Eben ist der Lieferdienst wieder abgefahren. Auf dem Hof steht meine neue Gartenliege. Starkes eloxiertes Aluminiumgestänge, mit starker Bespannung und einer doppelt dicken Auflage, die ein wohlig weiches Liegegefühl vermittelt. Der Stoff in zartgelb, dem eines Zitronenfalters ähnlich. Ein Traum von einer Gartenliege und natürlich, wie sollte es anders sein, nicht ganz billig. Doch man gönnt sich ja sonst nichts. Und manche Ausgaben müssen einfach sein, lassen sich beim besten Willen gar nicht vermeiden. Sie ruft nach mir, meine Liege. Doch so, mit der normalen Kleidung eines Arbeitstages, mag ich sie nicht einweihen. Ich gehe mich umziehen.
Locker und leger gekleidet betrete ich wenig später den Hof und … erstarre.
Meine Liege, mein neues, teures Stück Feierabendgemütlichkeit ist besetzt. Ein Knäuel aus Fell mit Tigerstreifen und weißen Pfoten fällt gerade auf der weichen Auflage stumpf auf die Seite, reckt sich wohlig und spreizt die Krallen, gähnt dabei, dass sein Raubtiergebiss alle Zähne sehen lässt, und beginnt augenblicklich leise zu schnarchen. Ich stehe ein wenig ratlos da, mit Sonnenöl und Handtuch, einem Gläschen Sekt und etwas zu knabbern. Muss ich mir das bieten lassen? Ich mag die Katze nicht.
Ich befreie meine Hände von unnötigem Ballast und schreite zur Tat.
„Heh! Du! Runter da!“
Das Schnarchen wird lauter. Zusätzlich schnurrt das Vieh in höchster Wonne. Ich tippe sie an, piekse mit meinem Finger in ihre speckige Seite. Das Schnurren stoppt, das Schnarchen bleibt. Sie reagiert nicht. Wieder einmal tut sie so, als gäbe es mich gar nicht. Ich werde rabiat, schiebe meine Hände unter den haarigen Katzenkörper und hebe ihn hoch. Der Katzenleib auf meinen Händen folgt der Bewegung, doch die Krallen an allen vier Pfoten hängen fest im Bezug der Auflage. Ich schüttele das Katzenvieh und langsam, fast in Zeitlupe öffnet sich ein Auge und schaut mich ausdruckslos an. Wenigstens hat sie das Schnarchen eingestellt. Ob das ein gutes Zeichen ist?
Was dann passiert, ist mir nicht ganz klar. Auf jeden Fall sind meine Unterarme plötzlich blutig, sie schmerzen höllisch und auf meiner Liege steht etwas, das ich so noch nie gesehen habe. Es ähnelt einer Flaschenbürste mit Buckel und kampfbereit ausgefahrenen Krallen. Es wird besser sein, wenn ich die Wunden desinfiziere. Auch wäre es nicht gut, wenn das Blut auf meine neue Liege tropft. Ich mag dieses Katzenvieh nicht.
Mit verbundenen Armen betrete ich etwas später den Hof. In mir schäumt es. Ich greife die ganze Liege und kippe sie einfach auf die Seite. Geschmeidig lässt sie sich vom Polster gleiten und steht abwartend da. Kaum stelle ich die Liege wieder in Position, ist sie wieder auf dem Polster, kippt stumpf zur Seite und …
„Chchchchchchch!“, fauche ich sie an. Es wird Zeit, dass ihr mal jemand so richtig die Meinung sagt.
„Wauwauwau!“, versuche ich es mit Fremdsprachen. Langsam, wie in Zeitlupe, öffnet sich ein Auge und schaut mich ausdruckslos an... - Es reicht. Ich trete den taktischen Rückzug an, ziehe mich vom Schauplatz des Geschehens zurück und zeige ihr so, was ich von ihr halte. Bei mir macht sie es doch auch so, ignoriert mich einfach. Allerdings bin ich mir über den Erfolg dieser Maßnahme im Zweifel, denn immer noch liegt sie auf der Liege, während ich dumm in der Gegend herumstehe. In mir beginnt es zu kochen. Ich bin jetzt bereit zum Äußersten. Ich mag diese Katze einfach nicht.
Ich laufe in die Wohnung, greife das Telefon und wähle die Nummer.
„Ja! Es eilt! Kommen Sie so schnell wie möglich! Natürlich noch heute!“, brülle ich in den Hörer. Warum müssen Menschen immer so schwer von Begriff sein? Das muss er doch hören, dass ich in einer wirklichen Notlage bin.
Er hat es gehört. Kaum eine halbe Stunde später ist der Lieferdienst wieder da, und bringt eine zweite Liege. Haha! Triumph auf der ganzen Linie. Mit Schwung werfe ich mich auf die zartgelbe Matratze, recke und strecke mich, kuschele mich wohlig in das kleine Nestchen, das mir die extraweiche Auflage bereitet. Jetzt ist auch ein Gläschen Sekt genehm, auch ein zweites und drittes. Der Alkohol und die Sonne machen mich schläfrig. Warum soll ich nicht auch nach der ganzen Aufregung ein wenig Augenpflege betreiben? Sanft dämmere ich hinüber in Morpheus' Arme, entschlüpfe der garstigen Welt und wandele in ein schöneres Leben… - und merke dabei nicht, wie sich die feinen Härchen an meinen Armen aufstellen.
Sie ist da! Lauert dort drüben auf der anderen Liege. Jetzt nimmt sie Anlauf, duckt sich zum Sprung. Sie erklimmt meinen markant-männlichen Körper und kaum, dass sie auf meinem breiten Brustkorb steht, fällt sie stumpf zur Seite, gähnt herzhaft, dass man ihr prachtvolles Raubtiergebiss sehen kann und fängt leise an zu schnarchen. Ihre Pfoten stoßen mich an und sie gibt erst Ruhe, als ich im Schlaf beginne, sie zu kraulen. Zart streichen meine Finger durch ihr wunderbar weiches Fell und ich genieße das sanfte Vibrieren dieses schnurrenden Knäuels. Ich mag sie nicht, diese Katze!
Die Fressbremse
von Anita Koschorrek-Müller
Zum dritten Mal drückte ich den Klingelknopf an Bauer Harms' Haustür. Was sollte ich bloß tun, wenn er nicht zu Hause war? Vor Stunden hatte ich schon versucht ihn telefonisch zu erreichen, vergeblich. Ich hörte Schritte und Matthias Harms öffnete die Tür. Er trug einen zerschlissenen, grau und blau gestreiften Bademantel, sah ziemlich verschlafen aus, die Haare standen zu Berge und eine Rasur war dringend nötig.
„Was in aller Welt willst du denn hier, heute, am Sonntag?“, schnauzte er mich an.
„Matthias, bin ich froh, dass du zu Hause bist. Ich habe schon den ganzen Morgen versucht dich anzurufen!“
„Gestern war Schützenfest, da musste ich heute ausschlafen. Erna und Richard haben die Tiere gefüttert und sind zum Gottesdienst“, erklärte der vermutlich noch nicht ganz nüchterne Bauer.
„Matthias, das ist ein Notfall, du musst unbedingt helfen! Ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden könnte“, flehte ich ihn an. „Du weißt doch, dass ich morgen verreise, deshalb ist es ja so dringend.“
„Was gibt es denn Wichtiges, dessentwegen du mich am heiligen Sonntag aus dem Bett klingelst?“, brummte Bauer Harms und rieb sich das zerknitterte Gesicht.
„Komm mit!“
Am Arm zog ich ihn auf den Hof zu meinem Wagen mit dem Pferdeanhänger. Ich öffnete die hintere Tür, klappte die Rampe herunter und führte das braun weiß gescheckte Pony am Halfter aus dem Hänger.
„Das ist Katinka, sechs Jahre alt, eine Stute“, stellte ich das Pferdchen dem Bauern vor.
„Sechs Jahre? Kaum zu glauben. Das Pony sieht aus, als hätte es schon dreißig Jahre auf dem Buckel.“ Bauer Harms besah sich Katinka von allen Seiten. „Mein Gott, welch eine elende Kreatur! Wo hast du die denn aufgegabelt?“
„Beim Schlachter! Und wenn ich sie diesem Lump nicht abgekauft hätte, wäre sie am Montag in der Wurscht.“
„Na ja, viel Wurst hätte er aus der nicht machen können, so mager wie die ist“, stellte Matthias Harms fachmännisch fest.
Ich versuchte den Bauern davon zu überzeugen, dass er Katinka aufnehmen müsse. Er war ihre letzte Rettung. Meine Überredungskünste wurden davon untermauert, dass ich für das Pony den gleichen Boxenpreis zahlen würde wie für mein Pferd Sam, einen dunkelbraunen Wallach mit weißer Blesse, der seit zwei Jahren hier in Pension war. Wir standen noch auf dem Hof und verhandelten über die Unterbringung der kleinen Stute, als Erna und Richard vorfuhren. Erna war Bauer Harms' Schwester und Richard ihr Sohn. Die beiden waren nach dem Tod der Bäuerin auf den Hof gezogen und als gelernter Pferdewirt war Richard in den Familienbetrieb mit eingestiegen.
Er kam über den Hof marschiert und begutachtete Katinka.
Читать дальше