Greenfield: »Man muss die Kirche im Dorf lassen: Flexible und mobile Arbeit funktioniert nicht in der Produktion und wir stellen immerhin Eis her. Aber die Leute in unserer Marketing- oder Entwicklungsabteilung arbeiten auch von zu Hause aus. Es klingt zunächst komplizierter, seinen Mitarbeitern mehr Flexibilität einzuräumen, aber es lohnt sich: Die Leute werden mit ihrer Arbeit glücklicher sein und darum werden sie einen besseren Job machen.«
Mehr Freiheit = höhere Motivation
Offenbar sind es weniger nette Extras, Spaßaktivitäten und eine angenehme Arbeitsatmosphäre, die die Menschen motivieren, sonden schlicht mehr Freiheit. Die Zufriedenheit von flexiblen und mobilen Arbeitnehmern liegt deutlich über jener von monoton ins Büro gezwungenen (siehe Kapitel 8) - egal, ob diese dabei noch bespaßt werden oder nicht. Das liegt an einem Phänomen, das Psychologen extrinsische und intrinsische Motivation nennen. Als extrinsisch motiviert bezeichnet man Tätigkeiten, die nicht um ihrer selbst willen ausgeübt werden, sondern zum Beispiel für Geld oder Anerkennung. Bei der intrinsischen Motivation - die übrigens stärker und nachhaltiger ist - liegt der Anreiz für ein Verhalten hingegen in der Person selbst. Um bei der Arbeit intrinsisch motiviert zu sein, brauchen wir ein Gefühl von Autonomie und Selbstbestimmung. Wir erleben uns als wirksam, als Urheber von Veränderungen in unserer Umwelt. Wir fühlen uns als Herr unserer selbst, haben Freude an der eigenen Aktivität. Empfinden wir uns aber als Spielball äußerer Kräfte, ist die eigene Aktivität entwertet und wir können nur noch extrinsisch motiviert werden.
Hier kommt dann auch wieder Csikszentmihalyis Flow ins Spiel. Intrinsische Motivation drückt sich laut seiner Lehre in der freien Hingabe an eine Sache aus, dem völligen Absorbiertsein der voranschreitenden Handlung. Zu leichte Aufgaben führen zu Langeweile, zu anspruchsvolle rufen Angst hervor. In der Mitte liegt das Ideal - Flow bringt den Unterschied zwischen Arbeit und Spiel zum Verschwinden.
Ein Beispiel für gelungenen Flow findet sich schon in einem Brief Wolfgang Amadeus Mozarts:
»Wenn ich recht für mich bin und guter Dinge, [...], da kommen mir die Gedanken stromweis und am besten. Woher und wie, das weiß ich nicht, kann auch nichts dazu. Die mir gefallen, die behalte ich im Kopfe, und summe sie auch wohl vor mich hin, wie mir andere wenigstens gesagt haben. Halte ich das nun fest, so kommt mir bald eines nach dem anderen bei, wozu so ein Brocken zu brauchen wäre, um eine Pastete daraus zu machen nach Kontrapunkt, nach Klang der verschiedenen Instrumente et cetera. Das erhitzt mir nun die Seele; wenn ich nämlich nicht gestört werde, da wird es immer größer, und ich breite es immer weiter und heller aus, und das Ding wird im Kopf wahrlich fast fertig, wenn es auch lang ist, sodass ich's hernach mit einem Blick gleichsam wie ein schönes Bild oder einen hübschen Menschen im Geist übersehe, und es auch gar nicht nacheinander, wie es hernach kommen muss in der Einbildung höre, sondern wie gleich alles zusammen. Das ist nun ein Schmaus. Alles das Finden und Machen geht in mir nur wie ein schönstarker Traum vor; aber das Überhören, so alles zusammen, das ist doch das Beste.«
Das ist die Beschreibung eines nicht nur befriedigenden, sondern offensichtlich lustvollen Arbeitsprozesses, wie ihn leider die meisten Arbeitnehmer nur selten erleben. Eine Studie im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums, für die 37.000 Beschäftigte in 314 Unternehmen befragt wurden, ergab 2006, dass die Deutschen immer unzufriedener mit ihren Jobs sind. Der Anteil der »völlig« Zufriedenen sank seit 2001 um etwa 10 Prozentpunkte. »Das Niveau der Arbeitszufriedenheit hat doch erkennbar abgenommen«, stellt das personalmagazin angesichts dieser Zahlen recht nüchtern fest.
Folgt man Csikszentmihalyi, ist das kein Wunder: Besonders zufrieden sind für ihn jene Menschen, die selbst darüber bestimmen, wann und wie sie arbeiten, die dabei ihre eigenen Kontrolleure sind »und es im Übrigen für ebenso richtig halten zu sagen, sie hätten in ihrem Leben noch keinen einzigen Tag lang gearbeitet, wie andererseits zu sagen, sie hätten in jeder Minute ihres Lebens gearbeitet«. Diese Menschen seien bei der Arbeit, egal ob sie gerade duschen, Auto fahren oder eine Spaghettisoße zubereiten, so Csikszentmihalyi: »In Gedanken setzen sie sich ständig mit irgendeinem Problem auseinander, wälzen es hin und her, untersuchen es aus immer wieder anderem Blickwinkel. Allerdings erscheint ihnen diese intensive Tätigkeit so mühelos wie das Atmen.« Traditionell sind diese glücklichen Menschen, die eindeutig sehr viel Spaß und Freude bei ihrer Arbeit empfinden, zum Beispiel Künstler, Schriftsteller, Wissenschaftler, Erfinder und Unternehmer. Für solche »Kopfarbeiter, die ihre Ziele und ihr Schrittmaß selbst bestimmen - ist das, was sie tun, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, so sehr Teil ihrer Persönlichkeit, dass es nicht mehr als eine gesellschaftliche Konvention ist, wenn man es als Arbeit bezeichnet«, so Csikszentmihalyi.
In vielen Berufen ist es mit der Selbstbestimmtheit, der intrinsischen Motivation, damit auch dem Flow und dem Spaß nicht so weit her. Zwei der von Csikszentmihalyi genannten Gründe dafür interessieren uns hier: 1. der Mangel an Steuerungsmöglichkeiten und 2. der Umgang mit der Zeit, der von Rhythmen bestimmt ist, die nicht beim Arbeitnehmer liegen. Zum ersten Punkt schreibt er: »Ein Arbeitnehmer, dem noch der kleinste Schritt vorgegeben ist, verliert rasch das Interesse an seiner Arbeit.« Die beiden häufigsten Klagepunkte im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit beträfen die Monotonie der jeweiligen Tätigkeit und die Konflikte mit Vorgesetzten. Der zweite Punkt ist essenziell. Die unflexible Arbeitszeit, die mit der Industriellen Revolution unseren Tagesablauf und unsere Lebensplanung zu diktieren begann, brachte einen Zeitrahmen mit sich, »in dem die Arbeitenden die Kontrolle über ihre psychische Energie einbüßten - ob nun tatsächlich Arbeit da war, die erledigt werden musste, oder nicht«. Das gilt heute noch für die meisten Büroarbeiter.
Doch auch für Csikszentmihalyi ist Hoffnung in Sicht. Die neuen Entwicklungen in der Kommunikationstechnologie haben die Begriffe Arbeitsplatz und Arbeitszeit theoretisch sehr stark relativiert: Der mit dem betrieblichen Rechner vernetzte häusliche PC gestattet es immer mehr Arbeitnehmern, ihr Tempo selbst zu bestimmen. So arbeitende Menschen können beschließen, »zum Angeln zu fahren, wann immer sie wollen«. Doch der Wissenschaftler sieht ein großes Hindernis auf dem Weg, solche flexiblen Arbeitsformen für viele zu ermöglichen. Die dominante Unternehmenskultur beurteilt Menschen, die Karriere machen wollen, immer noch nach der Menge der Überstunden: »Während die extrinsischen Belohnungen innerhalb der Organisation (Bezahlung, Beförderung, Einfluss) in der Regel direkt proportional der Menge an Zeit sind, die man in betriebliche Ziele investiert, stehen intrinsische Belohnungen (das Gefühl eine Arbeit gut, mit Geschick und Phantasie ausgeführt zu haben) häufig gerade im umgekehrten Verhältnis dazu.« Der Stress für Wissensarbeiter nehme daher weiter zu und es werde wohl noch eine Weile dauern, bis Unternehmen ein durchdachtes - sprich flexibleres und freieres - Zeitmanagement installierten.
Zeit für ein kleines Zwischenfazit: In der Easy Economy geht es darum, wieder Spaß an der Arbeit zu finden. Darum auch das dem ersten Kapitel vorangestellte Motto: If it's not fun, why do it? Aber wir wollen Spaß am Arbeitsplatz weder definieren als vom Chef vorgeschriebene Unterhaltungsmaßnahmen noch als von Mitarbeitern initiierte Albereien. Weder als New-Economy-Gimmicks, die uns nur von der Arbeit abhalten noch als Luxus-Incentives, mit denen uns der Chef ja doch nur an den Schreibtisch ketten will. Sondern: Spaß bei der Arbeit entsteht dann, wenn wir wie Erwachsene behandelt werden. Wenn wir selbst entscheiden können, wie wir am effektivsten funktionieren. Spaß ensteht aus dem Gefühl der Kontrolle über die eigene Zeit und über die eigene Leistung. Spaß bedeutet, eine anspruchsvolle Aufgabe mit möglichst hoher Eigenverantwortung und Selbstbestimmtheit auszuführen - wann, wo und wie man will - und dann ganz schnell Angeln zu gehen.
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