»Ach Gott, was bist du denn für ein kleiner, süßer Tollpatsch? Na, komm mal her, nicht dass du dich noch schneidest.« Ella geht auf ihn zu, greift nach ihm, hebt ihn aus dem Scherbenhaufen und nimmt den Welpen in ihre Arme. Nicht weit von ihr entfernt stehen ihre Strandkörbe. Mit dem Fellknäuel in den Armen setzt sie sich in einen davon und platziert den Welpen auf ihrem Schoß. Große Kulleraugen schauen sie reumütig an. Daraufhin muss Ella lachen und kuschelt sich an den Welpen. Dieser findet das sichtlich toll, denn er fängt an sie am Kinn und ihren Händen abzuschlecken, was Ella noch mehr zum Lachen bringt. »Bist du ein Süßer. Dir kann man ja gar nicht böse sein, auch wenn Herbert jetzt geköpft am Boden liegt.«
»Herbert?«, erklingt es nun gegenüber von Ella, woraufhin sie ihren Kopf hebt und einem hochgewachsenen, gut gebauten Mann in die Augen schaut, sodass es ihr prompt die Sprache verschlägt. Mit offenem Mund schaut sie ihr Gegenüber an. Ein wenig sprachlos trifft es auf den Punkt, zumal sie nicht einmal gehört hat, dass sich ihr jemand genähert hat. Der hübsche Fremde lächelt leicht verlegen und kratzt sich am Kopf. »Hallo, Joker und ich sind hier nebenan neu eingezogen und zeigen uns gleich von unserer besten Seite, wie es aussieht!«
Ella erhebt sich - mit dem Welpen auf dem Arm - aus ihrem Strandkorb und hält ihn sich vor ihr Gesicht. Joker schaut sie treuherzig an. »Soso, Joker heißt du süßer Fratz also.« Joker nutzt die Chance und schleckt erneut mit seiner kleinen Zunge über Ellas Nase. Ella kneift die Augen zusammen und lacht aus vollem Halse, senkt ihre Arme dann samt Joker und lächelt ihren Nachbarn offen an. »Hallo, ich bin Ella und das ist doch nicht so schlimm. Als ich mich nach dem Laufen eben ein wenig gedehnt hatte und plötzlich etwas an mir vorbeihuschte, habe ich mich einfach kurz erschrocken.« Nach dieser Ausführung lächeln sie beide aufrichtig an. Mit ausgestreckter Hand stellt sich der schöne Unbekannte jetzt richtig vor. »Hi, ich bin Tom. Freut mich, dich kennenzulernen. Für den Zwerg werden wir natürlich aufkommen.« Ella ergreift lächelnd Toms Hand und drückt sie. »Angenehm, Herr Nachbar!«
Nachdenklich schaut Ella über ihre Schulter zu dem geköpften Zwerg. »Hm, um Herbert ist es wirklich schade, aber ich versuche ihn einfach wieder zu kleben.« Joker bejaht dies mit einem Bellen. Amüsiert fragt Tom nach: »Warte, dein Gartenzwerg hat wirklich einen Namen?« Ella entgleiten ihre Gesichtszüge, denn sobald es um ihre heiß geliebten Zwerge geht, versteht sie keinen Spaß mehr, und damit drückt sie Joker Tom in die Hände. Trotzig antwortet sie: »Ja, genau wie dein Hund einen Namen hat.« Tom merkt gleich, dass er in ein Fettnäpfchen getreten ist. »Entschuldige, ich wollte mich nicht darüber lustig machen. Aber erlaubst du mir eine Frage?«, erwidert er neugierig. Mit hochgezogenen Augenbrauen und einem skeptischen Ausdruck im Gesicht antwortet Ella: »Kommt auf die Frage an.« Mit seinem Arm zeigt er in Ellas Garten, in dem ganz viele skurrile, große und kleine Gartenzwerge stehen. »Haben die alle Namen?«
Ella verschränkt ihre Arme vor ihrer Brust. »Und wenn es so wäre?«
Tom lacht und antwortet: »Dann fände ich es äußerst erfrischend. Darf ich dich morgen Abend zum Grillen einladen? Als Wiedergutmachung für unseren bescheidenen Start?«
Versöhnlich antwortet Ella. »Morgen Abend kommt meine beste Freundin Sabrina zum Essen.« Da sie gemerkt hat, dass Tom sich wirklich nicht über sie lustig machen wollte, entspannt sie sich wieder.
»Na, das trifft sich doch super. Mein Kumpel Phil kommt morgen Abend ebenfalls. Es würde mich freuen, wenn ihr beide zum Grillen kommen würdet.«
Ellas Augen beginnen zu funkeln, und sie schaut an Tom vorbei in seinen Garten. »Das klingt toll und wir kommen gern. Doch Essen können wir hier bei mir. Du hast ja noch gar keine Gartenmöbel, wie es aussieht.«
Als Ella dies ausspricht, fällt es Tom auch wieder ein. »Stimmt, das wäre nett, danke!«
Die beiden machen für den nächsten Abend noch eine Uhrzeit aus und einigen sich darauf, was jeder noch zu besorgen hat. Sie beschließen, dass Ella die Salate machen und Tom sich um das Fleisch kümmern wird. Danach verabschieden sie sich voneinander.
Ich schaue Ton hinterher, der mit Joker im Schlepptau bereits wieder in seine Gartenhälfte marschiert ist. Ich warte bis die beiden aus meinem Blickfeld verschwunden sind, erst dann atme ich tief ein und wieder aus. Ich versuche mich wieder zu sammeln und beende mein begonnenes Stretching. Wow, was war das denn? Da habe ich nach Monaten endlich wieder neue Nachbarn und dann auch gleich noch einen Mann, der verboten gut aussieht? Ich Glückspilz! Und dann sehe ich ihn auch noch ganz bald wieder. Das muss ich sofort Sabrina erzählen, das darf nicht warten rast es durch meine Gedanken! Ich renne ins Haus und schnappe mir mein Handy vom Esstisch, suche in den WhatsApp-Verläufen nach Sabrinas Kontakt und schreibe ihr.
Ella: Oh mein Gott, du wirst nicht glauben, wer gerade nebenan eingezogen ist.
Sabrina: Hast du ein Glück das gerade niemand im Geschäft ist. Also erzähl endlich, und lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!!!
Ella: Tom: groß, sportlich schlank, breite Schultern, dunkelblond, karamellfarbene Augen und ein Lächeln zum Dahinschmelzen.
Sabrina: Das klingt echt heiß. Darf ich morgen zum Sonnenbaden vorbeikommen???
Ella: Vergiss es! Aber morgen Abend sind wir zwei zum Essen eingeladen. Sein Kumpel kommt auch ;)
Sabrina: Wohooo, ich hoffe das sind auch beides Singles? Was
ziehen wir an?
Ella: So weit war ich noch nicht. Hi, hi. Ich muss das jetzt erst mal verdauen. Komm morgen ja nicht zu spät!
Sabrina: Morgen komme ich freiwillig extra früh. Kuss, du Nuss.
Typisch Sabrina, doch wenn die Jungs Sabrina sehen, bin ich sowieso erst mal abgeschrieben. Bei Sabrina fangen alle Männer an zu sabbern. Sie ist groß, hat lange blonde Haare, ein Gestell wie ein Modell, einen tollen Busen und ein engelsgleiches Gesicht. Ich bin da eher der nette Kumpel von nebenan, durchschnittliche 1,68 m groß, habe dunkelbraunes und langes Haar mit Stirnfransen, ein halbrundes Gesicht, das mich nervt, und braune Augen, die eher ausdruckslos wirken. Ich bin zwar nicht unsicher, was meinen Körper angeht, doch im Vergleich zu Sabrina wirke ich wirklich langweilig.
Ich packe gerade den letzten Bücherkarton aus, da höre ich Joker bellen und sehe ihn gerade noch aufgeregt in den Garten rennen. Etwas fällt um und geht dabei laut zu Bruch. Das ist dann wohl mein Zeichen, nach dem Rechten zu schauen. Ich trete aus der Terrassentür in meinen Garten hinaus, schaue mich nach Joker um und sehe ihn rechts von mir - im Nachbargarten - auf dem Schoß einer jungen Frau sitzen.
Sie lacht und schmust mit ihm. Erstaunt beobachte ich die beiden, ich glaube das ist die gut aussehende Läuferin, die ich schon drei Tage zuvor, seitdem ich hier wohne, gesehen habe. Nicht weit von den beiden entfernt, liegt ein kaputter Gartenzwerg. Dem ist dann wahrscheinlich das Scheppern zuzuordnen . Als ich zu den beiden zurückschaue, fällt mir auf, wie schlank die hübsche Braunhaarige ist. Ihre langen Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, und ihr Pony klebt ihr an der Stirn. Sie trägt Laufkleidung. Eine eng anliegende, kurze schwarze Sporthose, welche ihre trainierten Beine noch mehr zur Geltung bringt, und ein pinkfarbenes, ärmelloses Trainingsshirt.
Joker schleckt ihr über das Kinn, was sie laut auflachen lässt. In diesem Moment trifft mich ihr süßes Lachen mitten ins Herz. Es klingt herzlich, locker und keineswegs gekünstelt. Sie redet mit Joker, dass man ihm ja gar nicht böse sein kann, auch wenn es schade um Herbert ist. Als ich höre, dass der zerstörte Gartenzwerg einen Namen besitzt, muss ich mir ein Lachen verkneifen. Diese Situation nutze ich, um auf mich aufmerksam zu machen.
Читать дальше