Will Berthold - Nach mir komm ich

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Traumvillen, Hochseeyachten, Partys und Exzesse ohne Ende: Die Superreichen in den Steueroasen tun und lassen, wonach ihnen der Sinn steht. So auch Henry Kamossa, der so etwas wie den charismatischen Mittelpunkt dieser internationalen Szene darstellt. Kamossa scheint zu besitzen, was ein Mensch sich nur wünschen kann. Er kennt keine Skrupel und keine Spielregeln, und reitet auf einer Welle des Erfolgs durchs Leben. Bis jemand einen Mordanschlag auf ihn verübt. Denn offenbar verbirgt er ein dunkles Geheimnis, das er bisher gehütet hat wie seinen Augapfel. In der Stunde der Wahrheit bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich den Schatten seiner Vergangenheit zu stellen, denn dort lauert jemand, der keine leeren Drohungen ausspricht: Er will Kamossa töten …-

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Will Berthold

Nach mir komm ich

Roman

Originalausgabe

SAGA Egmont

Nach mir komm ich

Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

Copyright © 2017 by Will Berthold Nachlass,

represented by AVA international GmbH, Germany ( www.ava-international.de).

Originally published 1990 by Heyne Verlag, Germany.

All rights reserved

ISBN: 9788711726983

1. Ebook-Auflage, 2017

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.comund Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk– a part of Egmont www.egmont.com

Erster teil

I

Ausgerechnet in diesen strahlenden Maitag platzt der erste Anschlag aus dem Hinterhalt, aber Henry Kamossa, den Aufsteiger ohnegleichen, reißt die Bedrohung aus dem Untergrund nicht von den Beinen. Seit langem gewohnt, in schwindelnden Höhen ohne Absturz zu operieren, ist er viel zu selbstherrlich, um sich bedrängt zu fühlen. Er hat seine Mitwisser in der Hand und seine Feinde im Griff. Der Machtmensch und Multimillionär kennt keine Ängste, wiewohl er fürchten muß, daß seine sorgfältig zubetonierte Vergangenheit eines Tages aufbrechen könnte wie ein Geschwür.

Kamossa betritt in bester Laune kurz vor neun Uhr die Terrasse seiner ›Residenza Fortuna‹; sie liegt unterhalb des Monte Verità, direkt über dem Lago Maggiore wie eine Festung über Ascona, dem St. Tropez der Schweiz. Die Sonne ist längst über den Gambarogno geklettert, und Kamossa starrt wie blind in ihren Glutkopf. Er ist kein Romantiker, aber einen Moment lang wird selbst er vom Zauber dieses Tages überwältigt.

Der Frühling auf dem Triumphzug hat über Nacht seinen Blumenfeldzug auf der Alpensüdseite gewonnen und Blüten wie Herzen geöffnet. Rhododendron und Azaleen überziehen die Hänge und Promenaden mit fantastischen Farben. Die Palmen recken ihre Kronen sehnsüchtig in die Sonne und unterhalten sich nach Art der Klapperstörche. Das Blau des Himmels spiegelt sich auf dem See. Es ist einer dieser Bilderbuchtage, an denen Zerstrittene wieder nett zueinander sind, Alte sich jung und Kranke sich wohl fühlen und tote Ehen sich vorübergehend wiederbeleben.

Kamossa, dieser notorische Drahtzieher hinter den Kulissen, betrachtet die Boote mit den weißen Segeln unter sich. Es sieht aus, als putze sich der See mit Einstecktüchern heraus. Der Multi-Unternehmer – man sieht ihm seine 65 Jahre nicht an – ist an den internationalen Treffpunkten der Schickeria gleichermaßen zu Hause wie an den wichtigsten Finanzplätzen. Er hat Besitzungen in Marbella, Monte Carlo, St. Moritz, auf den Bahamas und in Florida, hält sich aber vorwiegend in Ascona auf. Dabei nimmt der Tessin, an der Steuerersparnis gemessen, nur einen mittleren Rang in der Schweiz ein, die eine bekannte St. Gallener Wirtschaftsprofessorin bezichtigt, ›das Sparschwein korrupter Diktatoren‹ zu sein.

Henry Kamossa war gestern spätabends mit der selbst pilotierten Cessna von der Côte d’Azur nach Locarno-Magadino geflogen. Er hatte in Monte Carlo eine seiner Holdings auf Trab gebracht, in Nizza Gespräche mit dem Spitzenmanager seiner Bank geführt und war dann so nebenbei mit dessen Freundin, einer kleinen Französin, verschwunden und hatte sich mit ihr für ein paar Tage in einem Liebesnest bei Cannes verkrochen. Jedenfalls war er unerreichbar. Trotz vorrückenden Alters gilt der Wirtschafts-Potentat noch immer als ein Mann, der eine Gelegenheit eher herbeiführt als sie ausläßt. Ob die Rolle des unverwüstlichen Schwerenöters echt oder nur vorgetäuscht ist, weiß keiner genau. Zuzutrauen ist ihm alles. Jedenfalls werden seine Geschäftsfreunde und Rivalen immer unruhig, wenn Gerüchte umgehen, Kamossa sei mit einer Schönen untergetaucht. Zu oft hatten sich die angeblichen Abwege als Umwege zu einem neuen Geniestreich an der Börse erwiesen. Ein Mann wie Kamossa macht eben alles zu Geld, selbst seinen schlechten Ruf.

Wenn von den Heroen des nun schon Jahrzehnte zurückliegenden deutschen Wunders die Rede ist, wird der hochgewachsene Mann mit dem straffen Gesicht, den harten Augen und den dichten Haaren stets in eine Reihe mit Grundig, Horten, Schickedanz, Schlieker, Neckermann, Körberund anderen Titanen gestellt; er genießt diesen Nimbus, wiewohl einige der Genannten längst milde oder wilde Titanenstürze hinter sich haben. Das Wirtschaftsimperium Kamossas erreicht in diesem Frühling seine höchste Expansion. Es ist das Jahr, in dem Boris Becker seinen ersten Wimbledon-Sieg erringt, der Flick-Konzern an die deutsche Bank verkauft wird, der Bonner Regierungssprecher wegen Steuerhinterziehung zurücktreten muß, im Fernsehen die ›Schwarzwaldklinik‹ ihre Pforten öffnet, in Wackersdorf die Massendemonstrationen gegen die Wiederaufbereitungsanlage beginnen.

»Frühstücken wir zusammen, Henry?« ruft ihm Iris von oben aus ihrem Schlafzimmer zu. Er winkt hinauf. »Und zwar auf der Terrasse bitte«, erwidert er.

»Ich bin gleich fertig«, entgegnet sie. »Ich spring nur noch mal schnell ins Wasser.«

In der Wohnhalle klingelt das Telefon. Budde, der Intimus des Hausherrn, nimmt das Gespräch entgegen. »Moment, Herr Konsul«, antwortet er dem Anrufer. »Ich weiß nicht, ob Herr Kamossa schon aufgestanden ist.« Er geht auf die Terrasse. »Henry«, fragt er halblaut, »bist du für Kronwein zu sprechen?«

Der Hausherr zögert kurz und nickt dann verdrossen. Wenn ihn der Verleger um diese Zeit anruft, handelt es sich vermutlich um Wichtigeres als um die Einladung zu einer Cocktailparty. »Hallo«, meldet er sich und drückt vorsorglich auf den Knopf des Aufzeichnungsgeräts, gewohnt, wichtige Gespräche auf Tonband mitzuschneiden.

»Guten Morgen, Herr Kamossa – und entschuldigen Sie bitte die Unzeit, zu der ich Sie störe«, meldet sich der Inhaber des Kronwein-Buchverlags, der auch Zeitschriften unterschiedlichen Niveaus herausbringt. »Aber ich muß Sie so schnell wie möglich sprechen.«

»Ich komme gerade von der Côte d’Azur zurück und bin leider zeitlich sehr im Druck«, wehrt Kamossa den Geschäftspartner ab. Seine Firmen inserieren häufig in den Kronwein-Blättern, und ihre Geschäftsführer sorgen dann dafür, daß im Textteil bestimmte Meldungen erscheinen – und andere in den Papierkorb fliegen.

»Kann ich mir denken«, versetzt der Anrufer beflissen. »Ich fasse mich kurz: Meinem Lektorat wurde soeben ein Manuskript angeboten, bei dem es sich um eine Art unautorisierter Kamossa-Biographie handelt – eine recht einseitige und verzerrte Darstellung. Sicherlich liegt es in Ihrem Interesse, daß das Machwerk nicht als Buch und womöglich gar als Vorabdruck in einer dieser obskuren Zeitschriften herauskommt.«

»Ach wissen Sie, über mich wird so viel geschrieben, daß es mir eigentlich schon gleichgültig ist«, behauptet der Angerufene betont gelassen. »Letztlich ist ja doch alles nur Reklame.«

»In diesem Fall aber eine verdammt schlechte«, versetzt der Verleger, bestrebt, sich seine Verärgerung über die Herunterspielung nicht anmerken zu lassen. »Ich hab zwar erst ein Teilmanuskript in Händen, aber es läßt sich jetzt schon absehen, daß es sich um ein bestürzendes, giftiges Geschreibsel aus Halbwahrheiten, Klatsch und Sex-Geschichten handelt.« Er dämpft ein wenig die Stimme: »Darunter gestreut vielleicht auch echte Tatsachen. Jedenfalls«, fährt er hastig fort, »ich hab das Manuskript gelesen und …«

»Sie?« unterbricht ihn der Geldmagnat lachend. »Dabei ist doch hinreichend bekannt, daß Sie noch nie ein Werk gelesen haben, das in Ihrem geschätzten Verlag herauskommt.«

»Branchengeschwätz«, erwidert der Geltungs-Konsul gereizt. »Barer Unsinn. Wie stellen Sie sich das vor – alljährlich erscheinen in meinem Haus sechzig bis siebzig Titel und …«

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