„Ach, ja!“, sagte ich zu meinem Jagdgenossen, als wir wieder aus dem Wald heraus waren und durch hohe Schneewehen nach Hause stiefelten. Kira trabte zufrieden durch die weiße Landschaft, die Nase tief über eine Fährte im Schnee gebeugt. Der Abstieg vom Hochsitz war ein wenig mühsamer gewesen; ich hatte mir ihre 35 Kilo unter den Arm klemmen müssen und mich unter Ächzen und Stöhnen hinunter geplagt.
„Vielleicht kann sie „Bleib“ noch nicht so richtig. Aber klettern kann sie. Und mich gerne haben.“
Und dabei blieb es. Er fragte nie mehr, ob Kira dieses oder jenes könne. Sie kann einfach alles, was wichtig ist. Basta.
Der Martinsfischer
von Gregor Schürer
Es war ein kühler, aber sonniger Tag im Oktober und Martin von Tours war zu Fuß unterwegs. Er war schon ein gutes Stück gegangen, als er an einen See kam und sich dort am Ufer niedersetzte, um zu rasten. Es war ein wunderschöner Teich, auf dem Seerosen blühten. Martin war ganz vertieft in den Anblick der prächtigen Blumen, als er ein Geräusch hörte. Er bemerkte einen Vogel, der in einem nahen Busch saß. Beinahe hätte er ihn in den dunklen Zweigen gar nicht gesehen, denn der nicht sehr große Vogel trug ein schmutziggraues Gefieder, das ihn gut im Geäst verbarg. In diesem Moment flog der Vogel davon und Martin schaute ihm interessiert hinterher. Mit spielerischer Leichtigkeit hob der gefiederte Geselle sich in die Lüfte, um sich in einem hohen Baum in der Nähe niederzulassen und regungslos zu verharren.
Martin wollte schon fast den Blick wieder von ihm wenden, als sich der Vogel aus großer Höhe ins Wasser stürzte. Tief tauchte er in den See ein, eine Nickhaut zog sich über sein Auge, damit er auch unter Wasser sehen konnte. Sein langer spitzer Schnabel schnappte eine kleine Forelle und mit seiner noch zappelnden Beute tauchte der Vogel zurück an die Wasseroberfläche. Er flog ans Ufer und verschluckte den ganzen Fisch mit dem Kopf voran. Dann setzte er sich wieder in den Busch in Martins Nähe.
Martin von Tours sprach den kleinen Vogel an. „Sag mal, was bist du denn für einer?“
Sogleich kam der Vogel herbei und zwitscherte aufgeregt, denn er war es nicht gewohnt, dass ihn jemand beachtete. Meist wurde er wegen seiner unscheinbaren grauen Farbe gar nicht gesehen, galt wegen des schmutzig dunklen Gefieders vielen sogar als hässlich. Und da er kaum beachtet wurde, kannten die Menschen auch seine Flugkünste und seine Fähigkeiten im Stoßtauchen nicht, die ihn hätten interessant machen können.
Weil Martin sich über den gehorsamen Vogel freute, der nicht verschreckt davongeflogen, sondern brav zu ihm gekommen war, beschloss er, ihn zu belohnen.
„Deine Farblosigkeit dauert mich. So, wie ich dem armen Mann die Hälfte meines Mantels gab, so will ich dir einen schönen azurblauen Mantel geben, mit einem purpurroten Kragen daran“, sprach er. Sogleich verwandelte sich der mausgraue Vogel in eines der schönsten Exemplare seiner Gattung. „Und weil du noch keinen Namen hast, sollst du meinen tragen.“
Unbemerkt war Gregor, ein Glaubensbruder, herangetreten. Er zeigte auf den buntgefiederten Vogel und fragte Martin: „Schau nur, wie wohl dieser wundervolle, fliegende Edelstein heißen mag?“
„Seit heute heißt er Martinsfischer!“, antwortete Martin mit fester Stimme. Und so war es. Früher konnte man dieses fliegende Juwel zahlreich in der Natur antreffen, doch muss man heutzutage lange suchen, wenn man ihn sehen möchte. Vielleicht jedoch hat man Glück und wer beim nächsten Spaziergang am Wasser die Augen ganz weit aufmacht, sieht ihn in der Nähe von Bächen und Flüssen, den Martinsfischer, den man heute "Eisvogel"' nennt.
Das Fischlein
von Claus Beese
Wasser fließt in einem Fluss,
weil Wasser eben fließen muss.
Doch ist im Wasser etwas drin,
nach dem ich richtig süchtig bin.
Das Fischlein spielt in Flusses Rinne,
es zu fangen hatte ich im Sinne.
Das war schwerer als gedacht,
weil’s Fischlein hier nicht mitgemacht.
Drum stapfte wütend ich nach Haus
und holte meine Pfanne raus.
Bin ich über ’s Fischlein auch erbost,
Käpten Iglo spendet Trost.
Ist ’s Fischlein auch in Stäbchenform,
so schmeckt es doch meist ganz enorm.
Mit einem kleinen Gläschen Wein
tut man sich so manches rein.
Das Fischlein spielt im Wasser drinne,
weiter in des Flusses Rinne.
Dreimal schwarzer Kater
von Anita Koschorrek-Müller
Eines Morgens fand ich sie auf dem Liegestuhl auf unserer Terrasse, eine kleine schwarze Katze, mickrig, halbverhungert und scheu. Sie musste dort die Nacht verbracht haben, zusammengerollt auf meiner alten Strickweste, die ich am Abend dort vergessen hatte.
„Bleib schön liegen“, redete ich beschwörend auf sie ein. „Du kriegst was zu fressen.“
Langsam, jede hektische Bewegung vermeidend, ging ich rückwärts, um sie nicht zu erschrecken. Ich holte aus dem Kühlschrank ein Stück Wurst und den Rest Hühnerfrikassee vom gestrigen Mittagessen. Nach anfänglicher Scheu ließ die ausgehungerte Mieze es sich schmecken und wurde zusehends zutraulicher. Ein Kontrollblick bestätigte meine Vermutung, es handelte sich um eine Katze männlichen Geschlechts. Gesättigt verschwand das Tier anschließend zwischen den Ligusterbüschen der Hecke.
Von nun an kam der Kater täglich, schlug sich den Bauch voll und entfernte sich auf leisen Pfoten. Mit der Zeit wurde er zugänglicher und Schritt für Schritt eroberte er unser Haus. Nach einigen Wochen hielt er die Couch besetzt und rückte nur unter Protest zur Seite, um mir oder meinem Mann Platz zu machen. Wir nannten ihn Wastl.
Jeden Morgen, bevor wir zur Arbeit fuhren, stellte ich reichlich Futter auf die Terrasse, damit das unterernährte Katerchen endlich zu Kräften kommen sollte. Wastl fraß und fraß, blieb jedoch dünn, mager, wirkte fast ausgemergelt. Sein Fell war, trotz der Zufuhr von Katzenfutter in allen erdenklichen Geschmacksrichtungen und Vitaminzusätzen, stumpf und struppig. Auch eine Wurmkur bewirkte keine positive Änderung seines äußeren Erscheinungsbildes. Wastl war hässlich und hinterhältig zugleich. Durch die Katzenklappe, die wir schon bald installierten, schlich er ins Haus und lauerte, nachdem er sich satt gefressen hatte, auf eine Gelegenheit, seine spitzen Zähne in meine Wade zu rammen. Besonders in der warmen Jahreszeit, wenn ich keine Strümpfe oder lange Hosen trug, gelang es ihm immer wieder, mich zu attackieren. Zwei Blutstropfen traten dann aus den Wunden, die er mir mit seinen kleinen Reißzähnen zugefügt hatte, und rannen an meinem Bein hinunter. Warum der kleine Drecksack diese Attacken unternahm und es immer nur auf meine Beine abgesehen hatte, blieb ein Rätsel.
Eines Morgens, als er wie üblich seine gut gefüllten Fressnäpfe aufsuchte, kam er in Begleitung einer wunderschönen, großen schwarzen Katze mit glänzendem Fell. Sie war etwas mager, doch auch sie wurde von uns aufgepäppelt. Wastl und die „Neue“ waren ein Herz und eine Seele. Sie lagen eng umschlungen auf unserer Couch, auf der nun noch weniger Platz für uns blieb, und schnurrten um die Wette. Die neue Katze fraß wie ein Scheunendrescher und Wastls Fressorgien wurden von ihr noch getoppt. Mit der Zeit wurden bei ihr allerdings adipöse Tendenzen erkennbar, während Wastl immer noch klein und kümmerlich daherkam.
„Wastls Freundin ist schwanger“, erklärte mein Mann die Gewichtszunahme und den Appetit unseres Neuzugangs.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte ich entsetzt. „Wir wollen doch keinen Katzennachwuchs! Zwei Katzen reichen!“
Ich erkundigte mich bei einem Tierarzt, wie man in einem solchen Falle vorgehen solle, und erklärte meinem Mann das Prozedere.
„Wir müssen die Katze fangen und zum Tierarzt bringen. Dort wird sie dann kastriert und wenn sie schon schwanger ist, dann machen die gleich eine, äh, wie sagt man denn da bei Katzen, äh, also eine Abtreibung.“
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