Sprache und Literatur , die den Band in ihre Reihe aufgenommen haben.

Katharina Weber, Sophia Gröschke, Gunter Heiß und Germain Keogh danke ich für die mühsame Arbeit des Korrekturlesens, Michael Schaffhauser für die vielen kritischen Nachfragen und anregenden Diskussionen über das Projekt.

Der plötzliche Tod meines Doktorvaters hat mich gelehrt, dass die Menschen, die mich täglich begleiten, für ein erfülltes Leben wichtiger sind als die Länge der Publikationsliste. In diesem Sinne gilt mein letzter Dank meinen Freunden und meiner Familie, insbesondere Vinzenz mit meinen Kindern Marlene, Jonathan und Karl.

Jena, im November 2018 K.F.

Teil A: Grundlegung

1 Einleitung

Hans Sachs galt bei seinem Tod 1576 als der bekannteste deutschsprachige Dichter. In der Gegenwart blüht das Interesse an seinem Werk regelmäßig zu seinen großen Jahrestagen auf, zuletzt im Jahr 1994. Die Beiträge des Pirckheimer-Jahrbuchs Hans Sachs im Schnittpunkt von Antike und Neuzeit geben einen aktuellen Überblick, wie der humanistische Einfluss auf die Dichtung von Sachs eingeschätzt wird: stoffliche Anleihen aus der antiken und humanistischen Literatur sind eindeutig, jedoch stellen die inhaltlichen und formalen Unterschiede zwischen der humanistischen Dichtung und der von Sachs eine unüberwindbare Grenze dar.1

Probleme, die sich aus dieser strikten Grenze für das humanistische Sachs-Bild ergeben, hat Dieter Wuttke angesprochen. Seine Ausführungen von einem gemeinsamen „Wertekanon“2 bilden die Grundlage, nach der auch der Einfluss der humanistischen Gelehrtenkultur auf die Gattung Fastnachtspiel untersucht wird.

Trotz der im Pirckheimer-Jahrbuch beschriebenen Grenze, sind die Adaptionen vom Humanistendrama auf die Tragedis und Comedis, wie sie zuletzt Barbara Sasse für die Veränderungen der textuellen Struktur in den Dramen von 1527–1536 nachgewiesen hat,3 Forschungsgegenstand. Das Fastnachtspiel wird von diesem Adaptions-Prozess jedoch ausgenommen.4 Stattdessen werden, auch in neueren Arbeiten, die Fastnachtspiele von Sachs in Kontinuität mit dem vorreformatorischen Fastnachtspiel gesehen, eine Sichtweise, die zuletzt Martin Przybilski anbot:

Sachs bedient sich des gleichen Figurenrepertoires und der gleichen rhetorischen Mittel wie seine Vorgänger – insbesondere wiederum wie Folz – und er schöpft auch ganz ähnliche literarische und außerliterarische Wissensarchive aus wie sie schon in den älteren Spielen, auch hier vor allem von Folz, genutzt worden waren. Letztlich ist auch seine Intention nicht allzu weit von derjenigen der früheren Autoren entfernt, dient doch eine ganze Reihe folzscher wie sachsscher Spiele sowohl dem subversiven Verlachen tatsächlicher oder angemaßter Herrschaftsmacht und Herrschaftswissens als auch der Präsentation divergenter Bestände gelehrter Tradition […].5

Diese Arbeit geht grundlegend einer entgegengesetzten Annahme nach. Danach knüpfte Sachs 1517, als er sein erstes Fastnachtspiel6 verfasste, zwar an eine lebendige Nürnberger Tradition an. Nachdem im Zuge der Reformation die Fastenzeit 1525 faktisch abgeschafft wurde, verlor das Fastnachtspiel aber seine daran gebundene Funktion. Damit endete eine Tradition, die vor allem im Hinblick auf die frühe Verschriftlichung im deutschsprachigen Raum ihres gleichen sucht. Aus vorreformatorischer Zeit sind 130 Fastnachtspiele erhalten, wovon 109 aus Nürnberg stammen.7 Sachs dichtete seine Fastnachtspiele allerdings mehrheitlich erst in den 1550er Jahren. Als er in der ab 1558 erschienenen Folio-Ausgabe seiner Werke das Fastnachtspiel als ‚nützlich‘ und ‚kurtzweilig‘ charakterisiert,8 gibt er eine Zuordnung, mit der er das Fastnachtspiel explizit als eigene schwankhafte Dramengattung herausstellt. Das von Sachs maßgeblich eingebrachte gattungskonstituierende Merkmal soll in dieser Arbeit mit dem Begriff ‚Literarisierung‘ beschrieben und analytisch greifbar gemacht werden.

Anhand einer Zusammenfassung von Eckehard Catholy zur Entwicklung des Fastnachtspiels lässt sich einerseits zeigen, wie der Begriff ‚Literarisierung‘ zu verstehen ist, und andererseits, worin der wesentliche Unterschied zu Catholy und Przybilski liegt:

Wenn sich ein neuer Typus, wie er für die künftige Entwicklung des Dramas schlechthin charakteristisch werden sollte, gerade im Fastnachtspiel herausgebildet hat, so liegt es daran, daß Sachs im Handlungsspiel des 15. Jahrhunderts jene Ansätze fand, die ihm erlaubten, in Richtung auf ein geschlossenes Drama weiterzugehen.9

Unter Literarisierung ist ein Entwicklungsprozess des Fastnachtspiels zum Literaturdrama zu verstehen, der mit Hans Rosenplüt und Hans Folz begann, als sie „literarisch Geformtes“10 in eine rituelle Spielform einbrachten, und der von Sachs unter Einfluss von Literaturtraditionen weiterentwickelt wurde. Im Unterschied zu Catholy wird in dieser Arbeit hingegen gattungspoetologisch die Entwicklung des Fastnachtspiels unter dem Einfluss der humanistischen Gelehrtenkultur herausgearbeitet, die für die Präsentation von Inhalt und Struktur erst das Formenrepertoire bereitstellte, mit dem Sachs das Fastnachtspiel zur schwankhaften Dramengattung wandeln konnte. Demzufolge ist dieser innovative Transfer poetologischer Techniken durch Sachs vor dem Hintergrund eines grundlegend gewandelten Verständnisses von Fastnacht und Fastnachtspiel zu sehen, der wesentliche Gründe dafür liefert, dass es keine kontinuierliche Entwicklungslinie vom vorreformatorischen Fastnachtspiel zu Sachs gab, wie sie Catholy und Przybilski sehen.

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