Claus Beese (Hrsg.)
Dünen, Sand und Meer
Küstengeschichten-Anthologie der Lagerfeuer-Autoren
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Inhaltsverzeichnis
Titel Claus Beese (Hrsg.) Dünen, Sand und Meer Küstengeschichten-Anthologie der Lagerfeuer-Autoren Dieses ebook wurde erstellt bei
Zum Buch Zum Buch Dieses Buch ist als Printausgabe beim Mohland Verlag unter der ISBN-Nummer 978-3-86675-213-9 erschienen und im Handel, beim Verlag oder beim Autor erhältlich.
Vorwort
Fernweh
Die Flaschenpost
Das Mädchen mit den blonden Haaren
Der Bullenhai
Der Hafenmeister
Geld
Alte Liebe – neue Liebe
Nebelgast
Abschied von der Insel
Tanz im Kessel
Rungholt
Kapitän Hannes Marder
Watt
Große Fahrt
Der Leuchtturmwärter
Der Fliegende Holländer
Ein toller Hecht
Am Horizont
Die Perle
Der Sturm
Der infizierte Hase
Strandhafer wächst nicht in Bayern
Mordsee
Weiberknoten
Vollpension, 3 Sterne, kinderfreundlich
Unsere Nordsee
Nachtangeln - wie öde
Heimkehr
Muscheln
Kein Wasser
Heimat
Sehnsucht im Blick
Kribbeln im Bauch
Bin ich Surfer, oder was?
Aristokratische Blässe
Nachwort
Die Lagerfeuer-Autoren:
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Impressum neobooks
Dieses Buch ist als Printausgabe beim Mohland Verlag unter der
ISBN-Nummer 978-3-86675-213-9
erschienen und im Handel, beim Verlag oder beim Autor erhältlich.
Von Klaus-Dieter Welker
„Up dat uns dat good geihen schall up use olen Dage!“
Der Sprecher hob sein randvoll gefülltes Glas und blickte über das Feuer hinweg in die Runde. Obwohl nicht jeder der um die Flammen Sitzenden des Plattdeutschen mächtig war, so wussten doch alle, was die Worte bedeuteten.
„Nun ja, ich hoffe, die ´alten Tage´ liegen noch vor mir“, ließ sich eine junge weibliche Stimme vernehmen. „Allzu eilig habe ich es nicht damit.“
„Manchmal geht das schneller, als es einem lieb ist“, antwortete ein grauhaariger bärtiger Mann, beugte sich nach vorn in den Feuerschein und schaute die Männer und Frauen, alte und junge, der Reihe nach an. „So mancher ist über Nacht ergraut, der des Morgens noch mit blondem oder tiefschwarzem Haar in den Spiegel schaute.“
Es war schon eine Weile her seit sie sich das letzte Mal getroffen hatten. Damals hatten sie in den Dünen gesessen, bei eisigem Wind und jagenden Wolken. Und so wie bei diesem ersten Mal, saßen sie wieder vor einem loderndem Feuer, genossen die Gemeinschaft und blickten abwechselnd in die züngelnden Flammen, den sternenübersäten Himmel und die nun schon fast vertrauten Gesichter.
Ein jüngerer Mann beugte sich nach vorne und warf ein weiteres Scheit in die Flammen, sodass ein Funkenregen wie ein Schwarm Glühwürmchen in den dunklen friesischen Himmel stieg.
„So ein bisschen vermisse ich das Meer“, ließ er sich vernehmen. „Die Luft riecht zwar ein wenig nach See, und ich glaube auch ein wenig Salz mit jedem Atemzug zu schmecken. Aber mir fehlt das Rauschen der Wellen, das Donnern und Tosen einer ordentlichen Sturmflut, die gegen die Deiche schlägt.“
„Und doch ist das Meer nicht weit“, entgegnete ein anderer mit ruhiger Stimme. „Noch vor wenigen hundert Jahren hätten wir alle, die wir jetzt hier sitzen, wohl mehr als nasse Füße gehabt, wenn wir uns hier getroffen hätten. Damals toste an dieser Stelle noch die Nordsee. All das Land rings um uns herum wurde dem Meer in mühseliger Arbeit abgetrotzt. Unzählige fleißige Hände haben über Generationen hinweg Deiche gebaut, das Land entwässert und urbar gemacht. Oft holte sich die See ihren Besitz wieder zurück, durchbrach die Dämme und Deiche, zerstörte Höfe und Dörfer. Diese Fluten kosteten viele Menschen das Leben.“
Nicht weit entfernt war schemenhaft der alte Leuchtturm von Sankt Peter-Böhl zu sehen, der in ruhigen Kreisen sein Licht in die Nacht hinaus sandte.
„Ja, das Meer gibt und nimmt. Freude und Leid. Und in manchem löst es eine Sehnsucht aus, die so stark ist, dass sie niemals gestillt werden kann. Ich möchte zuweilen dorthin, wo das Meer in der Ferne den Himmel berührt. Aber ebenso sehr liebe ich es, an den Küsten und Stränden zu verweilen, bei Sonnenschein wie bei stürmischem Wetter, und von fernen Ländern nur zu träumen.“
Das Glänzen in den Augen der Sprecherin strahlte beinahe so hell wie die Glut.
„Was könnten uns das Meer und der Wind nicht alles erzählen? Unendlich mehr Geschichten, als es Wellen gibt. Mir fällt da gerade eine ein. Wollt ihr sie hören?“
Natürlich wollten sie das. Geschichten waren ihr Leben, ihre Leidenschaft. Bei guten Freunden zu sitzen, im Schein des Feuers, unter einem Dach aus funkelnden Sternen und einer verträumten, einer lachenden oder einer nachdenklichen Stimme zu lauschen. Was gab es Schöneres auf Gottes weiter Welt?
Und während sich die einen erwartungsvoll vorbeugten, die anderen sich gemütlich zurücklehnten, der eine in die endlose Weite des Himmels und eine andere in die helle Glut des Feuers schaute, lauschten sie gebannt den Erzählungen, die diese Nacht wieder zu einer besonderen machten.
Wenn der Wind von Norden kommt
riecht man das Salz in klarer Luft.
Sie schmeckt herrlich kühl nach See,
trägt einen ganz besonderen Duft.
Er weckt das Fernweh in der Seele,
hör nur, wie das Meer dich ruft.
- Claus Beese -
Von Anita Koschorrek- Müller
Es war keine gute Idee gewesen auf die Insel zu fahren. Warum musste ich mich zu allem Überfluss auch noch in unserem Hotel einquartieren? - Unser Hotel? Es war nie mein Hotel! Er liebte es, dieses exklusive Ambiente, dieses vornehme Getue. Gestern war ich angereist, hatte an der Rezeption die nötigen Formalitäten erledigt und wurde gleich befragt.
„Wann wird denn Ihr Gatte eintreffen? Gnädige Frau würden besser jetzt bereits ein Zimmer reservieren, wir sind ziemlich ausgebucht“, hatte der blasierte Empfangschef gemeint.
„Nein, ich bleibe im Einzelzimmer. Der Gatte reist nicht an.“
„Wie gnädige Frau wünschen.“
Jetzt laufe ich heute zum dritten Mal am Strand entlang bis zum Kap. Es ist Ebbe. Ich trage meine Schuhe in der Hand, habe die Hosenbeine hochgekrempelt, und die Wellen umspülen meine Füße. Ab und zu durchquere ich einen Priel mit ablaufendem Wasser. Über mir türmen sich dicke schwarze Wolken, die ein heftiger Wind landeinwärts treibt. Mein Blick ist auf den Boden gerichtet, auf die vielen großen und kleinen Muscheln, die ich als Kind so gerne sammelte. Eine Welle spült einen toten Krebs ans Ufer, und die nächste Welle zieht ihn ins Meer hinaus. Wie oft sind wir gemeinsam diesen Weg gegangen, haben die salzige Luft geatmet und den Sand unter unseren Füßen gespürt?
Mein Entschluss steht fest. Ich reise ab! Es war eine Schnapsidee hierher zu fahren. Zehn Tage alten Urlaub wollte ich nicht zu Hause verbringen und die Wände anstarren. Ich dachte, auf der Insel könnte ich mich erholen. Da kenne ich mich aus, da weiß ich was mich erwartet. Doch was habe ich hier angetroffen? Schmerzliche Erinnerungen und einen hochnäsigen Empfangs-Chef!
Meinem alten Freund Fiete könnte ich noch einen Besuch abstatten bevor ich abreise. Er ist früher zur See gefahren und war später Leuchtturmwärter, bis die Technik seinen Arbeitsplatz zunichtemachte. In seinem kleinen Laden am Ortsrand, mit dessen Einnahmen er seine bescheidene Rente aufbessert, verkauft er heute Andenken, Buddel-Schiffe, Angelzubehör und Schnaps. Bei ihm gibt es den besten Köm Frieslands, alten Genever aus Holland, französischen Vodka und Jamaica-Rum, der einem die Schuhe auszieht. Und wenn er jemanden mag, darf der diese Köstlichkeiten auch mal probieren.
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